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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Zoologische Kenntnisse des Alterthums.
Fähigkeit fruchtbarer Begattung, fehlt bei den Schriftstellern der clas-
sischen Zeit. Es werden Begattungen verwandter und nicht verwandter
Thiere angenommen und deren Erzeugnisse beschrieben, ohne auch nur
das geringste Bedenken durchschimmern zu lassen, daß außer der zu
verschiedenen Körpergröße noch ein anderartiges Hinderniß bestehen
könnte35). So entspringen z. B. die indischen Hunde einer Begattung
des Tigers (nach einer andern Stelle des Aristoteles eines hundeähn-
lichen Thieres) mit dem Hunde, der Rhinobatis einer Begattung der
Rhine mit der Batis u. s. f.

Eine wissenschaftliche Nomenclatur kannten die Alten ebensowenig.
Ihre Namengebung war die populäre. Dies wird bewiesen durch das
Vorhandensein einmal mehrerer Namen in einer und derselben Sprache
für ein Thier, dann verschiedener Bezeichnungen für verschiedne Alters-
zustände eines und desselben Thieres36). Die Namen werden von
keiner irgendwie ausführlichen Beschreibung eingeführt, sondern als
durch den Volksgebrauch bekannt vorausgesetzt. Die zugehörigen Thiere
können daher nur nach den sich meist an verschiedenen Stellen finden-
den Angaben über einzelne Eigenschaften derselben wiedererkannt wer-
den. Wie sehr dies die Bestimmung der Thiere erschwert, wird noch
später zu erwähnen sein. Selbst bei der Bezeichnung größerer syste-
matischer Einheiten verfuhr Aristoteles nicht streng nach Grundsätzen.


eide en eidos. u. a. Plinius spricht z. B. X, 8. 9 von dem genus accipi-
trum
und wenige Blätter später X, 19. 22 sagt er nunc de secundo genere di-
camus, quod in duas dividitur species, oscines et alites,
wo jedenfalls die letzt-
erwähnten Species weitere Abtheilungen bezeichnen als das erstere Genus.
35) Solchen Kreuzungen gegenüber hießen die Individuen einer Art omogene
(so bei der Maulthiererzeugung, Hist. anim. VI, 23. 161); der hier zu Grunde
liegende Gedanke wird aber nicht weiter verfolgt. De gener. anim. II, 4. 53 sagt
Aristoteles geradezu: mignutai de on ... ta mege[ - 1 Zeichen fehlt]e ton somaton me polu
diesteken. Ueber indische Hunde s. Hist. anim. VIII, 28, 167. und de gener.
anim. II, 7. 118.
36) Derartige Synonyme sind glanos und uaina, latax und kastor, Apus
und Cypselus u. s. w. Die verschiedenen Alterszustände des Thunfisches haben bei
Aristoteles und Plinius verschiedene Namen.

Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
Fähigkeit fruchtbarer Begattung, fehlt bei den Schriftſtellern der claſ-
ſiſchen Zeit. Es werden Begattungen verwandter und nicht verwandter
Thiere angenommen und deren Erzeugniſſe beſchrieben, ohne auch nur
das geringſte Bedenken durchſchimmern zu laſſen, daß außer der zu
verſchiedenen Körpergröße noch ein anderartiges Hinderniß beſtehen
könnte35). So entſpringen z. B. die indiſchen Hunde einer Begattung
des Tigers (nach einer andern Stelle des Ariſtoteles eines hundeähn-
lichen Thieres) mit dem Hunde, der Rhinobatis einer Begattung der
Rhine mit der Batis u. ſ. f.

Eine wiſſenſchaftliche Nomenclatur kannten die Alten ebenſowenig.
Ihre Namengebung war die populäre. Dies wird bewieſen durch das
Vorhandenſein einmal mehrerer Namen in einer und derſelben Sprache
für ein Thier, dann verſchiedener Bezeichnungen für verſchiedne Alters-
zuſtände eines und deſſelben Thieres36). Die Namen werden von
keiner irgendwie ausführlichen Beſchreibung eingeführt, ſondern als
durch den Volksgebrauch bekannt vorausgeſetzt. Die zugehörigen Thiere
können daher nur nach den ſich meiſt an verſchiedenen Stellen finden-
den Angaben über einzelne Eigenſchaften derſelben wiedererkannt wer-
den. Wie ſehr dies die Beſtimmung der Thiere erſchwert, wird noch
ſpäter zu erwähnen ſein. Selbſt bei der Bezeichnung größerer ſyſte-
matiſcher Einheiten verfuhr Ariſtoteles nicht ſtreng nach Grundſätzen.


