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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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spricht. Noch viel zarter jedoch, und für Alles, was wir
wägbar und meßbar nennen, gänzlich unerreichbar, hat man
jene an und für sich unbewußten Vorgänge zu betrachten,
in denen wir die leibliche Bedingung einer jeden geistigen
Regung voraussetzen müssen! Auch ist hier auf diese früher
hinreichend besprochenen Gegenstände nur in so weit zurück¬
zugehen, als nöthig ist, um deutlich zu machen, wie irgend
eine Krankheit, wenn sie gerade in einzelnen Provinzen
jener elementaren Nervensubstanz besondere bleibende Umstim¬
mungen gesetzt hat, sogleich auch auf gewisse Weise bleibende
Umstimmungen in den geistigen Regungen herbeiführen müsse.
Ungefähr eben so wie das Auge, in dessen Retina eine viel¬
leicht noch so kleine Umbildung vorgegangen ist, immer und
immer gewisse Farben, gewisse Figuren, gekörnte Schlangen,
Mouches volantes u. dergl. sieht, so ist klar, wie einer
menschlichen Individualität, in deren unbewußt bildenden
Hirnleben gewisse bleibende Umänderungen vorgegangen sind,
gewisse ihnen entsprechende Vorstellungen immer und immer
wieder herangeführt werden können, so daß nun dadurch
eben so das gesunde, reine, willkürliche Denken gehindert
erscheinen muß, als in anderer Weise ein solches Denken
nicht möglich sein wird, wenn durch fortwährend äußeren
Lärm und Aufregung stets gewisse fremdartige Vorstellungen
dem Geiste aufgezwungen werden.

Nur von diesem Standpunkt aus wird man alsdann
einigermaßen verstehen können, wie alle jene sonderbaren
Zustände erzeugt werden, welche nicht selten auf merkwür¬
dige Weise das Mittel halten zwischen irrigem Denken und
zwischen den erwähnten Täuschungen der Sinnesorgane.
Den letztern, von denen wir als Beispiele die Augenspectra
und das Ohrenklingen angeführt haben, nähert sich am
meisten das, was als "Hallucinationen" bekannt ist,
das Hören fremder Stimmen (gleichsam ein Ohrenklingen
des Gehirns; figürlich könnte man auch allen Wahnsinn so
nennen), das Schauen von Phantasmen u. s. w. Dem irr¬

ſpricht. Noch viel zarter jedoch, und für Alles, was wir
wägbar und meßbar nennen, gänzlich unerreichbar, hat man
jene an und für ſich unbewußten Vorgänge zu betrachten,
in denen wir die leibliche Bedingung einer jeden geiſtigen
Regung vorausſetzen müſſen! Auch iſt hier auf dieſe früher
hinreichend beſprochenen Gegenſtände nur in ſo weit zurück¬
zugehen, als nöthig iſt, um deutlich zu machen, wie irgend
eine Krankheit, wenn ſie gerade in einzelnen Provinzen
jener elementaren Nervenſubſtanz beſondere bleibende Umſtim¬
mungen geſetzt hat, ſogleich auch auf gewiſſe Weiſe bleibende
Umſtimmungen in den geiſtigen Regungen herbeiführen müſſe.
Ungefähr eben ſo wie das Auge, in deſſen Retina eine viel¬
leicht noch ſo kleine Umbildung vorgegangen iſt, immer und
immer gewiſſe Farben, gewiſſe Figuren, gekörnte Schlangen,
Mouches volantes u. dergl. ſieht, ſo iſt klar, wie einer
menſchlichen Individualität, in deren unbewußt bildenden
Hirnleben gewiſſe bleibende Umänderungen vorgegangen ſind,
gewiſſe ihnen entſprechende Vorſtellungen immer und immer
wieder herangeführt werden können, ſo daß nun dadurch
eben ſo das geſunde, reine, willkürliche Denken gehindert
erſcheinen muß, als in anderer Weiſe ein ſolches Denken
nicht möglich ſein wird, wenn durch fortwährend äußeren
Lärm und Aufregung ſtets gewiſſe fremdartige Vorſtellungen
dem Geiſte aufgezwungen werden.

Nur von dieſem Standpunkt aus wird man alsdann
einigermaßen verſtehen können, wie alle jene ſonderbaren
Zuſtände erzeugt werden, welche nicht ſelten auf merkwür¬
dige Weiſe das Mittel halten zwiſchen irrigem Denken und
zwiſchen den erwähnten Täuſchungen der Sinnesorgane.
Den letztern, von denen wir als Beiſpiele die Augenſpectra
und das Ohrenklingen angeführt haben, nähert ſich am
meiſten das, was als „Hallucinationen“ bekannt iſt,
das Hören fremder Stimmen (gleichſam ein Ohrenklingen
des Gehirns; figürlich könnte man auch allen Wahnſinn ſo
nennen), das Schauen von Phantasmen u. ſ. w. Dem irr¬

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[448/0464] ſpricht. Noch viel zarter jedoch, und für Alles, was wir wägbar und meßbar nennen, gänzlich unerreichbar, hat man jene an und für ſich unbewußten Vorgänge zu betrachten, in denen wir die leibliche Bedingung einer jeden geiſtigen Regung vorausſetzen müſſen! Auch iſt hier auf dieſe früher hinreichend beſprochenen Gegenſtände nur in ſo weit zurück¬ zugehen, als nöthig iſt, um deutlich zu machen, wie irgend eine Krankheit, wenn ſie gerade in einzelnen Provinzen jener elementaren Nervenſubſtanz beſondere bleibende Umſtim¬ mungen geſetzt hat, ſogleich auch auf gewiſſe Weiſe bleibende Umſtimmungen in den geiſtigen Regungen herbeiführen müſſe. Ungefähr eben ſo wie das Auge, in deſſen Retina eine viel¬ leicht noch ſo kleine Umbildung vorgegangen iſt, immer und immer gewiſſe Farben, gewiſſe Figuren, gekörnte Schlangen, Mouches volantes u. dergl. ſieht, ſo iſt klar, wie einer menſchlichen Individualität, in deren unbewußt bildenden Hirnleben gewiſſe bleibende Umänderungen vorgegangen ſind, gewiſſe ihnen entſprechende Vorſtellungen immer und immer wieder herangeführt werden können, ſo daß nun dadurch eben ſo das geſunde, reine, willkürliche Denken gehindert erſcheinen muß, als in anderer Weiſe ein ſolches Denken nicht möglich ſein wird, wenn durch fortwährend äußeren Lärm und Aufregung ſtets gewiſſe fremdartige Vorſtellungen dem Geiſte aufgezwungen werden. Nur von dieſem Standpunkt aus wird man alsdann einigermaßen verſtehen können, wie alle jene ſonderbaren Zuſtände erzeugt werden, welche nicht ſelten auf merkwür¬ dige Weiſe das Mittel halten zwiſchen irrigem Denken und zwiſchen den erwähnten Täuſchungen der Sinnesorgane. Den letztern, von denen wir als Beiſpiele die Augenſpectra und das Ohrenklingen angeführt haben, nähert ſich am meiſten das, was als „Hallucinationen“ bekannt iſt, das Hören fremder Stimmen (gleichſam ein Ohrenklingen des Gehirns; figürlich könnte man auch allen Wahnſinn ſo nennen), das Schauen von Phantasmen u. ſ. w. Dem irr¬

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/464>, abgerufen am 24.11.2024.