Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Alfonso Borelli wurde, gieng dann eine Zeit lang als Professor nach Messina, wurde 1666 Professor der Medicin in Bologna, siedelte als Leibarzt des Pabstes Innocenz XII im Jahre 1691 nach Rom über und starb dort 1694 in seinem siebenundsechzigsten Lebensjahre. Malpighi ist besonders dadurch auf den Fortschritt der Zoologie in weiterem Umfange von großem Einflusse geworden, daß er seine wich- tigen Untersuchungen über anatomische Verhältnisse bei verschiedenen Thieren nicht mehr in derselben Weise wie Frühere von Physiologie und Medicin abhängig erscheinen ließ, sondern in dem formellen Auf- bau des Thierkörpers einen Gegenstand erblickte, welcher einer selb- ständigen wissenschaftlichen Bearbeitung bedürftig und werth war. Er- scheint dieses Loslösen von fremdartigen Gesichtspunkten bei ihm auch noch nicht in der Sicherheit und Freiheit, daß man bei ihm schon ein Erfassen rein morphologischer Aufgaben annehmen kann, so hat er doch durch seine Art der Behandlung wesentlich dazu beigetragen, die einschlägigen Arbeiten von der unwürdigen Beaufsichtigung und Beein- flussung seitens praktischer Berufsrichtungen und andersartiger Wis- senschaften frei zu machen. In seiner Anatomie der Pflanzen sind ferner die ersten Grundzüge gegeben zu jener, durch alle späteren Unter- suchungen immer weiter befestigten und sicherer bestätigten Lehre von der Zusammensetzung der organischen Körper aus Zellen, welche der ganzen Auffassung der belebten Welt, unter gleichzeitiger Erweiterung des Einblickes in die Entwickelungserscheinungen, einen formell fest- stehenden Ausgangspunkt und in ihren Folgerungen der genetischen Betrachtungsweise einen sicheren Boden und den theoretischen Ab- schluß gab. Malpighi gieng direct ohne Nebenziele auf Erkenntniß des Baues des Thierkörpers aus; er benutzte dazu zunächst alle in seiner Zeit gebräuchlichen Untersuchungsmittel. Für die Behandlung mit dem Messer suchte man die Theile durch Maceration in verschiedenen Flüs- sigkeiten und durch Kochen zugänglicher zu machen. Und wenn hier- durch der Zusammenhang zwischen den einzelnen Theilen zu sehr gelöst wurde, während man ja gerade für die Verbindung derselben unter einander neuer Elemente bedurfte, welche die Substanzlücken zu erfüllen bestimmt waren, so trat ergänzend die Erfüllung der feinsten Gefäße Alfonſo Borelli wurde, gieng dann eine Zeit lang als Profeſſor nach Meſſina, wurde 1666 Profeſſor der Medicin in Bologna, ſiedelte als Leibarzt des Pabſtes Innocenz XII im Jahre 1691 nach Rom über und ſtarb dort 1694 in ſeinem ſiebenundſechzigſten Lebensjahre. Malpighi iſt beſonders dadurch auf den Fortſchritt der Zoologie in weiterem Umfange von großem Einfluſſe geworden, daß er ſeine wich- tigen Unterſuchungen über anatomiſche Verhältniſſe bei verſchiedenen Thieren nicht mehr in derſelben Weiſe wie Frühere von Phyſiologie und Medicin abhängig erſcheinen ließ, ſondern in dem formellen Auf- bau des Thierkörpers einen Gegenſtand erblickte, welcher einer ſelb- ſtändigen wiſſenſchaftlichen Bearbeitung bedürftig und werth war. Er- ſcheint dieſes Loslöſen von fremdartigen Geſichtspunkten bei ihm auch noch nicht in der Sicherheit und Freiheit, daß man bei ihm ſchon ein Erfaſſen rein morphologiſcher Aufgaben annehmen kann, ſo hat er doch durch ſeine Art der Behandlung weſentlich dazu beigetragen, die einſchlägigen Arbeiten von der unwürdigen Beaufſichtigung und Beein- fluſſung ſeitens praktiſcher Berufsrichtungen und andersartiger Wiſ- ſenſchaften frei zu machen. In ſeiner Anatomie der Pflanzen ſind ferner die erſten Grundzüge gegeben zu jener, durch alle ſpäteren Unter- ſuchungen immer weiter befeſtigten und ſicherer beſtätigten Lehre von der Zuſammenſetzung der organiſchen Körper aus Zellen, welche der ganzen Auffaſſung der belebten Welt, unter gleichzeitiger Erweiterung des Einblickes in die