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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Erweiterung der speciellen Thierkenntniß.
zoologischen Kenntnisse wohl nicht so weit, daß er zu Marcgrav's Be-
schreibungen überall die zweifellos richtigen Figuren hätte bezeichnen
können. Hierdurch und vielleicht auch durch unachtsame Umstellungen
während des Druckes kamen viele Unrichtigkeiten in die erste Ausgabe,
welche auch Piso trotz der bedeutenden Kürzungen des Marcgrav'schen
Theiles nicht völlig beseitigt hat. Dankbar ist es daher zu rühmen, daß
früher schon zum Theile von J. G. Schneider Saxo, später in sehr
eingehender Weise von H. Lichtenstein unter Zugrundelegung der in
Berlin aufbewahrten und von Menzel in Ordnung gebrachten Origi-
nalabbildungen der Versuch gemacht wurde, die Marcgrav'schen Anga-
ben und Beschreibungen zu deuten und auf bestimmte, seitdem benannte
Arten zurückzuführen58). War
schon vorher die Reise des sächsischen
Gelehrten als die zoologisch wichtigste anzusehen gewesen, so erhielt sie
durch diese Commentare eine noch sicherere Stellung in der Geschichte
der zoologischen Entdeckungen. Marcgrav's Beobachtungen weisen zum
ersten Mal mit Evidenz nach, -- und dies war eine für die damalige
Zeit und die in ihr verbreiteten Anschauungen sehr Bedeutungsvolle
Thatsache --, daß die südamerikanischen Thiere von den altcontinenta-
len gänzlich verschieden, wenn auch mit ihnen verwandt sind. Freilich
waren derartige Nachweise in einer Zeit, in welcher man von einer Ge-
setzmäßigkeit der geographischen Verbreitung noch keine Ahnung hatte,
für die Klärung der zoogeographischen Ansichten noch ohne Einfluß.
Sie erschütterten aber doch den Glauben an einen gemeinsamen Aus-
gangspunkt des Thierreichs im Sinne der herrschenden Schöpfungs-
theorie. Und einen mächtigen Einfluß gewannen die erwähnten Schrif-
ten durch den Reichthum an theils ausführlicher als früher, theils über-
haupt zum erstenmal beschriebenen Thierarten. Von ersteren sei hier
nur an die Didelphis, den Kolibri, das Lama, Meerschweinchen, von

58) J. G. Schneider, Nachricht von den
Originalzeichnungen von Marc-
graf
's Brasilischer Zoologie. in: Leipziger Magazin zur Naturkunde v. 1786. S.
270. -- H. Lichtenstein, Die Werke von Marcgrav und Piso über die Natur-
geschichte Brasiliens. in: Abhandlungen d. Berliner Akad. Phys. Kl. 1814/15.
S. 201. 1816/17. S. 155. 1820/21. S. 237. 267. 1826. S. 49. (auch in der
Isis, 1819. S. 1327. 1820. L. A. S. 635. 1824. L. A. S. 57).

Erweiterung der ſpeciellen Thierkenntniß.
zoologiſchen Kenntniſſe wohl nicht ſo weit, daß er zu Marcgrav's Be-
ſchreibungen überall die zweifellos richtigen Figuren hätte bezeichnen
können. Hierdurch und vielleicht auch durch unachtſame Umſtellungen
während des Druckes kamen viele Unrichtigkeiten in die erſte Ausgabe,
welche auch Piſo trotz der bedeutenden Kürzungen des Marcgrav'ſchen
Theiles nicht völlig beſeitigt hat. Dankbar iſt es daher zu rühmen, daß
früher ſchon zum Theile von J. G. Schneider Saxo, ſpäter in ſehr
eingehender Weiſe von H. Lichtenſtein unter Zugrundelegung der in
Berlin aufbewahrten und von Menzel in Ordnung gebrachten Origi-
nalabbildungen der Verſuch gemacht wurde, die Marcgrav'ſchen Anga-
ben und Beſchreibungen zu deuten und auf beſtimmte, ſeitdem benannte
Arten zurückzuführen58). War
ſchon vorher die Reiſe des ſächſiſchen
Gelehrten als die zoologiſch wichtigſte anzuſehen geweſen, ſo erhielt ſie
durch dieſe Commentare eine noch ſicherere Stellung in der Geſchichte
der zoologiſchen Entdeckungen. Marcgrav's Beobachtungen weiſen zum
erſten Mal mit Evidenz nach, — und dies war eine für die damalige
Zeit und die in ihr verbreiteten Anſchauungen ſehr Bedeutungsvolle
Thatſache —, daß die ſüdamerikaniſchen Thiere von den altcontinenta-
len gänzlich verſchieden, wenn auch mit ihnen verwandt ſind. Freilich
waren derartige Nachweiſe in einer Zeit, in welcher man von einer Ge-
ſetzmäßigkeit der geographiſchen Verbreitung noch keine Ahnung hatte,
für die Klärung der zoogeographiſchen Anſichten noch ohne Einfluß.
Sie erſchütterten aber doch den Glauben an einen gemeinſamen Aus-
gangspunkt des Thierreichs im Sinne der herrſchenden Schöpfungs-
theorie. Und einen mächtigen Einfluß gewannen die erwähnten Schrif-
ten durch den Reichthum an theils ausführlicher als früher, theils über-
haupt zum erſtenmal beſchriebenen Thierarten. Von erſteren ſei hier
nur an die Didelphis, den Kolibri, das Lama, Meerſchweinchen, von

