Der Verfasser des dritten Hauptwerkes, welches im Ganzen zwar außerordentlich umfangreich, aber doch kaum viel größer als das Ge- sammtwerk Albert des Großen ist und besonders in den den Thieren gewidmeten Abschnitten wesentlich von letzterem abweicht, ist Vin- cenz, welcher dem alten Herkommen gemäß gewöhnlich als Bello- vacensis bezeichnet wird. Man weiß weder wo oder wann er gebo- ren, noch wann er gestorben ist. Meist wird das Jahr 1264 als das seines Todes betrachtet. Er war Dominikaner im Ordenshause zu Beauvais, aber weder Bischof noch Prior seines Klosters230). Im Auftrage Ludwig's IX sowie seiner Oberen unternahm er es, in einem umfassenden Werke das Wissen der damaligen Zeit encyklopädisch darzu- stellen. Dies hat er insofern in einer wahrhaft bewundernswerthen Weise vollbracht, als er aus einer so reichen Excerptensammlung, wie sie viel- leicht niemals wieder planmäßig angelegt worden ist, welche er aber nicht allein, sondern mit zahlreichen Helfern veranstaltet hat, einen Ueber- blick von dem Stande der Kenntnisse über alles nur irgend Wißbare zu seiner Zeit geschaffen hat. War bei Thomas von Cantimpre das erste Durchbrechen der aristotelischen Zoologie und deren Verwendung zur Erklärung von Einzelheiten, bei Albert dem Großen eine planvolle sy- stematische Durcharbeitung der ganzen aristotelischen Naturphilosophie das Verdienstliche, so ist bei Vincenz der Sammlerfleiß und die Geduld des mühsamen Ordnens zu bewundern.
Sein Naturspiegel, welcher hier allein in Betracht kommen kann, ist mit Einschluß der Einleitung in dreiunddreißig Bücher getheilt, von denen das 17.-23. den fünften Schöpfungstag, also die Thiere, das 24.-29. den Menschen und die Seele behandeln. Die Zeit der Ab-
230) vergl. über das Leben und das Werk Vincenz': Hist. litter. de la France (par les Benedictins de S. Maur). T. XVIII. 1835. p. 449-519 (von Daunou). Aloys Vogel, Literär-historische Notizen über den mittelalterlichen Gelehrten Vincenz von Beauvais. Programm. Freiburg i. Br. 1843. Auch ist auf Schlosser, Vincenz von Beauvais, Hand- und Lehrbuch für königliche Prin- zen. Frankfurt a. M. 1819 zu verweisen.
Der Verfaſſer des dritten Hauptwerkes, welches im Ganzen zwar außerordentlich umfangreich, aber doch kaum viel größer als das Ge- ſammtwerk Albert des Großen iſt und beſonders in den den Thieren gewidmeten Abſchnitten weſentlich von letzterem abweicht, iſt Vin- cenz, welcher dem alten Herkommen gemäß gewöhnlich als Bello- vacenſis bezeichnet wird. Man weiß weder wo oder wann er gebo- ren, noch wann er geſtorben iſt. Meiſt wird das Jahr 1264 als das ſeines Todes betrachtet. Er war Dominikaner im Ordenshauſe zu Beauvais, aber weder Biſchof noch Prior ſeines Kloſters230). Im Auftrage Ludwig's IX ſowie ſeiner Oberen unternahm er es, in einem umfaſſenden Werke das Wiſſen der damaligen Zeit encyklopädiſch darzu- ſtellen. Dies hat er inſofern in einer wahrhaft bewundernswerthen Weiſe vollbracht, als er aus einer ſo reichen Excerptenſammlung, wie ſie viel- leicht niemals wieder planmäßig angelegt worden iſt, welche er aber nicht allein, ſondern mit zahlreichen Helfern veranſtaltet hat, einen Ueber- blick von dem Stande der Kenntniſſe über alles nur irgend Wißbare zu ſeiner Zeit geſchaffen hat. War bei Thomas von Cantimpré das erſte Durchbrechen der ariſtoteliſchen Zoologie und deren Verwendung zur Erklärung von Einzelheiten, bei Albert dem Großen eine planvolle ſy- ſtematiſche Durcharbeitung der ganzen ariſtoteliſchen Naturphiloſophie das Verdienſtliche, ſo iſt bei Vincenz der Sammlerfleiß und die Geduld des mühſamen Ordnens zu bewundern.