εἴδη ἓν εἰδος. u. a. Plinius ſpricht z. B. X, 8. 9 von dem genus accipi-
trum
und wenige Blätter ſpäter X, 19. 22 ſagt er nunc de secundo genere di-
camus, quod in duas dividitur species, oscines et alites,
wo jedenfalls die letzt-
erwähnten Species weitere Abtheilungen bezeichnen als das erſtere Genus.
35) Solchen Kreuzungen gegenüber hießen die Individuen einer Art ὁμογενῆ
(ſo bei der Maulthiererzeugung, Hist. anim. VI, 23. 161); der hier zu Grunde
liegende Gedanke wird aber nicht weiter verfolgt. De gener. anim. II, 4. 53 ſagt
Ariſtoteles geradezu: μίγνυται δὲ ὧν ... τὰ μεγέ[ – 1 Zeichen fehlt]η τῶν σωμάτων μὴ πολὺ
διέστηκεν. Ueber indiſche Hunde ſ. Hist. anim. VIII, 28, 167. und de gener.
anim. II, 7. 118.
36) Derartige Synonyme ſind γλάνος und ὕαινα, λάταξ und κάστωρ, Apus
und Cypselus u. ſ. w. Die verſchiedenen Alterszuſtände des Thunfiſches haben bei
Ariſtoteles und Plinius verſchiedene Namen.
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[34/0045] Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums. Fähigkeit fruchtbarer Begattung, fehlt bei den Schriftſtellern der claſ- ſiſchen Zeit. Es werden Begattungen verwandter und nicht verwandter Thiere angenommen und deren Erzeugniſſe beſchrieben, ohne auch nur das geringſte Bedenken durchſchimmern zu laſſen, daß außer der zu verſchiedenen Körpergröße noch ein anderartiges Hinderniß beſtehen könnte 35). So entſpringen z. B. die indiſchen Hunde einer Begattung des Tigers (nach einer andern Stelle des Ariſtoteles eines hundeähn- lichen Thieres) mit dem Hunde, der Rhinobatis einer Begattung der Rhine mit der Batis u. ſ. f. Eine wiſſenſchaftliche Nomenclatur kannten die Alten ebenſowenig. Ihre Namengebung war die populäre. Dies wird bewieſen durch das Vorhandenſein einmal mehrerer Namen in einer und derſelben Sprache für ein Thier, dann verſchiedener Bezeichnungen für verſchiedne Alters- zuſtände eines und deſſelben Thieres 36). Die Namen werden von keiner irgendwie ausführlichen Beſchreibung eingeführt, ſondern als durch den Volksgebrauch bekannt vorausgeſetzt. Die zugehörigen Thiere können daher nur nach den ſich meiſt an verſchiedenen Stellen finden- den Angaben über einzelne Eigenſchaften derſelben wiedererkannt wer- den. Wie ſehr dies die Beſtimmung der Thiere erſchwert, wird noch ſpäter zu erwähnen ſein. Selbſt bei der Bezeichnung größerer ſyſte- matiſcher Einheiten verfuhr Ariſtoteles nicht ſtreng nach Grundſätzen. 34) 35) Solchen Kreuzungen gegenüber hießen die Individuen einer Art ὁμογενῆ (ſo bei der Maulthiererzeugung, Hist. anim. VI, 23. 161); der hier zu Grunde liegende Gedanke wird aber nicht weiter verfolgt. De gener. anim. II, 4. 53 ſagt Ariſtoteles geradezu: μίγνυται δὲ ὧν ... τὰ μεγέ_η τῶν σωμάτων μὴ πολὺ διέστηκεν. Ueber indiſche Hunde ſ. Hist. anim. VIII, 28, 167. und de gener. anim. II, 7. 118. 36) Derartige Synonyme ſind γλάνος und ὕαινα, λάταξ und κάστωρ, Apus und Cypselus u. ſ. w. Die verſchiedenen Alterszuſtände des Thunfiſches haben bei Ariſtoteles und Plinius verſchiedene Namen. 34) εἴδη ἓν εἰδος. u. a. Plinius ſpricht z. B. X, 8. 9 von dem genus accipi- trum und wenige Blätter ſpäter X, 19. 22 ſagt er nunc de secundo genere di- camus, quod in duas dividitur species, oscines et alites, wo jedenfalls die letzt- erwähnten Species weitere Abtheilungen bezeichnen als das erſtere Genus.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/45>, abgerufen am 30.04.2024.