früher bemerkten) der Gegensatz von Nothwendigkeit und Freiheit gegeben war. Das Unbewußte hingegen, obwohl sein Streben rastlos dahin gerichtet sein muß, eine gewisse Selbstständigkeit des eigenen Organismus zu behaupten, damit eben auf der Spitze seines Daseins der erkennende Geist sich aus ihm entwickle, ist von diesem schroffen Gegen¬ satze fern, -- in ihm fluthet das allgemeine Dasein der Welt noch unmittelbar fort, und in ihm regen sich deßhalb alle Fasern der Verbindung, durch welche das Einzelne dem Ganzen überall und immerfort verknüpft ist und ver¬ knüpft sein muß. Dies nun sorgfältig bei Betrachtung der Organismen und namentlich in dieser psychologischen Beziehung zu erwägen, ist von der außerordentlichsten Wich¬ tigkeit. Je entfernter nämlich hienach irgend ein Organis¬ mus vom Selbstbewußtsein bleibt, desto geringer wird über¬ haupt seine Individualität ausgeprägt sein, und desto unmittelbarer muß gedacht werden sein unbewußtes Inbe¬ griffensein in einem allgemeinen Organismus, ja desto abhängiger von dessen Art sich darzuleben wird er sein, und desto mehr nur erfühlend, innernd und ahnend alle Lebensvorgänge dieses Allgemeinen. Eines Theils wird nun, wenn wir diese Erkenntniß festhalten, sogleich sehr Vieles klar, was die Geschichte der uns bekannten niedern Organismen angeht: man versteht, warum Protorganismen, Pflanzen und niedere Thiere ganz und gar noch den Ver¬ änderungen des tellurischen Lebens anheim gegeben sind, warum ihre innere Bildung, gleichsam unbewußt voraus¬ schauend, sich immer angemessen den Stimmungen des Leben¬ kreises entwickelt in welchen sie inbegriffen sind, so daß an ihnen z. B. manche Vorbedeutungen der atmosphärischen Veränderungen u. dgl. erkennbar werden von denen unser Bewußtsein schlechterdings an und für sich eine nähere Kenntniß nicht hat. Andern Theils ergeben sich daraus aber auch die merkwürdigsten Resultate für die richtige Be¬ urtheilung der psychischen Vorgänge unseres eigenen Orga¬
Carus, Psyche. 6
früher bemerkten) der Gegenſatz von Nothwendigkeit und Freiheit gegeben war. Das Unbewußte hingegen, obwohl ſein Streben raſtlos dahin gerichtet ſein muß, eine gewiſſe Selbſtſtändigkeit des eigenen Organismus zu behaupten, damit eben auf der Spitze ſeines Daſeins der erkennende Geiſt ſich aus ihm entwickle, iſt von dieſem ſchroffen Gegen¬ ſatze fern, — in ihm fluthet das allgemeine Daſein der Welt noch unmittelbar fort, und in ihm regen ſich deßhalb alle Faſern der Verbindung, durch welche das Einzelne dem Ganzen überall und immerfort verknüpft iſt und ver¬ knüpft ſein muß. Dies nun ſorgfältig bei Betrachtung der Organismen und namentlich in dieſer pſychologiſchen Beziehung zu erwägen, iſt von der außerordentlichſten Wich¬ tigkeit. Je entfernter nämlich hienach irgend ein Organis¬ mus vom Selbſtbewußtſein bleibt, deſto geringer wird über¬ haupt ſeine Individualität ausgeprägt ſein, und deſto unmittelbarer muß gedacht werden ſein unbewußtes Inbe¬ griffenſein in einem allgemeinen Organismus, ja deſto abhängiger von deſſen Art ſich darzuleben wird er ſein, und deſto mehr nur erfühlend, innernd und ahnend alle Lebensvorgänge dieſes Allgemeinen. Eines Theils wird nun, wenn wir dieſe Erkenntniß feſthalten, ſogleich ſehr Vieles klar, was die Geſchichte der uns bekannten niedern Organismen angeht: man verſteht, warum Protorganismen, Pflanzen und niedere Thiere ganz und gar noch den Ver¬ änderungen des telluriſchen Lebens anheim gegeben ſind, warum ihre innere Bildung, gleichſam unbewußt voraus¬ ſchauend, ſich immer angemeſſen den Stimmungen des Leben¬ kreiſes entwickelt in welchen ſie inbegriffen ſind, ſo daß an ihnen z. B. manche Vorbedeutungen der atmoſphäriſchen Veränderungen u. dgl. erkennbar werden von denen unſer Bewußtſein ſchlechterdings an und für ſich eine nähere Kenntniß nicht hat. Andern Theils ergeben ſich daraus aber auch die merkwürdigſten Reſultate für die richtige Be¬ urtheilung der pſychiſchen Vorgänge unſeres eigenen Orga¬
Carus, Pſyche. 6
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früher bemerkten) der Gegenſatz von Nothwendigkeit und
Freiheit gegeben war. Das Unbewußte hingegen, obwohl
ſein Streben raſtlos dahin gerichtet ſein muß, eine gewiſſe
Selbſtſtändigkeit des eigenen Organismus zu behaupten,
damit eben auf der Spitze ſeines Daſeins der erkennende
Geiſt ſich aus ihm entwickle, iſt von dieſem ſchroffen Gegen¬
ſatze fern, — in ihm fluthet das allgemeine Daſein der
Welt noch unmittelbar fort, und in ihm regen ſich deßhalb
alle Faſern der Verbindung, durch welche das Einzelne
dem Ganzen überall und immerfort verknüpft iſt und ver¬
knüpft ſein muß. Dies nun ſorgfältig bei Betrachtung
der Organismen und namentlich in dieſer pſychologiſchen
Beziehung zu erwägen, iſt von der außerordentlichſten Wich¬
tigkeit. Je entfernter nämlich hienach irgend ein Organis¬
mus vom Selbſtbewußtſein bleibt, deſto geringer wird über¬
haupt ſeine Individualität ausgeprägt ſein, und deſto
unmittelbarer muß gedacht werden ſein unbewußtes Inbe¬
griffenſein in einem allgemeinen Organismus, ja deſto
abhängiger von deſſen Art ſich darzuleben wird er ſein,
und deſto mehr nur erfühlend, innernd und ahnend alle
Lebensvorgänge dieſes Allgemeinen. Eines Theils wird
nun, wenn wir dieſe Erkenntniß feſthalten, ſogleich ſehr
Vieles klar, was die Geſchichte der uns bekannten niedern
Organismen angeht: man verſteht, warum Protorganismen,
Pflanzen und niedere Thiere ganz und gar noch den Ver¬
änderungen des telluriſchen Lebens anheim gegeben ſind,
warum ihre innere Bildung, gleichſam unbewußt voraus¬
ſchauend, ſich immer angemeſſen den Stimmungen des Leben¬
kreiſes entwickelt in welchen ſie inbegriffen ſind, ſo daß an
ihnen z. B. manche Vorbedeutungen der atmoſphäriſchen
Veränderungen u. dgl. erkennbar werden von denen unſer
Bewußtſein ſchlechterdings an und für ſich eine nähere
Kenntniß nicht hat. Andern Theils ergeben ſich daraus
aber auch die merkwürdigſten Reſultate für die richtige Be¬
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/97>, abgerufen am 22.11.2024.
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