Entwickelungserſcheinungen, einen formell feſt- ſtehenden Ausgangspunkt und in ihren Folgerungen der genetiſchen Betrachtungsweiſe einen ſicheren Boden und den theoretiſchen Ab- ſchluß gab. Malpighi gieng direct ohne Nebenziele auf Erkenntniß des Baues des Thierkörpers aus; er benutzte dazu zunächſt alle in ſeiner Zeit gebräuchlichen Unterſuchungsmittel. Für die Behandlung mit dem Meſſer ſuchte man die Theile durch Maceration in verſchiedenen Flüſ- ſigkeiten und durch Kochen zugänglicher zu machen. Und wenn hier- durch der Zuſammenhang zwiſchen den einzelnen Theilen zu ſehr gelöſt wurde, während man ja gerade für die Verbindung derſelben unter einander neuer Elemente bedurfte, welche die Subſtanzlücken zu erfüllen beſtimmt waren, ſo trat ergänzend die Erfüllung der feinſten Gefäße <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0406" n="395"/><fw place="top" type="header"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119403099">Marcello Malpighi</persName>.</fw><lb/><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118659359">Alfonſo Borelli</persName></hi> wurde, gieng dann eine Zeit lang als Profeſſor<lb/> nach Meſſina, wurde 1666 Profeſſor der Medicin in Bologna, ſiedelte<lb/> als Leibarzt des Pabſtes <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118920758">Innocenz</persName> <hi rendition="#aq">XII</hi> im Jahre 1691 nach Rom<lb/> über und ſtarb dort 1694 in ſeinem ſiebenundſechzigſten Lebensjahre.<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119403099">Malpighi</persName> iſt beſonders dadurch auf den Fortſchritt der Zoologie in<lb/> weiterem Umfange von großem Einfluſſe geworden, daß er ſeine wich-<lb/> tigen Unterſuchungen über anatomiſche Verhältniſſe bei verſchiedenen<lb/> Thieren nicht mehr in derſelben Weiſe wie Frühere von Phyſiologie<lb/> und Medicin abhängig erſcheinen ließ, ſondern in dem formellen Auf-<lb/> bau des Thierkörpers einen Gegenſtand erblickte, welcher einer ſelb-<lb/> ſtändigen wiſſenſchaftlichen Bearbeitung bedürftig und werth war. Er-<lb/> ſcheint dieſes Loslöſen von fremdartigen Geſichtspunkten bei ihm auch<lb/> noch nicht in der Sicherheit und Freiheit, daß man bei ihm ſchon ein<lb/> Erfaſſen rein morphologiſcher Aufgaben annehmen kann, ſo hat er<lb/> doch durch ſeine Art der Behandlung weſentlich dazu beigetragen, die<lb/> einſchlägigen Arbeiten von der unwürdigen Beaufſichtigung und Beein-<lb/> fluſſung ſeitens praktiſcher Berufsrichtungen und andersartiger Wiſ-<lb/> ſenſchaften frei zu machen. In ſeiner Anatomie der Pflanzen ſind<lb/> ferner die erſten Grundzüge gegeben zu jener, durch alle ſpäteren Unter-<lb/> ſuchungen immer weiter befeſtigten und ſicherer beſtätigten Lehre von<lb/> der Zuſammenſetzung der organiſchen Körper aus Zellen, welche der<lb/> ganzen Auffaſſung der belebten Welt, unter gleichzeitiger Erweiterung<lb/> des Einblickes in die Entwickelungserſcheinungen, einen formell feſt-<lb/> ſtehenden Ausgangspunkt und in ihren Folgerungen der genetiſchen<lb/> Betrachtungsweiſe einen ſicheren Boden und den theoretiſchen Ab-<lb/> ſchluß gab. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119403099">Malpighi</persName> gieng direct ohne Nebenziele auf Erkenntniß des<lb/> Baues des Thierkörpers aus; er benutzte dazu zunächſt alle in ſeiner<lb/> Zeit gebräuchlichen Unterſuchungsmittel. Für die Behandlung mit dem<lb/> Meſſer ſuchte man die Theile durch Maceration in verſchiedenen Flüſ-<lb/> ſigkeiten und durch Kochen zugänglicher zu machen. Und wenn hier-<lb/> durch der Zuſammenhang zwiſchen den einzelnen Theilen zu ſehr gelöſt<lb/> wurde, während man ja gerade für die Verbindung derſelben unter<lb/> einander neuer Elemente bedurfte, welche die Subſtanzlücken zu erfüllen<lb/> beſtimmt waren, ſo trat ergänzend die Erfüllung der feinſten Gefäße<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [395/0406]
Marcello Malpighi.
