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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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nun von den gelehrten Zuthaten ab, welche auch hier die einzelnen Ab-
schnitte außerordentlich anschwellen, so läßt sich zwar nicht leugnen, daß
eine große Menge naturhistorischer Notizen in Aldrovandi's Werke ent-
halten ist; doch fehlt ihm eine entsprechend ausgedehnte selbständige Er-
fahrung. Allgemein genommen ist Gesner kritischer und mehr im
Stande, an das von Andern Ueberlieferte den Maßstab der eigenen
Beobachtung zu legen. Bei Aldrovandi wiegt die Compilation vor.
Entschieden reicher ist daher des Letzteren Werk nur in Bezug auf Thier-
formen, welche zu Gesner's Zeit noch nicht bekannt waren. Es sind
dies besonders mehrere indische, afrikanische und amerikanische Thiere.
Wenn aber auch Nashornvögel, Pfefferfresser, der indische Casuar,
Paradiesvögel (die Manucodiaten) hier erscheinen, wenn das Zebra,
die Tridacna und andere Formen abgebildet und beschrieben werden, so
ist der directe Gewinn aus der Kenntniß solcher neuen Arten nicht so
hoch anzuschlagen, so lange nicht ihre Beziehungen zu bereits bekannten
eingehender untersucht werden oder sobald sie nicht neuen, den bisheri-
gen Anschauungen völlig fremden Ordnungen angehören. Beides war
hier nicht der Fall. Ihr Auftritt hat weder die etwa so zu nennenden
systematischen Auffassungen, noch geographisch-zoologische Gesichtspunkte
beeinflußt.

Die Anordnung der zuerst von Aldrovandi bearbeiteten Vögel ent-
hält kaum einen wesentlichen Fortschritt gegen Wotton und Belon,
dessen Specialwerk später erwähnt werden wird. Zum Theil wird der
Aufenthaltsort, zum Theil die Nahrung und auch die Form des Schna-
bels bei der Gruppenbildung berücksichtigt. Die Adler eröffnen die
Reihe; die Geier (aber nicht im heutigen Sinne), Habichte (unter denen
auch die Würger und der Kuckuck erscheinen), Falken und Nachtraub-
vögel folgen (letztere mit dem Ziegenmelker; auch das Käuzchen, ulala,
soll nach der eigenen Beobachtung Aldrovandi's Ziegen saugen). Cha-
rakteristisch für die oberflächliche Auffassung der aristotelischen Gruppen
ist, daß Aldrovandi die Fledermaus und den Strauß in eine Abtheilung
vereinigt und als Vögel mittlerer Natur bezeichnet. Schon Wotton
hatte die Fledermaus den Säugethieren eingereiht. An diese Ueber-
gangsgruppe schließen sich fabelhafte Vögel an, Greife, Harpyien u. s. f.

nun von den gelehrten Zuthaten ab, welche auch hier die einzelnen Ab-
ſchnitte außerordentlich anſchwellen, ſo läßt ſich zwar nicht leugnen, daß
eine große Menge naturhiſtoriſcher Notizen in Aldrovandi's Werke ent-
halten iſt; doch fehlt ihm eine entſprechend ausgedehnte ſelbſtändige Er-
fahrung. Allgemein genommen iſt Gesner kritiſcher und mehr im
Stande, an das von Andern Ueberlieferte den Maßſtab der eigenen
Beobachtung zu legen. Bei Aldrovandi wiegt die Compilation vor.
Entſchieden reicher iſt daher des Letzteren Werk nur in Bezug auf Thier-
formen, welche zu Gesner's Zeit noch nicht bekannt waren. Es ſind
dies beſonders mehrere indiſche, afrikaniſche und amerikaniſche Thiere.
Wenn aber auch Nashornvögel, Pfefferfreſſer, der indiſche Caſuar,
Paradiesvögel (die Manucodiaten) hier erſcheinen, wenn das Zebra,
die Tridacna und andere Formen abgebildet und beſchrieben werden, ſo
iſt der directe Gewinn aus der Kenntniß ſolcher neuen Arten nicht ſo
hoch anzuſchlagen, ſo lange nicht ihre Beziehungen zu bereits bekannten
eingehender unterſucht werden oder ſobald ſie nicht neuen, den bisheri-
gen Anſchauungen völlig fremden Ordnungen angehören. Beides war
hier nicht der Fall. Ihr Auftritt hat weder die etwa ſo zu nennenden
ſyſtematiſchen Auffaſſungen, noch geographiſch-zoologiſche Geſichtspunkte
beeinflußt.

