Ein kurzer metrischer Auszug, in welchem nur zwölf Thiere be- handelt werden, ist der lateinische Physiologus eines gewissen Theo- bald. Wer dieser Theobald gewesen sei, ist nicht sicher ermittelt. Häu- fig heißt er Bischof und wird, wie Pitra anführt, in Handschriften bald als Senensis bald als Placentinus bezeichnet. Sein Physiologus ist in Handschriften vielfach verbreitet. In Folge des Umstandes, daß er sich in einer Handschrift aus dem dreizehnten Jahrhundert unter den Schriften des Hildebertus Cenomanensis vorfand, schrieb ihn dessen Herausgeber Beaugendre dem letztern zu und ließ ihn, wie er fälsch- lich glaubte zum erstenmale, in dessen Werken (S. 173) mit ab- drucken18). Man findet ihn indessen schon in Handschriften aus dem elften Jahrhundert (British Museum), während Hildebert der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts angehört. Es ist daher auch eine historische Unmöglichkeit, daß Theobald Erzbischof von Paris gewesen sei, wie Heider ihn nennt, da Paris zu jener Zeit nur Bisthum war und Erzbisthum erst 1622 wurde. Dieser Theobald kann auch über- haupt kein Pariser Bischof gewesen sein, da der einzige Bischof dieses Namens von 1143-1159 regierte. Thierfelder's Wink verdient daher alle Beachtung, daß der Verfasser des Physiologus wohl der- jenige Theobald gewesen sein könne, welcher 1022-1035 Abt in Monte Cassino war. Von diesem findet sich dort noch eine Handschrift aus dem elften Jahrhundert, welche außer mehreren medicinischen Ab- handlungen auch eine naturwissenschaftliche de quadrupedibus et al- tilibus in Versen enthält19). Die Bestätigung dieser Vermuthung würde freilich nur durch eine Vergleichung dieser Handschrift zu erhal- ten sein. Eine ziemlich genau dem Original sich anschließende Ueber- setzung dieses Theobaldschen Physiologus in's Altenglische ist nach einem Manuscript aus dem Anfang des dreizehnten Jahrhunderts in
18) Bereits Lessing (Werke herausgeg. von Lachmann. Bd. 11. S.309) hat darauf aufmerksam gemacht, daß der bei Hildebert abgedruckte Physiologus nicht von diesem herrühre, ingleichen, daß er schon früher gedruckt worden sei. Ueber die Ausgaben des Theobald s. Choulant, Handbuch der Bücherkunde für die ältere Medicin. Leipzig, 1841. S.310.
19) s. Salv. de Renzi, Cellectio Salernit. Tom. I. Napoli, 1852, p. 39. Auch Pitra verweist ihn in die Zeit des Constantinus Africanus a. a. D. p. LXXI.
Die Zoologie des Mittelalters.
Ein kurzer metriſcher Auszug, in welchem nur zwölf Thiere be- handelt werden, iſt der lateiniſche Phyſiologus eines gewiſſen Theo- bald. Wer dieſer Theobald geweſen ſei, iſt nicht ſicher ermittelt. Häu- fig heißt er Biſchof und wird, wie Pitra anführt, in Handſchriften bald als Senensis bald als Placentinus bezeichnet. Sein Phyſiologus iſt in Handſchriften vielfach verbreitet. In Folge des Umſtandes, daß er ſich in einer Handſchrift aus dem dreizehnten Jahrhundert unter den Schriften des Hildebertus Cenomanenſis vorfand, ſchrieb ihn deſſen Herausgeber Beaugendre dem letztern zu und ließ ihn, wie er fälſch- lich glaubte zum erſtenmale, in deſſen Werken (S. 173) mit ab- drucken18). Man findet ihn indeſſen ſchon in Handſchriften aus dem elften Jahrhundert (Britiſh Muſeum), während Hildebert der erſten Hälfte des zwölften Jahrhunderts angehört. Es iſt daher auch eine hiſtoriſche Unmöglichkeit, daß Theobald Erzbiſchof von Paris geweſen ſei, wie Heider ihn nennt, da Paris zu jener Zeit nur Bisthum war und Erzbisthum erſt 1622 wurde. Dieſer Theobald kann auch über- haupt kein Pariſer Biſchof geweſen ſein, da der einzige Biſchof dieſes Namens von 1143-1159 regierte. Thierfelder's Wink verdient daher alle Beachtung, daß der Verfaſſer des Phyſiologus wohl der- jenige Theobald geweſen ſein könne, welcher 1022-1035 Abt in Monte Caſſino war. Von dieſem findet ſich dort noch eine Handſchrift aus dem elften Jahrhundert, welche außer mehreren mediciniſchen Ab- handlungen auch eine naturwiſſenſchaftliche de quadrupedibus et al- tilibus in Verſen enthält19). Die Beſtätigung dieſer Vermuthung würde freilich nur durch eine Vergleichung dieſer Handſchrift zu erhal- ten ſein. Eine ziemlich genau dem Original ſich anſchließende Ueber- ſetzung dieſes Theobaldſchen Phyſiologus in's Altengliſche iſt nach einem Manuſcript aus dem Anfang des dreizehnten Jahrhunderts in
18) Bereits Leſſing (Werke herausgeg. von Lachmann. Bd. 11. S.309) hat darauf aufmerkſam gemacht, daß der bei Hildebert abgedruckte Phyſiologus nicht von dieſem herrühre, ingleichen, daß er ſchon früher gedruckt worden ſei. Ueber die Ausgaben des Theobald ſ. Choulant, Handbuch der Bücherkunde für die ältere Medicin. Leipzig, 1841. S.310.
