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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Zoologische Kenntnisse des Alterthums.
um die Blüthen einer höheren, aber immerhin mehr auf das Formale
gerichteten geistigen Entwickelung zu entfalten (wie ja Spuren griechi-
schen Einflusses weit in das italische Alterthum hinaufreichen), so war
es ebenso erklärliche Folge der sich stetig ausbreitenden römischen Herr-
schaft, daß mit der Einwirkung ihrer centralisirenden und gleichmachen-
den staatlichen Methode auch das Geistesleben der im Weltreich der
Römer aufgehenden Griechen andere Richtungen einschlug. Charakte-
ristisch für die alexandrinische Zeit ist, daß hier wie im Mittelalter
Rhetorik, Grammatik und Dialektik in Verbindung mit Musik und
Geometrie die Lehrgegenstände wurden, welche der Jugend den Eintritt
in die gebildete Welt verschafften. Es ist kein Wunder, daß unter jenen
Verhältnissen auch die wissenschaftliche Thierkunde, deren Gründung
in einer so überaus glänzenden Weise erfolgt war, still stand. War es
ja doch nur möglich gewesen von einer solchen zu sprechen, als das
selbständige Interesse freier nach reinem Wissen strebender Männer die
Beschäftigung mit nicht streng zunftmäßigen Gegenständen gestattet
hatte. Hierzu kommt noch die dem alexandrinischen Zeitalter eigene
Richtung der grammatikalischen Behandlung der Gegenstände, welche,
verbunden mit der Sorge für die Erhaltung älterer Schriften selbst die
strengere Fachlitteratur zu didaktischen Zwecken umzumodeln begann
und im Ganzen, wir möchten sagen, eine Scholastik des Alterthums
hervorrief. Ferner lassen sich die fabelhaften Angaben, welche vom
spätern Alterthum an sich durch das ganze Mittelalter hindurchziehen,
vielleicht nicht mit Unrecht auf die Sammlungen von Wundern, Para-
doxen und überhaupt Merkwürdigkeiten aller Art zurückführen, welche
jene Zeit hervorbrachte.

Im eigentlichen Sinne des Wortes Gründer der Zoologie ist
Aristoteles, indem er zum erstenmale alle zu seiner Zeit oder we-
nigstens ihm bekannten hierher gehörigen Thatsachen sammelte, ordnete
und zu einem System verband. Sein Einfluß auf die Weiterentwicke-
lung der Zoologie war indeß während des Alterthums nicht nachhaltig.
Hat er auch wie kaum Jemand vor und nach ihm mächtig dazu beige-
tragen, die allgemeinen Anschauungen der gebildeten Welt umzugestal-
ten, so wäre es doch eben verkehrt, in ihm schon Andeutungen einer

Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
um die Blüthen einer höheren, aber immerhin mehr auf das Formale
gerichteten geiſtigen Entwickelung zu entfalten (wie ja Spuren griechi-
ſchen Einfluſſes weit in das italiſche Alterthum hinaufreichen), ſo war
es ebenſo erklärliche Folge der ſich ſtetig ausbreitenden römiſchen Herr-
ſchaft, daß mit der Einwirkung ihrer centraliſirenden und gleichmachen-
den ſtaatlichen Methode auch das Geiſtesleben der im Weltreich der
Römer aufgehenden Griechen andere Richtungen einſchlug. Charakte-
riſtiſch für die alexandriniſche Zeit iſt, daß hier wie im Mittelalter
Rhetorik, Grammatik und Dialektik in Verbindung mit Muſik und
Geometrie die Lehrgegenſtände wurden, welche der Jugend den Eintritt
in die gebildete Welt verſchafften. Es iſt kein Wunder, daß unter jenen
Verhältniſſen auch die wiſſenſchaftliche Thierkunde, deren Gründung
in einer ſo überaus glänzenden Weiſe erfolgt war, ſtill ſtand. War es
ja doch nur möglich geweſen von einer ſolchen zu ſprechen, als das
ſelbſtändige Intereſſe freier nach reinem Wiſſen ſtrebender Männer die
Beſchäftigung mit nicht ſtreng zunftmäßigen Gegenſtänden geſtattet
hatte. Hierzu kommt noch die dem alexandriniſchen Zeitalter eigene
Richtung der grammatikaliſchen Behandlung der Gegenſtände, welche,
verbunden mit der Sorge für die Erhaltung älterer Schriften ſelbſt die
ſtrengere Fachlitteratur zu didaktiſchen Zwecken umzumodeln begann
und im Ganzen, wir möchten ſagen, eine Scholaſtik des Alterthums
hervorrief. Ferner laſſen ſich die fabelhaften Angaben, welche vom
ſpätern Alterthum an ſich durch das ganze Mittelalter hindurchziehen,
vielleicht nicht mit Unrecht auf die Sammlungen von Wundern, Para-
doxen und überhaupt Merkwürdigkeiten aller Art zurückführen, welche
jene Zeit hervorbrachte.

