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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Periode des Stillstandes bis zum zwölften Jahrhundert.
nahme der christlichen Gemeinden unter verschiedenen Völkern brachte
die neue Lehre der Gefahr nahe, durch Aufnahme zahlreicher mehr oder
weniger tief eingreifender Verschiedenheiten in Glaubenssachen und im
Ritual in ebensoviele einzelne Kirchen gespalten zu werden. Es hatten
ja ohnedies die vom Polytheismus zum Christenthum Uebergetretenen
einen sehr natürlichen Hang, die neue Religion wenigstens der äußern
Glaubensform nach der alten anzuschließen. Dies konnte aber leicht
auseinander führen. Und wenn auch schon seit der Zeit der Alexandri-
ner Clemens und Origenes die gnostischen Lehren mit ihren an polythei-
stische Ideen streifenden Ansichten trotz ihres befruchtenden Einflusses
auf die geistige Weiterbildung des Christenthums äußerlich zurückge-
drängt worden waren, so blieben doch in der Trinitätslehre, dem Ma-
rien- und Heiligen-Cultus Momente übrig, welche den Tausch des
götterbelebten Olymps gegen den von einem Gott durchwehten Himmel
nach Umständen mehr oder weniger erleichterten. Je weiter nun aber
der Spielraum war, welchen die von verschiedenen Punkten ausgehen-
den Traditionen darboten, je mehr die ungleiche Befähigung der Be-
kehrten eine Theilnahme aller Gemeindemitglieder an der äußeren Ver-
waltung und dem innern Weiterbau des kirchlichen Lebens unmöglich
machte, desto mehr Grund gewannen die Bestrebungen, feste Glau-
benssätze aufzustellen, nach deren Anerkennung anders Denkende als
Ketzer aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen wurden.
Dies suchten zunächst die schon seit der apostolischen Zeit her in Ge-
brauch gekommenen allgemeinen Kirchenversammlungen zu bestimmen.
Eine weitere Kraft erhielten aber diese Versuche mit der Ausbildung
des Episkopats, welches unter Annahme einer directen apostolischen
Nachfolge nicht bloß die Ueberlieferungen in formeller Weise festsetzte,
sondern besonders durch Herauslösen des Geistlichen aus der Gemeinde
die Selbstbestimmung der letztern allmählich zurückdrängte und sich nicht
bloß in Bezug auf Kirchenzucht, sondern auch in Punkten kirchlichen
und wissenschaftlichen Zweifels allmählich immer entschiedener einen
Ausschlag gebenden Einfluß beizulegen wußte.

Welcher Art aber diese Einwirkungen auf die Anschauungen der
belebten Natur sein mußten, davon gibt der Umstand ein sprechendes

Periode des Stillſtandes bis zum zwölften Jahrhundert.
nahme der chriſtlichen Gemeinden unter verſchiedenen Völkern brachte
die neue Lehre der Gefahr nahe, durch Aufnahme zahlreicher mehr oder
weniger tief eingreifender Verſchiedenheiten in Glaubensſachen und im
Ritual in ebenſoviele einzelne Kirchen geſpalten zu werden. Es hatten
ja ohnedies die vom Polytheismus zum Chriſtenthum Uebergetretenen
einen ſehr natürlichen Hang, die neue Religion wenigſtens der äußern
Glaubensform nach der alten anzuſchließen. Dies konnte aber leicht
auseinander führen. Und wenn auch ſchon ſeit der Zeit der Alexandri-
ner Clemens und Origenes die gnoſtiſchen Lehren mit ihren an polythei-
ſtiſche Ideen ſtreifenden Anſichten trotz ihres befruchtenden Einfluſſes
auf die geiſtige Weiterbildung des Chriſtenthums äußerlich zurückge-
drängt worden waren, ſo blieben doch in der Trinitätslehre, dem Ma-
rien- und Heiligen-Cultus Momente übrig, welche den Tauſch des
götterbelebten Olymps gegen den von einem Gott durchwehten Himmel
nach Umſtänden mehr oder weniger erleichterten. Je weiter nun aber
der Spielraum war, welchen die von verſchiedenen Punkten ausgehen-
den Traditionen darboten, je mehr die ungleiche Befähigung der Be-
kehrten eine Theilnahme aller Gemeindemitglieder an der äußeren Ver-
waltung und dem innern Weiterbau des kirchlichen Lebens unmöglich
machte, deſto mehr Grund gewannen die Beſtrebungen, feſte Glau-
bensſätze aufzuſtellen, nach deren Anerkennung anders Denkende als
Ketzer aus der Gemeinſchaft der Gläubigen ausgeſchloſſen wurden.
Dies ſuchten zunächſt die ſchon ſeit der apoſtoliſchen Zeit her in Ge-
brauch gekommenen allgemeinen Kirchenverſammlungen zu beſtimmen.
Eine weitere Kraft erhielten aber dieſe Verſuche mit der Ausbildung
des Epiſkopats, welches unter Annahme einer directen apoſtoliſchen
Nachfolge nicht bloß die Ueberlieferungen in formeller Weiſe feſtſetzte,
ſondern beſonders durch Herauslöſen des Geiſtlichen aus der Gemeinde
die Selbſtbeſtimmung der letztern allmählich zurückdrängte und ſich nicht
bloß in Bezug auf Kirchenzucht, ſondern auch in Punkten kirchlichen
und wiſſenſchaftlichen Zweifels allmählich immer entſchiedener einen
Ausſchlag gebenden Einfluß beizulegen wußte.