19) ſ. Salv. de Renzi, Cellectio Salernit. Tom. I. Napoli, 1852, p. 39. Auch Pitra verweiſt ihn in die Zeit des Conſtantinus Africanus a. a. D. p. LXXI.
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Die Zoologie des Mittelalters.
Ein kurzer metriſcher Auszug, in welchem nur zwölf Thiere be-
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bald. Wer dieſer Theobald geweſen ſei, iſt nicht ſicher ermittelt. Häu-
fig heißt er Biſchof und wird, wie Pitra anführt, in Handſchriften
bald als Senensis bald als Placentinus bezeichnet. Sein Phyſiologus
iſt in Handſchriften vielfach verbreitet. In Folge des Umſtandes, daß
er ſich in einer Handſchrift aus dem dreizehnten Jahrhundert unter den
Schriften des Hildebertus Cenomanenſis vorfand, ſchrieb ihn deſſen
Herausgeber Beaugendre dem letztern zu und ließ ihn, wie er fälſch-
lich glaubte zum erſtenmale, in deſſen Werken (S. 173) mit ab-
drucken 18). Man findet ihn indeſſen ſchon in Handſchriften aus dem
elften Jahrhundert (Britiſh Muſeum), während Hildebert der erſten
Hälfte des zwölften Jahrhunderts angehört. Es iſt daher auch eine
hiſtoriſche Unmöglichkeit, daß Theobald Erzbiſchof von Paris geweſen
ſei, wie Heider ihn nennt, da Paris zu jener Zeit nur Bisthum war
und Erzbisthum erſt 1622 wurde. Dieſer Theobald kann auch über-
haupt kein Pariſer Biſchof geweſen ſein, da der einzige Biſchof dieſes
Namens von 1143-1159 regierte. Thierfelder's Wink verdient
daher alle Beachtung, daß der Verfaſſer des Phyſiologus wohl der-
jenige Theobald geweſen ſein könne, welcher 1022-1035 Abt in
Monte Caſſino war. Von dieſem findet ſich dort noch eine Handſchrift
aus dem elften Jahrhundert, welche außer mehreren mediciniſchen Ab-
handlungen auch eine naturwiſſenſchaftliche de quadrupedibus et al-
tilibus in Verſen enthält 19). Die Beſtätigung dieſer Vermuthung
würde freilich nur durch eine Vergleichung dieſer Handſchrift zu erhal-
ten ſein. Eine ziemlich genau dem Original ſich anſchließende Ueber-
ſetzung dieſes Theobaldſchen Phyſiologus in's Altengliſche iſt nach
einem Manuſcript aus dem Anfang des dreizehnten Jahrhunderts in
18) Bereits Leſſing (Werke herausgeg. von Lachmann. Bd. 11. S.309)
hat darauf aufmerkſam gemacht, daß der bei Hildebert abgedruckte Phyſiologus
nicht von dieſem herrühre, ingleichen, daß er ſchon früher gedruckt worden ſei. Ueber
die Ausgaben des Theobald ſ. Choulant, Handbuch der Bücherkunde für die
ältere Medicin. Leipzig, 1841. S.310.
19) ſ. Salv. de Renzi, Cellectio Salernit. Tom. I. Napoli, 1852, p. 39.
Auch Pitra verweiſt ihn in die Zeit des Conſtantinus Africanus a. a. D. p. LXXI.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/125>, abgerufen am 21.11.2024.
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