Sein Naturſpiegel, welcher hier allein in Betracht kommen kann, iſt mit Einſchluß der Einleitung in dreiunddreißig Bücher getheilt, von denen das 17.-23. den fünften Schöpfungstag, alſo die Thiere, das 24.-29. den Menſchen und die Seele behandeln. Die Zeit der Ab-
230) vergl. über das Leben und das Werk Vincenz': Hist. littér. de la France (par les Bénédictins de S. Maur). T. XVIII. 1835. p. 449-519 (von Daunou). Aloys Vogel, Literär-hiſtoriſche Notizen über den mittelalterlichen Gelehrten Vincenz von Beauvais. Programm. Freiburg i. Br. 1843. Auch iſt auf Schloſſer, Vincenz von Beauvais, Hand- und Lehrbuch für königliche Prin- zen. Frankfurt a. M. 1819 zu verweiſen.
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Die Zoologie des Mittelalters.
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ſammtwerk Albert des Großen iſt und beſonders in den den Thieren
gewidmeten Abſchnitten weſentlich von letzterem abweicht, iſt Vin-
cenz, welcher dem alten Herkommen gemäß gewöhnlich als Bello-
vacenſis bezeichnet wird. Man weiß weder wo oder wann er gebo-
ren, noch wann er geſtorben iſt. Meiſt wird das Jahr 1264 als das
ſeines Todes betrachtet. Er war Dominikaner im Ordenshauſe zu
Beauvais, aber weder Biſchof noch Prior ſeines Kloſters 230). Im
Auftrage Ludwig's IX ſowie ſeiner Oberen unternahm er es, in einem
umfaſſenden Werke das Wiſſen der damaligen Zeit encyklopädiſch darzu-
ſtellen. Dies hat er inſofern in einer wahrhaft bewundernswerthen Weiſe
vollbracht, als er aus einer ſo reichen Excerptenſammlung, wie ſie viel-
leicht niemals wieder planmäßig angelegt worden iſt, welche er aber nicht
allein, ſondern mit zahlreichen Helfern veranſtaltet hat, einen Ueber-
blick von dem Stande der Kenntniſſe über alles nur irgend Wißbare zu
ſeiner Zeit geſchaffen hat. War bei Thomas von Cantimpré das erſte
Durchbrechen der ariſtoteliſchen Zoologie und deren Verwendung zur
Erklärung von Einzelheiten, bei Albert dem Großen eine planvolle ſy-
ſtematiſche Durcharbeitung der ganzen ariſtoteliſchen Naturphiloſophie
das Verdienſtliche, ſo iſt bei Vincenz der Sammlerfleiß und die Geduld
des mühſamen Ordnens zu bewundern.
Sein Naturſpiegel, welcher hier allein in Betracht kommen kann,
iſt mit Einſchluß der Einleitung in dreiunddreißig Bücher getheilt, von
denen das 17.-23. den fünften Schöpfungstag, alſo die Thiere, das
24.-29. den Menſchen und die Seele behandeln. Die Zeit der Ab-
230) vergl. über das Leben und das Werk Vincenz': Hist. littér. de la
France (par les Bénédictins de S. Maur). T. XVIII. 1835. p. 449-519 (von
Daunou). Aloys Vogel, Literär-hiſtoriſche Notizen über den mittelalterlichen
Gelehrten Vincenz von Beauvais. Programm. Freiburg i. Br. 1843. Auch iſt
auf Schloſſer, Vincenz von Beauvais, Hand- und Lehrbuch für königliche Prin-
zen. Frankfurt a. M. 1819 zu verweiſen.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/249>, abgerufen am 22.11.2024.
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