erst allmählich zu einem besondern Stand erstehender Gelehrten, sei es durch Gründung rein wissenschaftlicher Unterrichtsanstalten24).
Wie sich dies im Mittelalter bewahrheitet, wo nur die andern Bestrebungen zugewendeten religiösen Körperschaften den Bestand des Wissens zu bewahren die Fähigkeit und, wie man dann gern sagt, die Aufgabe hatten, bis zunächst sie die Neubelebung auch der Naturwis- senschaften fördern halfen, so gilt dies in gleich strenger Weise für das frühe Alterthum. Enthalten auch ohne Zweifel die religiös-poetischen Bücher sowohl der Inder als der Hebräer, ebenso die großen epischen Dichtungen manchen Zug, welcher auf eine nähere Bekanntschaft mit der Natur der Thiere schließen läßt, so sind doch naturwissenschaftliche Betrachtungen ihnen fremd. Die hohe Achtung und religiöse Ehrfurcht, mit welcher die Bibel angesehen wird, hat es häufig veranlaßt, von ihr aus die Geschichte beginnen zu lassen. Sieht man aber von der Er- währung einer Anzahl von Thieren ab, so kann man aus ihr höchstens ein Urtheil über die Naturanschauung der alten Hebräer sich bilden. In der mosaischen Schöpfungsgeschichte werden die Thiere zwar in verschiedenen Gruppen aufgeführt, wie: kleine Wasserthiere, größere Wasserthiere, Vögel, vierfüßige Thiere, Gewürm, ebenso bei der noachi- schen Fluth. Indeß soll dies selbstverständlich kein Versuch zu einer Eintheilung der Thiere sein im Sinne eines zoologischen Systems. Der Theilung der Thiere in reine und unreine, bei welcher das Wie- derkäuen und die gespaltenen Klauen erwähnt werden (3. Mos. 11. Cap.) liegt theils alter Gebrauch, theils wahrscheinlich jene dem Alterthum charakteristische Auffassung des Unterschieds zwischen Menschen und Thier zu Grunde, welche in einer weiteren Entwickelung zu jener "wun- derbaren Annahme der Seelenwanderung" führt. Fehlen auch in der Bibel Anklänge an die Fabeln und Sagen, welche sich mehr oder we- niger eng an Beobachtungen des Thierlebens anschließen, so ist sie doch reich an Bildern und Gleichnissen, deren Ausgangspunkte Thiere sind;
24) Auf diese Abhängigkeit der Entwickelung wissenschaftlichen Lebens vom Wohlstand haben bereits Tennemann (Geschichte der Philosophie, Bd. 1. S. 30), neuerdings auch H. Th. Buckle (History of civilization in England. Vol. I. Chapt. II. Leipzig, 1865, S. 38) aufmerksam gemacht.
Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
erſt allmählich zu einem beſondern Stand erſtehender Gelehrten, ſei es durch Gründung rein wiſſenſchaftlicher Unterrichtsanſtalten24).
Wie ſich dies im Mittelalter bewahrheitet, wo nur die andern Beſtrebungen zugewendeten religiöſen Körperſchaften den Beſtand des Wiſſens zu bewahren die Fähigkeit und, wie man dann gern ſagt, die Aufgabe hatten, bis zunächſt ſie die Neubelebung auch der Naturwiſ- ſenſchaften fördern halfen, ſo gilt dies in gleich ſtrenger Weiſe für das frühe Alterthum. Enthalten auch ohne Zweifel die religiös-poetiſchen Bücher ſowohl der Inder als der Hebräer, ebenſo die großen epiſchen Dichtungen manchen Zug, welcher auf eine nähere Bekanntſchaft mit der Natur der Thiere ſchließen läßt, ſo ſind doch naturwiſſenſchaftliche Betrachtungen ihnen fremd. Die hohe Achtung und religiöſe Ehrfurcht, mit welcher die Bibel angeſehen wird, hat es häufig veranlaßt, von ihr aus die Geſchichte beginnen zu laſſen. Sieht man aber von der Er- währung einer Anzahl von Thieren ab, ſo kann man aus ihr höchſtens ein Urtheil über die Naturanſchauung der alten Hebräer ſich bilden. In der moſaiſchen Schöpfungsgeſchichte werden die Thiere zwar in verſchiedenen Gruppen aufgeführt, wie: kleine Waſſerthiere, größere Waſſerthiere, Vögel, vierfüßige Thiere, Gewürm, ebenſo bei der noachi- ſchen Fluth. Indeß ſoll dies ſelbſtverſtändlich kein Verſuch zu einer Eintheilung der Thiere ſein im Sinne eines zoologiſchen Syſtems. Der Theilung der Thiere in reine und unreine, bei welcher das Wie- derkäuen und die geſpaltenen Klauen erwähnt werden (3. Moſ. 11. Cap.) liegt theils alter Gebrauch, theils wahrſcheinlich jene dem Alterthum charakteriſtiſche Auffaſſung des Unterſchieds zwiſchen Menſchen und Thier zu Grunde, welche in einer weiteren Entwickelung zu jener „wun- derbaren Annahme der Seelenwanderung“ führt. Fehlen auch in der Bibel Anklänge an die Fabeln und Sagen, welche ſich mehr oder we- niger eng an Beobachtungen des Thierlebens anſchließen, ſo iſt ſie doch reich an Bildern und Gleichniſſen, deren Ausgangspunkte Thiere ſind;
24) Auf dieſe Abhängigkeit der Entwickelung wiſſenſchaftlichen Lebens vom Wohlſtand haben bereits Tennemann (Geſchichte der Philoſophie, Bd. 1. S. 30), neuerdings auch H. Th. Buckle (History of civilization in England. Vol. I. Chapt. II. Leipzig, 1865, S. 38) aufmerkſam gemacht.