Im eigentlichen Sinne des Wortes Gründer der Zoologie iſt
Ariſtoteles, indem er zum erſtenmale alle zu ſeiner Zeit oder we-
nigſtens ihm bekannten hierher gehörigen Thatſachen ſammelte, ordnete
und zu einem Syſtem verband. Sein Einfluß auf die Weiterentwicke-
lung der Zoologie war indeß während des Alterthums nicht nachhaltig.
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[28/0039] Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums. um die Blüthen einer höheren, aber immerhin mehr auf das Formale gerichteten geiſtigen Entwickelung zu entfalten (wie ja Spuren griechi- ſchen Einfluſſes weit in das italiſche Alterthum hinaufreichen), ſo war es ebenſo erklärliche Folge der ſich ſtetig ausbreitenden römiſchen Herr- ſchaft, daß mit der Einwirkung ihrer centraliſirenden und gleichmachen- den ſtaatlichen Methode auch das Geiſtesleben der im Weltreich der Römer aufgehenden Griechen andere Richtungen einſchlug. Charakte- riſtiſch für die alexandriniſche Zeit iſt, daß hier wie im Mittelalter Rhetorik, Grammatik und Dialektik in Verbindung mit Muſik und Geometrie die Lehrgegenſtände wurden, welche der Jugend den Eintritt in die gebildete Welt verſchafften. Es iſt kein Wunder, daß unter jenen Verhältniſſen auch die wiſſenſchaftliche Thierkunde, deren Gründung in einer ſo überaus glänzenden Weiſe erfolgt war, ſtill ſtand. War es ja doch nur möglich geweſen von einer ſolchen zu ſprechen, als das ſelbſtändige Intereſſe freier nach reinem Wiſſen ſtrebender Männer die Beſchäftigung mit nicht ſtreng zunftmäßigen Gegenſtänden geſtattet hatte. Hierzu kommt noch die dem alexandriniſchen Zeitalter eigene Richtung der grammatikaliſchen Behandlung der Gegenſtände, welche, verbunden mit der Sorge für die Erhaltung älterer Schriften ſelbſt die ſtrengere Fachlitteratur zu didaktiſchen Zwecken umzumodeln begann und im Ganzen, wir möchten ſagen, eine Scholaſtik des Alterthums hervorrief. Ferner laſſen ſich die fabelhaften Angaben, welche vom ſpätern Alterthum an ſich durch das ganze Mittelalter hindurchziehen, vielleicht nicht mit Unrecht auf die Sammlungen von Wundern, Para- doxen und überhaupt Merkwürdigkeiten aller Art zurückführen, welche jene Zeit hervorbrachte. Im eigentlichen Sinne des Wortes Gründer der Zoologie iſt Ariſtoteles, indem er zum erſtenmale alle zu ſeiner Zeit oder we- nigſtens ihm bekannten hierher gehörigen Thatſachen ſammelte, ordnete und zu einem Syſtem verband. Sein Einfluß auf die Weiterentwicke- lung der Zoologie war indeß während des Alterthums nicht nachhaltig. Hat er auch wie kaum Jemand vor und nach ihm mächtig dazu beige- tragen, die allgemeinen Anſchauungen der gebildeten Welt umzugeſtal- ten, ſo wäre es doch eben verkehrt, in ihm ſchon Andeutungen einer

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/39>, abgerufen am 03.12.2024.