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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Periode der encyklopädischen Darstellungen.
noch angeführt werden mag, zeigt, wie man sich hier mehr mit den be-
kannten, bei den Alten und im Physiologus vorkommenden Erzählun-
gen beschäftigte, als daß man eine eigentlich naturhistorische Schilde-
rung zu geben versucht hätte92). Endlich wurden auch fabelhafte Vögel
und Fabeln von Vögeln in den Kreis der litterarischen Besprechung
gezogen. Daß die Geschichte von der Baumgans noch nicht ganz aus
dem Volksglauben verschwunden war, beweisen die schon oben (S.192)
angeführten Schriften. Ebenso wurde die Geschichte von den Greifen,
dem Phoenix eingehend erörtert; und auch einzelne wunderbare hier
und da in den Wolken oder auf der Erde gesehene oder selbst erlegte
Wundervögel fanden ihre Beschreiber93).

Unter den Reptilien waren vorzugsweise die Schlangen Ge-
genstand der Beachtung und Furcht gewesen. Die Giftschlangen ge-
hörig unterscheiden und beim Mischen des Theriaks nach alter Vor-
schrift benutzen zu können, war besondere Aufgabe der Aerzte. Einen
eigenthümlichen Eindruck macht es, daß die naturhistorisch nicht bedeu-
tende Schrift über Schlangen, besonders giftige, welche der bekannte
Arzt Nicolaus Leonicenus im hohen Alter verfaßte, der berüch-
tigten Lucrezia Borgia dedicirt ist94) Sie schließt sich
ziemlich treu an
Nikander, Galen und Avicenna an, deren Schriften citirend und ge-
geneinanderstellend. Etwas näher auf die Natur des behandelten

92) Clodius, Jo., resp. J. H.
Rebhuhn
, Perdicem themate physio-
logico degustandum proponit. Witteberg. 1671.
Der Titel ist gleich ein Zei-
chen des Ungeschmacks der Zeit.
93) So z. B.: Wahrhaffter Abriß und
Abbildung eines großen wunderlichen
Vogels welcher in der Stadt Amgemita in Hispanien im verlauffnen Jahr 1628
wunderbarlicher Weise sich erzeigt und bekommen worden. Fliegendes Blatt mit
Holzschnittfigur. Die Sage von den Greifen führt Corn. Vogel,(De
Gryphibus.
Lips. 1670
) auf ihren Ursprung zurück. Die Gedichte des Lactantius
und Clau-
dianus über den Phoenix mit den betreffenden Stellen aus Ovid u. A.
erklärt real
und verbal ausführlich Joh. Gryphiander (Phoenix. Jenae,
1618
).
94) Nic.
Leonicenus
, De Serpentibus opus singulare ac exactissi-
mum. Bononiae, 1518.
Dasselbe in seiner Schrift De Plinii et aliorum
medi-
corum erroribus. Basil. 1529,
der Abschnitt De Tiro seu Vipera
mit den zwei
ähnlichen Schriften des Pandulphus Collonutius und Ambrosius Leo
Nolanus

wieder abgedruckt im: Actuarius. Venetiis, 1529.

Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
noch angeführt werden mag, zeigt, wie man ſich hier mehr mit den be-
kannten, bei den Alten und im Phyſiologus vorkommenden Erzählun-
gen beſchäftigte, als daß man eine eigentlich naturhiſtoriſche Schilde-
rung zu geben verſucht hätte92). Endlich wurden auch fabelhafte Vögel
und Fabeln von Vögeln in den Kreis der litterariſchen Beſprechung
gezogen. Daß die Geſchichte von der Baumgans noch nicht ganz aus
dem Volksglauben verſchwunden war, beweiſen die ſchon oben (S.192)
angeführten Schriften. Ebenſo wurde die Geſchichte von den Greifen,
dem Phoenix eingehend erörtert; und auch einzelne wunderbare hier
und da in den Wolken oder auf der Erde geſehene oder ſelbſt erlegte
Wundervögel fanden ihre Beſchreiber93).

Unter den Reptilien waren vorzugsweiſe die Schlangen Ge-
genſtand der Beachtung und Furcht geweſen. Die Giftſchlangen ge-
hörig unterſcheiden und beim Miſchen des Theriaks nach alter Vor-
ſchrift benutzen zu können, war beſondere Aufgabe der Aerzte. Einen
eigenthümlichen Eindruck macht es, daß die naturhiſtoriſch nicht bedeu-
tende Schrift über Schlangen, beſonders giftige, welche der bekannte
Arzt Nicolaus Leonicenus im hohen Alter verfaßte, der berüch-
tigten Lucrezia Borgia dedicirt iſt94) Sie ſchließt ſich
ziemlich treu an
Nikander, Galen und Avicenna an, deren Schriften citirend und ge-
geneinanderſtellend. Etwas näher auf die Natur des behandelten

