Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Die Zoologie des Mittelalters. etwa gekannt und benutzt hat. Wie es nur gar zu häufig geschieht, hatman auch hier das Meiste, was in jener Zeit an Aeußerungen regen wissenschaftlichen Lebens erschien, dem Einflusse oder geradezu der Mit- wirkung des bekannter gewordenen und allerdings in jeder Hinsicht un- gleich bedeutenderen und nachhaltiger wirksamen Albert des Großen zu- schreiben zu müssen geglaubt. So sollte auch Thomas wesentlich aus Albert's Schriften geschöpft haben. Dem widerspricht aber nicht bloß die Abfassungszeit der Schriften Beider, welche die Frage jedenfalls am sichersten entscheidet, sondern auch der Umstand, daß Thomas bei der gewissenhaften Aufzählung der Quellen den Albert gar nicht er- wähnt. Thomas verfaßte seine Schrift zwischen 1233 und 1248. Lassen sich nun für Albert's Schriften keine so sichern Jahreszahlen angeben, so wird es sich doch zeigen, daß er die Zoologie kaum vor 1249 geschrieben haben kann. Daß Thomas den Albert nicht erwähnt, für den er doch, wie aus der Bienenschrift hervorgeht, eine große Ver- ehrung hegte, hat schon Bormans hervorgehoben; es wäre aller- dings wunderbar, wenn er bei einem Werke, welches völlig gleiches Material behandelte, des Lehrers nicht hätte gedenken sollen, wenn der- selbe wirklich schon eine Schrift desselben Inhalts veröffentlicht hätte. Nun citirt Thomas allerdings beim Wolfe einen Albertus. Dies ist das einzige Mal, daß dieser Name überhaupt vorkommt. In den Thier- büchern findet sich die angeführte Stelle nicht beim Albertus. Ist es Albert der Große, woran zu zweifeln kein besonderer Grund vorliegt, so muß man sich erinnern, daß Thomas schon vor 1245 in Cöln Zu- hörer des Albert gewesen ist. Es würde sich dies also vermuthlich auf eine mündliche Mittheilung beziehen lassen. Thomas hat sicher die Schriften des Albert nicht benutzt. Umgekehrt ist es mehr als wahr- scheinlich, daß Albert von Thomas' Werk einen ausgedehnten Gebrauch gemacht hat, wie Bormans zuerst erwähnt hat207); davon wird später die Rede sein. Wie sehr des Thomas Schrift verbreitet und gelesen war, dafür 207) Bormans, a. a. O.
Die Zoologie des Mittelalters. etwa gekannt und benutzt hat. Wie es nur gar zu häufig geſchieht, hatman auch hier das Meiſte, was in jener Zeit an Aeußerungen regen wiſſenſchaftlichen Lebens erſchien, dem Einfluſſe oder geradezu der Mit- wirkung des bekannter gewordenen und allerdings in jeder Hinſicht un- gleich bedeutenderen und nachhaltiger wirkſamen Albert des Großen zu- ſchreiben zu müſſen geglaubt. So ſollte auch Thomas weſentlich aus Albert's Schriften geſchöpft haben. Dem widerſpricht aber nicht bloß die Abfaſſungszeit der Schriften Beider, welche die Frage jedenfalls am ſicherſten entſcheidet, ſondern auch der Umſtand, daß Thomas bei der gewiſſenhaften Aufzählung der Quellen den Albert gar nicht er- wähnt. Thomas verfaßte ſeine Schrift zwiſchen 1233 und 1248. Laſſen ſich nun für Albert's Schriften keine ſo ſichern Jahreszahlen angeben, ſo wird es ſich doch zeigen, daß er die Zoologie kaum vor 1249 geſchrieben haben kann. Daß Thomas den Albert nicht erwähnt, für den er doch, wie aus der Bienenſchrift hervorgeht, eine große Ver- ehrung hegte, hat ſchon Bormans hervorgehoben; es wäre aller- dings wunderbar, wenn er bei einem Werke, welches völlig gleiches Material behandelte, des Lehrers nicht hätte gedenken ſollen, wenn der- ſelbe wirklich ſchon eine Schrift deſſelben Inhalts veröffentlicht hätte. Nun citirt Thomas allerdings beim Wolfe einen Albertus. Dies iſt das einzige Mal, daß dieſer Name überhaupt vorkommt. In den Thier- büchern findet ſich die angeführte Stelle nicht beim Albertus. Iſt es Albert der Große, woran zu zweifeln kein beſonderer Grund vorliegt, ſo muß man ſich erinnern, daß Thomas ſchon vor 1245 in Cöln Zu- hörer des Albert geweſen iſt. Es würde ſich dies alſo vermuthlich auf eine mündliche Mittheilung beziehen laſſen. Thomas hat ſicher die Schriften des Albert nicht benutzt. Umgekehrt iſt es mehr als wahr- ſcheinlich, daß Albert von Thomas' Werk einen ausgedehnten Gebrauch gemacht hat, wie Bormans zuerſt erwähnt hat207); davon wird ſpäter die Rede ſein. Wie ſehr des Thomas Schrift verbreitet und geleſen war, dafür 207) Bormans, a. a. O.