Alfonſo Borelli wurde, gieng dann eine Zeit lang als Profeſſor
nach Meſſina, wurde 1666 Profeſſor der Medicin in Bologna, ſiedelte
als Leibarzt des Pabſtes Innocenz XII im Jahre 1691 nach Rom
über und ſtarb dort 1694 in ſeinem ſiebenundſechzigſten Lebensjahre.
Malpighi iſt beſonders dadurch auf den Fortſchritt der Zoologie in
weiterem Umfange von großem Einfluſſe geworden, daß er ſeine wich-
tigen Unterſuchungen über anatomiſche Verhältniſſe bei verſchiedenen
Thieren nicht mehr in derſelben Weiſe wie Frühere von Phyſiologie
und Medicin abhängig erſcheinen ließ, ſondern in dem formellen Auf-
bau des Thierkörpers einen Gegenſtand erblickte, welcher einer ſelb-
ſtändigen wiſſenſchaftlichen Bearbeitung bedürftig und werth war. Er-
ſcheint dieſes Loslöſen von fremdartigen Geſichtspunkten bei ihm auch
noch nicht in der Sicherheit und Freiheit, daß man bei ihm ſchon ein
Erfaſſen rein morphologiſcher Aufgaben annehmen kann, ſo hat er
doch durch ſeine Art der Behandlung weſentlich dazu beigetragen, die
einſchlägigen Arbeiten von der unwürdigen Beaufſichtigung und Beein-
fluſſung ſeitens praktiſcher Berufsrichtungen und andersartiger Wiſ-
ſenſchaften frei zu machen. In ſeiner Anatomie der Pflanzen ſind
ferner die erſten Grundzüge gegeben zu jener, durch alle ſpäteren Unter-
ſuchungen immer weiter befeſtigten und ſicherer beſtätigten Lehre von
der Zuſammenſetzung der organiſchen Körper aus Zellen, welche der
ganzen Auffaſſung der belebten Welt, unter gleichzeitiger Erweiterung
des Einblickes in die Entwickelungserſcheinungen, einen formell feſt-
ſtehenden Ausgangspunkt und in ihren Folgerungen der genetiſchen
Betrachtungsweiſe einen ſicheren Boden und den theoretiſchen Ab-
ſchluß gab. Malpighi gieng direct ohne Nebenziele auf Erkenntniß des
Baues des Thierkörpers aus; er benutzte dazu zunächſt alle in ſeiner
Zeit gebräuchlichen Unterſuchungsmittel. Für die Behandlung mit dem
Meſſer ſuchte man die Theile durch Maceration in verſchiedenen Flüſ-
ſigkeiten und durch Kochen zugänglicher zu machen. Und wenn hier-
durch der Zuſammenhang zwiſchen den einzelnen Theilen zu ſehr gelöſt
wurde, während man ja gerade für die Verbindung derſelben unter
einander neuer Elemente bedurfte, welche die Subſtanzlücken zu erfüllen
beſtimmt waren, ſo trat ergänzend die Erfüllung der feinſten Gefäße
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |