angesichts des Umstandes, daß bei Ray der Unterschied zwischen natür- lichem und künstlichem System noch nicht bewußt auftritt, doch den Gedanken an einen solchen voraussetzen, so könnte man sagen, daß Ray beides zu vereinigen gesucht habe, wenn er z. B. die Walthiere zwar ganz richtig nach ihrer ganzen Organisation zu den Säugethieren zählt, sie aber der äußeren Gestalt, dem Aufenthalte, der Form, ihrer Bewegungswerkzeuge nach den Fischen anreiht, eine Anordnung, welcher Linne selbst noch lange Zeit folgte. Jedenfalls war bei Ray die natürliche Gruppirung, wie sie in seinen "Gattungen" sich zeigt, die in den Vordergrund tretende Aufgabe, welcher er auch wegen der ver- hältnißmäßig noch leichter zu übersehenden Zahl der classificirten For- men noch ziemlich genügen konnte. Kein geringes Verdienst Ray's ist es, daß er definitiv mit der Tradition betreffs der fabelhaften Thiere brach.
Gewissermaßen als Supplemente zu den Schriften Ray's sind die Arbeiten Martin Lister's anzusehen. Dieser Mann, welcher als Anfertiger der ersten geologischen Karte zu rühmen ist, stand mit dem ihm ziemlich gleichaltrigen Ray (er lebte von 1638 bis 1712) in regem freundschaftlichen Verkehr, so daß jener die von diesem vorzugsweise behandelten Classen als wohl versorgt betrachten konnte. Bei der Ein- theilung der Spinnen ist von Lister zum erstenmale die Zahl der Augen in Betracht gezogen worden; zu den achtäugigen rechnet er die meisten Webspinnen, welche er dann weiter nach der Art des Gewebes ein- theilt, zu den zweiäugigen die Opilionen, ein Fehler, in dem ihm zum Theil Linne noch folgte. Lister gibt auch einige ganz leidliche Darstel- lungen einzelner Theile von Spinnen, obschon er einen richtigen Ein- blick in die mit der eigenthümlichen Organisation in Zusammenhang stehende Lebensweise noch nicht vollständig erreichte.
Allgemeiner war die Theilnahme an den durch ihre Hartgebilde mehr zum Sammeln anregenden Mollusken, oder richtiger Schalthie- ren. Auch hier ist Lister an erster Stelle zu nennen, welcher durch zahlreiche Zergliederungen in die Natur der schon seit alten Zeiten für so besonders interessant gehaltenen Thiere tiefer einzudringen suchte. Wie aus dem früher Mitgetheilten hervorgeht, war bisher nur einzelnes
angeſichts des Umſtandes, daß bei Ray der Unterſchied zwiſchen natür- lichem und künſtlichem Syſtem noch nicht bewußt auftritt, doch den Gedanken an einen ſolchen vorausſetzen, ſo könnte man ſagen, daß Ray beides zu vereinigen geſucht habe, wenn er z. B. die Walthiere zwar ganz richtig nach ihrer ganzen Organiſation zu den Säugethieren zählt, ſie aber der äußeren Geſtalt, dem Aufenthalte, der Form, ihrer Bewegungswerkzeuge nach den Fiſchen anreiht, eine Anordnung, welcher Linné ſelbſt noch lange Zeit folgte. Jedenfalls war bei Ray die natürliche Gruppirung, wie ſie in ſeinen „Gattungen“ ſich zeigt, die in den Vordergrund tretende Aufgabe, welcher er auch wegen der ver- hältnißmäßig noch leichter zu überſehenden Zahl der claſſificirten For- men noch ziemlich genügen konnte. Kein geringes Verdienſt Ray's iſt es, daß er definitiv mit der Tradition betreffs der fabelhaften Thiere brach.
Gewiſſermaßen als Supplemente zu den Schriften Ray's ſind die Arbeiten Martin Liſter's anzuſehen. Dieſer Mann, welcher als Anfertiger der erſten geologiſchen Karte zu rühmen iſt, ſtand mit dem ihm ziemlich gleichaltrigen Ray (er lebte von 1638 bis 1712) in regem freundſchaftlichen Verkehr, ſo daß jener die von dieſem vorzugsweiſe behandelten Claſſen als wohl verſorgt betrachten konnte. Bei der Ein- theilung der Spinnen iſt von Liſter zum erſtenmale die Zahl der Augen in Betracht gezogen worden; zu den achtäugigen rechnet er die meiſten Webſpinnen, welche er dann weiter nach der Art des Gewebes ein- theilt, zu den zweiäugigen die Opilionen, ein Fehler, in dem ihm zum Theil Linné noch folgte. Liſter gibt auch einige ganz leidliche Darſtel- lungen einzelner Theile von Spinnen, obſchon er einen richtigen Ein- blick in die mit der eigenthümlichen Organiſation in Zuſammenhang ſtehende Lebensweiſe noch nicht vollſtändig erreichte.
Allgemeiner war die Theilnahme an den durch ihre Hartgebilde mehr zum Sammeln anregenden Mollusken, oder richtiger Schalthie- ren. Auch hier iſt Liſter an erſter Stelle zu nennen, welcher durch zahlreiche Zergliederungen in die Natur der ſchon ſeit alten Zeiten für ſo beſonders intereſſant gehaltenen Thiere tiefer einzudringen ſuchte. Wie aus dem früher Mitgetheilten hervorgeht, war bisher nur einzelnes
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0458"n="447"/><fwplace="top"type="header"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">John Ray</persName>. —<persNameref="http://d-nb.info/gnd/117676179">Martin Liſter</persName>.</fw><lb/>
angeſichts des Umſtandes, daß bei <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName> der Unterſchied zwiſchen natür-<lb/>
lichem und künſtlichem Syſtem noch nicht bewußt auftritt, doch den<lb/>
Gedanken an einen ſolchen vorausſetzen, ſo könnte man ſagen, daß<lb/><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName> beides zu vereinigen geſucht habe, wenn er z. B. die Walthiere<lb/>
zwar ganz richtig nach ihrer ganzen Organiſation zu den Säugethieren<lb/>
zählt, ſie aber der äußeren Geſtalt, dem Aufenthalte, der Form, ihrer<lb/>
Bewegungswerkzeuge nach den Fiſchen anreiht, eine Anordnung,<lb/>
welcher <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName>ſelbſt noch lange Zeit folgte. Jedenfalls war bei <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName><lb/>
die natürliche Gruppirung, wie ſie in ſeinen „Gattungen“ſich zeigt, die<lb/>
in den Vordergrund tretende Aufgabe, welcher er auch wegen der ver-<lb/>
hältnißmäßig noch leichter zu überſehenden Zahl der claſſificirten For-<lb/>
men noch ziemlich genügen konnte. Kein geringes Verdienſt <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName>'s iſt<lb/>
es, daß er definitiv mit der Tradition betreffs der fabelhaften Thiere<lb/>
brach.</p><lb/><p>Gewiſſermaßen als Supplemente zu den Schriften <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName>'s ſind die<lb/>
Arbeiten <hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/117676179">Martin Liſter</persName></hi>'s anzuſehen. Dieſer Mann, welcher als<lb/>
Anfertiger der erſten geologiſchen Karte zu rühmen iſt, ſtand mit dem<lb/>
ihm ziemlich gleichaltrigen <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName> (er lebte von 1638 bis 1712) in regem<lb/>
freundſchaftlichen Verkehr, ſo daß jener die von dieſem vorzugsweiſe<lb/>
behandelten Claſſen als wohl verſorgt betrachten konnte. Bei der Ein-<lb/>
theilung der Spinnen iſt von <persNameref="http://d-nb.info/gnd/117676179">Liſter</persName> zum erſtenmale die Zahl der Augen<lb/>
in Betracht gezogen worden; zu den achtäugigen rechnet er die meiſten<lb/>
Webſpinnen, welche er dann weiter nach der Art des Gewebes ein-<lb/>
theilt, zu den zweiäugigen die Opilionen, ein Fehler, in dem ihm zum<lb/>
Theil <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName> noch folgte. <persNameref="http://d-nb.info/gnd/117676179">Liſter</persName> gibt auch einige ganz leidliche Darſtel-<lb/>
lungen einzelner Theile von Spinnen, obſchon er einen richtigen Ein-<lb/>
blick in die mit der eigenthümlichen Organiſation in Zuſammenhang<lb/>ſtehende Lebensweiſe noch nicht vollſtändig erreichte.</p><lb/><p>Allgemeiner war die Theilnahme an den durch ihre Hartgebilde<lb/>
mehr zum Sammeln anregenden Mollusken, oder richtiger Schalthie-<lb/>
ren. Auch hier iſt <hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/117676179">Liſter</persName></hi> an erſter Stelle zu nennen, welcher durch<lb/>
zahlreiche Zergliederungen in die Natur der ſchon ſeit alten Zeiten für<lb/>ſo beſonders intereſſant gehaltenen Thiere tiefer einzudringen ſuchte.<lb/>
Wie aus dem früher Mitgetheilten hervorgeht, war bisher nur einzelnes<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[447/0458]
John Ray. — Martin Liſter.