58) J. G. Schneider, Nachricht von den
Originalzeichnungen von Marc-
graf
's Braſiliſcher Zoologie. in: Leipziger Magazin zur Naturkunde v. 1786. S.
270. — H. Lichtenſtein, Die Werke von Marcgrav und Piſo über die Natur-
geſchichte Braſiliens. in: Abhandlungen d. Berliner Akad. Phyſ. Kl. 1814/15.
S. 201. 1816/17. S. 155. 1820/21. S. 237. 267. 1826. S. 49. (auch in der
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[329/0340] Erweiterung der ſpeciellen Thierkenntniß. zoologiſchen Kenntniſſe wohl nicht ſo weit, daß er zu Marcgrav's Be- ſchreibungen überall die zweifellos richtigen Figuren hätte bezeichnen können. Hierdurch und vielleicht auch durch unachtſame Umſtellungen während des Druckes kamen viele Unrichtigkeiten in die erſte Ausgabe, welche auch Piſo trotz der bedeutenden Kürzungen des Marcgrav'ſchen Theiles nicht völlig beſeitigt hat. Dankbar iſt es daher zu rühmen, daß früher ſchon zum Theile von J. G. Schneider Saxo, ſpäter in ſehr eingehender Weiſe von H. Lichtenſtein unter Zugrundelegung der in Berlin aufbewahrten und von Menzel in Ordnung gebrachten Origi- nalabbildungen der Verſuch gemacht wurde, die Marcgrav'ſchen Anga- ben und Beſchreibungen zu deuten und auf beſtimmte, ſeitdem benannte Arten zurückzuführen 58). War ſchon vorher die Reiſe des ſächſiſchen Gelehrten als die zoologiſch wichtigſte anzuſehen geweſen, ſo erhielt ſie durch dieſe Commentare eine noch ſicherere Stellung in der Geſchichte der zoologiſchen Entdeckungen. Marcgrav's Beobachtungen weiſen zum erſten Mal mit Evidenz nach, — und dies war eine für die damalige Zeit und die in ihr verbreiteten Anſchauungen ſehr Bedeutungsvolle Thatſache —, daß die ſüdamerikaniſchen Thiere von den altcontinenta- len gänzlich verſchieden, wenn auch mit ihnen verwandt ſind. Freilich waren derartige Nachweiſe in einer Zeit, in welcher man von einer Ge- ſetzmäßigkeit der geographiſchen Verbreitung noch keine Ahnung hatte, für die Klärung der zoogeographiſchen Anſichten noch ohne Einfluß. Sie erſchütterten aber doch den Glauben an einen gemeinſamen Aus- gangspunkt des Thierreichs im Sinne der herrſchenden Schöpfungs- theorie. Und einen mächtigen Einfluß gewannen die erwähnten Schrif- ten durch den Reichthum an theils ausführlicher als früher, theils über- haupt zum erſtenmal beſchriebenen Thierarten. Von erſteren ſei hier nur an die Didelphis, den Kolibri, das Lama, Meerſchweinchen, von 58) J. G. Schneider, Nachricht von den Originalzeichnungen von Marc- graf's Braſiliſcher Zoologie. in: Leipziger Magazin zur Naturkunde v. 1786. S. 270. — H. Lichtenſtein, Die Werke von Marcgrav und Piſo über die Natur- geſchichte Braſiliens. in: Abhandlungen d. Berliner Akad. Phyſ. Kl. 1814/15. S. 201. 1816/17. S. 155. 1820/21. S. 237. 267. 1826. S. 49. (auch in der Iſis, 1819. S. 1327. 1820. L. A. S. 635. 1824. L. A. S. 57).

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/340>, abgerufen am 22.11.2024.