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Die Zoologie des Mittelalters.
etwa gekannt und benutzt hat. Wie es nur gar zu häufig geſchieht, hat
man auch hier das Meiſte, was in jener Zeit an Aeußerungen regen
wiſſenſchaftlichen Lebens erſchien, dem Einfluſſe oder geradezu der Mit-
wirkung des bekannter gewordenen und allerdings in jeder Hinſicht un-
gleich bedeutenderen und nachhaltiger wirkſamen Albert des Großen zu-
ſchreiben zu müſſen geglaubt. So ſollte auch Thomas weſentlich aus
Albert's Schriften geſchöpft haben. Dem widerſpricht aber nicht bloß
die Abfaſſungszeit der Schriften Beider, welche die Frage jedenfalls
am ſicherſten entſcheidet, ſondern auch der Umſtand, daß Thomas bei
der gewiſſenhaften Aufzählung der Quellen den Albert gar nicht er-
wähnt. Thomas verfaßte ſeine Schrift zwiſchen 1233 und 1248.
Laſſen ſich nun für Albert's Schriften keine ſo ſichern Jahreszahlen
angeben, ſo wird es ſich doch zeigen, daß er die Zoologie kaum vor
1249 geſchrieben haben kann. Daß Thomas den Albert nicht erwähnt,
für den er doch, wie aus der Bienenſchrift hervorgeht, eine große Ver-
ehrung hegte, hat ſchon Bormans hervorgehoben; es wäre aller-
dings wunderbar, wenn er bei einem Werke, welches völlig gleiches
Material behandelte, des Lehrers nicht hätte gedenken ſollen, wenn der-
ſelbe wirklich ſchon eine Schrift deſſelben Inhalts veröffentlicht hätte.
Nun citirt Thomas allerdings beim Wolfe einen Albertus. Dies iſt
das einzige Mal, daß dieſer Name überhaupt vorkommt. In den Thier-
büchern findet ſich die angeführte Stelle nicht beim Albertus. Iſt es
Albert der Große, woran zu zweifeln kein beſonderer Grund vorliegt,
ſo muß man ſich erinnern, daß Thomas ſchon vor 1245 in Cöln Zu-
hörer des Albert geweſen iſt. Es würde ſich dies alſo vermuthlich auf
eine mündliche Mittheilung beziehen laſſen. Thomas hat ſicher die
Schriften des Albert nicht benutzt. Umgekehrt iſt es mehr als wahr-
ſcheinlich, daß Albert von Thomas' Werk einen ausgedehnten Gebrauch
gemacht hat, wie Bormans zuerſt erwähnt hat 207); davon wird
ſpäter die Rede ſein.
Wie ſehr des Thomas Schrift verbreitet und geleſen war, dafür
ſprechen nicht bloß die in ziemlich beträchtlicher Zahl vorhandenen Hand-
207) Bormans, a. a. O.
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