angeſichts des Umſtandes, daß bei Ray der Unterſchied zwiſchen natür-
lichem und künſtlichem Syſtem noch nicht bewußt auftritt, doch den
Gedanken an einen ſolchen vorausſetzen, ſo könnte man ſagen, daß
Ray beides zu vereinigen geſucht habe, wenn er z. B. die Walthiere
zwar ganz richtig nach ihrer ganzen Organiſation zu den Säugethieren
zählt, ſie aber der äußeren Geſtalt, dem Aufenthalte, der Form, ihrer
Bewegungswerkzeuge nach den Fiſchen anreiht, eine Anordnung,
welcher Linné ſelbſt noch lange Zeit folgte. Jedenfalls war bei Ray
die natürliche Gruppirung, wie ſie in ſeinen „Gattungen“ ſich zeigt, die
in den Vordergrund tretende Aufgabe, welcher er auch wegen der ver-
hältnißmäßig noch leichter zu überſehenden Zahl der claſſificirten For-
men noch ziemlich genügen konnte. Kein geringes Verdienſt Ray's iſt
es, daß er definitiv mit der Tradition betreffs der fabelhaften Thiere
brach.
Gewiſſermaßen als Supplemente zu den Schriften Ray's ſind die
Arbeiten Martin Liſter's anzuſehen. Dieſer Mann, welcher als
Anfertiger der erſten geologiſchen Karte zu rühmen iſt, ſtand mit dem
ihm ziemlich gleichaltrigen Ray (er lebte von 1638 bis 1712) in regem
freundſchaftlichen Verkehr, ſo daß jener die von dieſem vorzugsweiſe
behandelten Claſſen als wohl verſorgt betrachten konnte. Bei der Ein-
theilung der Spinnen iſt von Liſter zum erſtenmale die Zahl der Augen
in Betracht gezogen worden; zu den achtäugigen rechnet er die meiſten
Webſpinnen, welche er dann weiter nach der Art des Gewebes ein-
theilt, zu den zweiäugigen die Opilionen, ein Fehler, in dem ihm zum
Theil Linné noch folgte. Liſter gibt auch einige ganz leidliche Darſtel-
lungen einzelner Theile von Spinnen, obſchon er einen richtigen Ein-
blick in die mit der eigenthümlichen Organiſation in Zuſammenhang
ſtehende Lebensweiſe noch nicht vollſtändig erreichte.
Allgemeiner war die Theilnahme an den durch ihre Hartgebilde
mehr zum Sammeln anregenden Mollusken, oder richtiger Schalthie-
ren. Auch hier iſt Liſter an erſter Stelle zu nennen, welcher durch
zahlreiche Zergliederungen in die Natur der ſchon ſeit alten Zeiten für
ſo beſonders intereſſant gehaltenen Thiere tiefer einzudringen ſuchte.
Wie aus dem früher Mitgetheilten hervorgeht, war bisher nur einzelnes
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/458>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.