Welcher Art aber dieſe Einwirkungen auf die Anſchauungen der
belebten Natur ſein mußten, davon gibt der Umſtand ein ſprechendes

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[103/0114] Periode des Stillſtandes bis zum zwölften Jahrhundert. nahme der chriſtlichen Gemeinden unter verſchiedenen Völkern brachte die neue Lehre der Gefahr nahe, durch Aufnahme zahlreicher mehr oder weniger tief eingreifender Verſchiedenheiten in Glaubensſachen und im Ritual in ebenſoviele einzelne Kirchen geſpalten zu werden. Es hatten ja ohnedies die vom Polytheismus zum Chriſtenthum Uebergetretenen einen ſehr natürlichen Hang, die neue Religion wenigſtens der äußern Glaubensform nach der alten anzuſchließen. Dies konnte aber leicht auseinander führen. Und wenn auch ſchon ſeit der Zeit der Alexandri- ner Clemens und Origenes die gnoſtiſchen Lehren mit ihren an polythei- ſtiſche Ideen ſtreifenden Anſichten trotz ihres befruchtenden Einfluſſes auf die geiſtige Weiterbildung des Chriſtenthums äußerlich zurückge- drängt worden waren, ſo blieben doch in der Trinitätslehre, dem Ma- rien- und Heiligen-Cultus Momente übrig, welche den Tauſch des götterbelebten Olymps gegen den von einem Gott durchwehten Himmel nach Umſtänden mehr oder weniger erleichterten. Je weiter nun aber der Spielraum war, welchen die von verſchiedenen Punkten ausgehen- den Traditionen darboten, je mehr die ungleiche Befähigung der Be- kehrten eine Theilnahme aller Gemeindemitglieder an der äußeren Ver- waltung und dem innern Weiterbau des kirchlichen Lebens unmöglich machte, deſto mehr Grund gewannen die Beſtrebungen, feſte Glau- bensſätze aufzuſtellen, nach deren Anerkennung anders Denkende als Ketzer aus der Gemeinſchaft der Gläubigen ausgeſchloſſen wurden. Dies ſuchten zunächſt die ſchon ſeit der apoſtoliſchen Zeit her in Ge- brauch gekommenen allgemeinen Kirchenverſammlungen zu beſtimmen. Eine weitere Kraft erhielten aber dieſe Verſuche mit der Ausbildung des Epiſkopats, welches unter Annahme einer directen apoſtoliſchen Nachfolge nicht bloß die Ueberlieferungen in formeller Weiſe feſtſetzte, ſondern beſonders durch Herauslöſen des Geiſtlichen aus der Gemeinde die Selbſtbeſtimmung der letztern allmählich zurückdrängte und ſich nicht bloß in Bezug auf Kirchenzucht, ſondern auch in Punkten kirchlichen und wiſſenſchaftlichen Zweifels allmählich immer entſchiedener einen Ausſchlag gebenden Einfluß beizulegen wußte. Welcher Art aber dieſe Einwirkungen auf die Anſchauungen der belebten Natur ſein mußten, davon gibt der Umſtand ein ſprechendes

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/114>, abgerufen am 21.11.2024.