92) Clodius, Jo., resp. J. H.
Rebhuhn
, Perdicem themate physio-
logico degustandum proponit. Witteberg. 1671.
Der Titel iſt gleich ein Zei-
chen des Ungeſchmacks der Zeit.
93) So z. B.: Wahrhaffter Abriß und
Abbildung eines großen wunderlichen
Vogels welcher in der Stadt Amgemita in Hispanien im verlauffnen Jahr 1628
wunderbarlicher Weiſe ſich erzeigt und bekommen worden. Fliegendes Blatt mit
Holzſchnittfigur. Die Sage von den Greifen führt Corn. Vogel,(De
Gryphibus.
Lips. 1670
) auf ihren Urſprung zurück. Die Gedichte des Lactantius
und Clau-
dianus über den Phoenix mit den betreffenden Stellen aus Ovid u. A.
erklärt real
und verbal ausführlich Joh. Gryphiander (Phoenix. Jenae,
1618
).
94) Nic.
Leonicenus
, De Serpentibus opus singulare ac exactissi-
mum. Bononiae, 1518.
Daſſelbe in ſeiner Schrift De Plinii et aliorum
medi-
corum erroribus. Basil. 1529,
der Abſchnitt De Tiro seu Vipera
mit den zwei
ähnlichen Schriften des Pandulphus Collonutius und Ambroſius Leo
Nolanus

wieder abgedruckt im: Actuarius. Venetiis, 1529.
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[354/0365] Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen. noch angeführt werden mag, zeigt, wie man ſich hier mehr mit den be- kannten, bei den Alten und im Phyſiologus vorkommenden Erzählun- gen beſchäftigte, als daß man eine eigentlich naturhiſtoriſche Schilde- rung zu geben verſucht hätte 92). Endlich wurden auch fabelhafte Vögel und Fabeln von Vögeln in den Kreis der litterariſchen Beſprechung gezogen. Daß die Geſchichte von der Baumgans noch nicht ganz aus dem Volksglauben verſchwunden war, beweiſen die ſchon oben (S.192) angeführten Schriften. Ebenſo wurde die Geſchichte von den Greifen, dem Phoenix eingehend erörtert; und auch einzelne wunderbare hier und da in den Wolken oder auf der Erde geſehene oder ſelbſt erlegte Wundervögel fanden ihre Beſchreiber 93). Unter den Reptilien waren vorzugsweiſe die Schlangen Ge- genſtand der Beachtung und Furcht geweſen. Die Giftſchlangen ge- hörig unterſcheiden und beim Miſchen des Theriaks nach alter Vor- ſchrift benutzen zu können, war beſondere Aufgabe der Aerzte. Einen eigenthümlichen Eindruck macht es, daß die naturhiſtoriſch nicht bedeu- tende Schrift über Schlangen, beſonders giftige, welche der bekannte Arzt Nicolaus Leonicenus im hohen Alter verfaßte, der berüch- tigten Lucrezia Borgia dedicirt iſt 94) Sie ſchließt ſich ziemlich treu an Nikander, Galen und Avicenna an, deren Schriften citirend und ge- geneinanderſtellend. Etwas näher auf die Natur des behandelten 92) Clodius, Jo., resp. J. H. Rebhuhn, Perdicem themate physio- logico degustandum proponit. Witteberg. 1671. Der Titel iſt gleich ein Zei- chen des Ungeſchmacks der Zeit. 93) So z. B.: Wahrhaffter Abriß und Abbildung eines großen wunderlichen Vogels welcher in der Stadt Amgemita in Hispanien im verlauffnen Jahr 1628 wunderbarlicher Weiſe ſich erzeigt und bekommen worden. Fliegendes Blatt mit Holzſchnittfigur. Die Sage von den Greifen führt Corn. Vogel,(De Gryphibus. Lips. 1670) auf ihren Urſprung zurück. Die Gedichte des Lactantius und Clau- dianus über den Phoenix mit den betreffenden Stellen aus Ovid u. A. erklärt real und verbal ausführlich Joh. Gryphiander (Phoenix. Jenae, 1618). 94) Nic. Leonicenus, De Serpentibus opus singulare ac exactissi- mum. Bononiae, 1518. Daſſelbe in ſeiner Schrift De Plinii et aliorum medi- corum erroribus. Basil. 1529, der Abſchnitt De Tiro seu Vipera mit den zwei ähnlichen Schriften des Pandulphus Collonutius und Ambroſius Leo Nolanus wieder abgedruckt im: Actuarius. Venetiis, 1529.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/365>, abgerufen am 13.06.2024.