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Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
erſt allmählich zu einem beſondern Stand erſtehender Gelehrten, ſei es
durch Gründung rein wiſſenſchaftlicher Unterrichtsanſtalten 24).
Wie ſich dies im Mittelalter bewahrheitet, wo nur die andern
Beſtrebungen zugewendeten religiöſen Körperſchaften den Beſtand des
Wiſſens zu bewahren die Fähigkeit und, wie man dann gern ſagt, die
Aufgabe hatten, bis zunächſt ſie die Neubelebung auch der Naturwiſ-
ſenſchaften fördern halfen, ſo gilt dies in gleich ſtrenger Weiſe für das
frühe Alterthum. Enthalten auch ohne Zweifel die religiös-poetiſchen
Bücher ſowohl der Inder als der Hebräer, ebenſo die großen epiſchen
Dichtungen manchen Zug, welcher auf eine nähere Bekanntſchaft mit
der Natur der Thiere ſchließen läßt, ſo ſind doch naturwiſſenſchaftliche
Betrachtungen ihnen fremd. Die hohe Achtung und religiöſe Ehrfurcht,
mit welcher die Bibel angeſehen wird, hat es häufig veranlaßt, von ihr
aus die Geſchichte beginnen zu laſſen. Sieht man aber von der Er-
währung einer Anzahl von Thieren ab, ſo kann man aus ihr höchſtens
ein Urtheil über die Naturanſchauung der alten Hebräer ſich bilden.
In der moſaiſchen Schöpfungsgeſchichte werden die Thiere zwar in
verſchiedenen Gruppen aufgeführt, wie: kleine Waſſerthiere, größere
Waſſerthiere, Vögel, vierfüßige Thiere, Gewürm, ebenſo bei der noachi-
ſchen Fluth. Indeß ſoll dies ſelbſtverſtändlich kein Verſuch zu einer
Eintheilung der Thiere ſein im Sinne eines zoologiſchen Syſtems.
Der Theilung der Thiere in reine und unreine, bei welcher das Wie-
derkäuen und die geſpaltenen Klauen erwähnt werden (3. Moſ. 11. Cap.)
liegt theils alter Gebrauch, theils wahrſcheinlich jene dem Alterthum
charakteriſtiſche Auffaſſung des Unterſchieds zwiſchen Menſchen und
Thier zu Grunde, welche in einer weiteren Entwickelung zu jener „wun-
derbaren Annahme der Seelenwanderung“ führt. Fehlen auch in der
Bibel Anklänge an die Fabeln und Sagen, welche ſich mehr oder we-
niger eng an Beobachtungen des Thierlebens anſchließen, ſo iſt ſie doch
reich an Bildern und Gleichniſſen, deren Ausgangspunkte Thiere ſind;
24) Auf dieſe Abhängigkeit der Entwickelung wiſſenſchaftlichen Lebens vom
Wohlſtand haben bereits Tennemann (Geſchichte der Philoſophie, Bd. 1. S. 30),
neuerdings auch H. Th. Buckle (History of civilization in England. Vol. I.
Chapt. II. Leipzig, 1865, S. 38) aufmerkſam gemacht.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/35>, abgerufen am 21.11.2024.
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