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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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gestaltenden Offenbarungen abhängen, daß dieses Göttliche
sich selbst schaue und erkenne, sondern es ist schlechterdings
vorauszusetzen, daß in aller und jeder neuen Offenbarung
im Aether, auch dieses Göttliche sich selbst stets auf eine
neue Weise anschaue und erkenne, und wenn auch in ihm
ein ewiger Wechsel aller zeitlichen Offenbarungen doch Statt
findet und finden muß, so ist immer der höchste Grund all
dieses Wechsels selbst nur zu suchen und zu finden in der
Nothwendigkeit, die ganze unendliche Tiefe seines ewigen
Wesens in immerfort neu hervortretenden Erscheinungen
rastlos zu bethätigen, ohne daß durch diesen Wechsel jedoch
die Vollkommenheit des sich selbst Erkennens irgendwie ge¬
fährdet sein könnte. In jeder Verwandlung des Seins
also, trotz rastloser Vernichtung alles vorher Vorhandenen
und trotz immer neu Aufgehen eines noch nie so Dagewesenen,
spiegelt sich ohne Aufhören, und unabhängig von all jenem
Wechsel, ein ewig klares Bewußtsein, und daß wir eine
solche höchste aller Seeligkeiten mindestens zu denken ver¬
mögen, ist das wesentlichste Siegel jener Stufe der Seelig¬
keit, zu welcher auch der menschliche Geist berufen und
erwählt ist.

Den vollkommenen Gegensatz zu solchem höchsten sich
selbst Durchsichtig- und Bewußt-sein und zu solchem voll¬
endeten Freisein, zeigten sodann alle jene Ideen, welche
zwar nach höherer Nothwendigkeit, als in Gott gedachte,
unendlich vielfältig in der Erscheinung der Welt sich dar¬
leben, aber in sich selbst nie zum Bewußtsein sich erheben.
Nehmen wir z. B. die Idee einer gewissen Krystallbildung,
so ist es klar, daß, so tausendfältig auch dieses Urbild in
unendlichen Abbildern sich darleben mag, wir dasselbe doch
niemals als sich selbst erkennend und im Bewußtsein zur
Freiheit gelangend zu denken berechtigt sind, und daß daher
auch für eine solche Idee alle jene unendlichen Offenbarun¬
gen ihres Wesens schlechterdings und ewig ohne irgend ein
Resultat verbleiben werden. Zwischen diesen beiden Extremen

geſtaltenden Offenbarungen abhängen, daß dieſes Göttliche
ſich ſelbſt ſchaue und erkenne, ſondern es iſt ſchlechterdings
vorauszuſetzen, daß in aller und jeder neuen Offenbarung
im Aether, auch dieſes Göttliche ſich ſelbſt ſtets auf eine
neue Weiſe anſchaue und erkenne, und wenn auch in ihm
ein ewiger Wechſel aller zeitlichen Offenbarungen doch Statt
findet und finden muß, ſo iſt immer der höchſte Grund all
dieſes Wechſels ſelbſt nur zu ſuchen und zu finden in der
Nothwendigkeit, die ganze unendliche Tiefe ſeines ewigen
Weſens in immerfort neu hervortretenden Erſcheinungen
raſtlos zu bethätigen, ohne daß durch dieſen Wechſel jedoch
die Vollkommenheit des ſich ſelbſt Erkennens irgendwie ge¬
fährdet ſein könnte. In jeder Verwandlung des Seins
alſo, trotz raſtloſer Vernichtung alles vorher Vorhandenen
und trotz immer neu Aufgehen eines noch nie ſo Dageweſenen,
ſpiegelt ſich ohne Aufhören, und unabhängig von all jenem
Wechſel, ein ewig klares Bewußtſein, und daß wir eine
ſolche höchſte aller Seeligkeiten mindeſtens zu denken ver¬
mögen, iſt das weſentlichſte Siegel jener Stufe der Seelig¬
keit, zu welcher auch der menſchliche Geiſt berufen und
erwählt iſt.

Den vollkommenen Gegenſatz zu ſolchem höchſten ſich
ſelbſt Durchſichtig- und Bewußt-ſein und zu ſolchem voll¬
endeten Freiſein, zeigten ſodann alle jene Ideen, welche
zwar nach höherer Nothwendigkeit, als in Gott gedachte,
unendlich vielfältig in der Erſcheinung der Welt ſich dar¬
leben, aber in ſich ſelbſt nie zum Bewußtſein ſich erheben.
Nehmen wir z. B. die Idee einer gewiſſen Kryſtallbildung,
ſo iſt es klar, daß, ſo tauſendfältig auch dieſes Urbild in
unendlichen Abbildern ſich darleben mag, wir daſſelbe doch
niemals als ſich ſelbſt erkennend und im Bewußtſein zur
Freiheit gelangend zu denken berechtigt ſind, und daß daher
auch für eine ſolche Idee alle jene unendlichen Offenbarun¬
gen ihres Weſens ſchlechterdings und ewig ohne irgend ein
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[482/0498] geſtaltenden Offenbarungen abhängen, daß dieſes Göttliche ſich ſelbſt ſchaue und erkenne, ſondern es iſt ſchlechterdings vorauszuſetzen, daß in aller und jeder neuen Offenbarung im Aether, auch dieſes Göttliche ſich ſelbſt ſtets auf eine neue Weiſe anſchaue und erkenne, und wenn auch in ihm ein ewiger Wechſel aller zeitlichen Offenbarungen doch Statt findet und finden muß, ſo iſt immer der höchſte Grund all dieſes Wechſels ſelbſt nur zu ſuchen und zu finden in der Nothwendigkeit, die ganze unendliche Tiefe ſeines ewigen Weſens in immerfort neu hervortretenden Erſcheinungen raſtlos zu bethätigen, ohne daß durch dieſen Wechſel jedoch die Vollkommenheit des ſich ſelbſt Erkennens irgendwie ge¬ fährdet ſein könnte. In jeder Verwandlung des Seins alſo, trotz raſtloſer Vernichtung alles vorher Vorhandenen und trotz immer neu Aufgehen eines noch nie ſo Dageweſenen, ſpiegelt ſich ohne Aufhören, und unabhängig von all jenem Wechſel, ein ewig klares Bewußtſein, und daß wir eine ſolche höchſte aller Seeligkeiten mindeſtens zu denken ver¬ mögen, iſt das weſentlichſte Siegel jener Stufe der Seelig¬ keit, zu welcher auch der menſchliche Geiſt berufen und erwählt iſt. Den vollkommenen Gegenſatz zu ſolchem höchſten ſich ſelbſt Durchſichtig- und Bewußt-ſein und zu ſolchem voll¬ endeten Freiſein, zeigten ſodann alle jene Ideen, welche zwar nach höherer Nothwendigkeit, als in Gott gedachte, unendlich vielfältig in der Erſcheinung der Welt ſich dar¬ leben, aber in ſich ſelbſt nie zum Bewußtſein ſich erheben. Nehmen wir z. B. die Idee einer gewiſſen Kryſtallbildung, ſo iſt es klar, daß, ſo tauſendfältig auch dieſes Urbild in unendlichen Abbildern ſich darleben mag, wir daſſelbe doch niemals als ſich ſelbſt erkennend und im Bewußtſein zur Freiheit gelangend zu denken berechtigt ſind, und daß daher auch für eine ſolche Idee alle jene unendlichen Offenbarun¬ gen ihres Weſens ſchlechterdings und ewig ohne irgend ein Reſultat verbleiben werden. Zwiſchen dieſen beiden Extremen

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/498>, abgerufen am 24.11.2024.