Die Anordnung der zuerſt von Aldrovandi bearbeiteten Vögel ent-
hält kaum einen weſentlichen Fortſchritt gegen Wotton und Belon,
deſſen Specialwerk ſpäter erwähnt werden wird. Zum Theil wird der
Aufenthaltsort, zum Theil die Nahrung und auch die Form des Schna-
bels bei der Gruppenbildung berückſichtigt. Die Adler eröffnen die
Reihe; die Geier (aber nicht im heutigen Sinne), Habichte (unter denen
auch die Würger und der Kuckuck erſcheinen), Falken und Nachtraub-
vögel folgen (letztere mit dem Ziegenmelker; auch das Käuzchen, ulala,
ſoll nach der eigenen Beobachtung Aldrovandi's Ziegen ſaugen). Cha-
rakteriſtiſch für die oberflächliche Auffaſſung der ariſtoteliſchen Gruppen
iſt, daß Aldrovandi die Fledermaus und den Strauß in eine Abtheilung
vereinigt und als Vögel mittlerer Natur bezeichnet. Schon Wotton
hatte die Fledermaus den Säugethieren eingereiht. An dieſe Ueber-
gangsgruppe ſchließen ſich fabelhafte Vögel an, Greife, Harpyien u. ſ. f.

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[293/0304] Uliſſes Aldrovandi. nun von den gelehrten Zuthaten ab, welche auch hier die einzelnen Ab- ſchnitte außerordentlich anſchwellen, ſo läßt ſich zwar nicht leugnen, daß eine große Menge naturhiſtoriſcher Notizen in Aldrovandi's Werke ent- halten iſt; doch fehlt ihm eine entſprechend ausgedehnte ſelbſtändige Er- fahrung. Allgemein genommen iſt Gesner kritiſcher und mehr im Stande, an das von Andern Ueberlieferte den Maßſtab der eigenen Beobachtung zu legen. Bei Aldrovandi wiegt die Compilation vor. Entſchieden reicher iſt daher des Letzteren Werk nur in Bezug auf Thier- formen, welche zu Gesner's Zeit noch nicht bekannt waren. Es ſind dies beſonders mehrere indiſche, afrikaniſche und amerikaniſche Thiere. Wenn aber auch Nashornvögel, Pfefferfreſſer, der indiſche Caſuar, Paradiesvögel (die Manucodiaten) hier erſcheinen, wenn das Zebra, die Tridacna und andere Formen abgebildet und beſchrieben werden, ſo iſt der directe Gewinn aus der Kenntniß ſolcher neuen Arten nicht ſo hoch anzuſchlagen, ſo lange nicht ihre Beziehungen zu bereits bekannten eingehender unterſucht werden oder ſobald ſie nicht neuen, den bisheri- gen Anſchauungen völlig fremden Ordnungen angehören. Beides war hier nicht der Fall. Ihr Auftritt hat weder die etwa ſo zu nennenden ſyſtematiſchen Auffaſſungen, noch geographiſch-zoologiſche Geſichtspunkte beeinflußt. Die Anordnung der zuerſt von Aldrovandi bearbeiteten Vögel ent- hält kaum einen weſentlichen Fortſchritt gegen Wotton und Belon, deſſen Specialwerk ſpäter erwähnt werden wird. Zum Theil wird der Aufenthaltsort, zum Theil die Nahrung und auch die Form des Schna- bels bei der Gruppenbildung berückſichtigt. Die Adler eröffnen die Reihe; die Geier (aber nicht im heutigen Sinne), Habichte (unter denen auch die Würger und der Kuckuck erſcheinen), Falken und Nachtraub- vögel folgen (letztere mit dem Ziegenmelker; auch das Käuzchen, ulala, ſoll nach der eigenen Beobachtung Aldrovandi's Ziegen ſaugen). Cha- rakteriſtiſch für die oberflächliche Auffaſſung der ariſtoteliſchen Gruppen iſt, daß Aldrovandi die Fledermaus und den Strauß in eine Abtheilung vereinigt und als Vögel mittlerer Natur bezeichnet. Schon Wotton hatte die Fledermaus den Säugethieren eingereiht. An dieſe Ueber- gangsgruppe ſchließen ſich fabelhafte Vögel an, Greife, Harpyien u. ſ. f.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/304>, abgerufen am 22.11.2024.