Schwingkölbchen der Zweiflügler, für welche er den Ausdruck Halteres aufstellte, erklärte er schon richtig für Rudimente der Hinterflügel. -- Die Flügellosen mußten bei Nichtberücksichtigung des gesammten Baues natürlich die verschiedenartigsten Formen umfassen. Schon bei der ersten Aufzählung legte Linne das größte Gewicht auf die Zahl der Füße; er begann mit den sechsfüßigen, Laus, Floh, Podura, denen er dann die achtfüßigen Arachniden, nur unter ihren Gattungsnamen Aca- rus, (später noch Phalangium), Aranea und Scorpio folgen ließ. Mit diesen vereinigte er von der zehnten Ausgabe an diejenigen mehr- füßigen Insecten, deren Kopf und Thorax verbunden sind, die sämmt- lichen Crustaceen unter den Gattungen Cancer, Monoculus und Oniscus (vierzehnfüßig). Den Beschluß machten die mehrfüßigen In- secten mit vom Kopf getrenntem Thorax, die Myriapodengruppen Sco- lopendra und Julus.
Am buntesten gehen im Natursystem Linne's die Formen seiner letzten großen Classe, der "Würmer", durcheinander, welche den Ein- druck macht, als sei sie zum gemeinsamen Ablagerungsort für alle nicht genügend bekannten Thiere bestimmt. Hier steht Linne auch entschieden hinter Aristoteles und seinem Erneuerer Wotton zurück. Freilich macht er selbst die Bemerkung, daß hier die Wissenschaft noch in der Wiege sich befinde, von der säugenden Mutter entfernt. Doch hätte er durch einfache Annahme der Aristotelischen Abtheilungen der Weichthiere, Malakostraken und Ostrakodermen Gruppen erhalten, welche natürlich umgrenzt waren und auf welche er dann die minder bekannten niederen Formen mit ungleich geringerer Verwirrung hätte folgen lassen können, als in den von ihm geschaffenen Ordnungen. Von diesen entspricht nur die Ordnung der Testacea einer älteren, den Ostrakodermen des Ari- stoteles. Innerhalb derselben zählt Linne in der ersten Ausgabe des Natursystems acht Gattungen auf, ohne weitere neue Gattungen zu bilden, nämlich Cochlea, welche alle mit spiralgewundenem Gehäuse versehene Formen umfaßt, außer den beiden besonders aufgezählten Argonauta und Cypraea (das Thier von Argonauta erwähnt er nicht); dann folgen die nicht gewundenen, einschaligen Gattungen Haliotis, Patella und Dentalium, sämmtliche zweischalige Muscheln unter der Gattung
Schwingkölbchen der Zweiflügler, für welche er den Ausdruck Halteres aufſtellte, erklärte er ſchon richtig für Rudimente der Hinterflügel. — Die Flügelloſen mußten bei Nichtberückſichtigung des geſammten Baues natürlich die verſchiedenartigſten Formen umfaſſen. Schon bei der erſten Aufzählung legte Linné das größte Gewicht auf die Zahl der Füße; er begann mit den ſechsfüßigen, Laus, Floh, Podura, denen er dann die achtfüßigen Arachniden, nur unter ihren Gattungsnamen Aca- rus, (ſpäter noch Phalangium), Aranea und Scorpio folgen ließ. Mit dieſen vereinigte er von der zehnten Ausgabe an diejenigen mehr- füßigen Inſecten, deren Kopf und Thorax verbunden ſind, die ſämmt- lichen Cruſtaceen unter den Gattungen Cancer, Monoculus und Oniscus (vierzehnfüßig). Den Beſchluß machten die mehrfüßigen In- ſecten mit vom Kopf getrenntem Thorax, die Myriapodengruppen Sco- lopendra und Julus.
Am bunteſten gehen im Naturſyſtem Linné's die Formen ſeiner letzten großen Claſſe, der „Würmer“, durcheinander, welche den Ein- druck macht, als ſei ſie zum gemeinſamen Ablagerungsort für alle nicht genügend bekannten Thiere beſtimmt. Hier ſteht Linné auch entſchieden hinter Ariſtoteles und ſeinem Erneuerer Wotton zurück. Freilich macht er ſelbſt die Bemerkung, daß hier die Wiſſenſchaft noch in der Wiege ſich befinde, von der ſäugenden Mutter entfernt. Doch hätte er durch einfache Annahme der Ariſtoteliſchen Abtheilungen der Weichthiere, Malakoſtraken und Oſtrakodermen Gruppen erhalten, welche natürlich umgrenzt waren und auf welche er dann die minder bekannten niederen Formen mit ungleich geringerer Verwirrung hätte folgen laſſen können, als in den von ihm geſchaffenen Ordnungen. Von dieſen entſpricht nur die Ordnung der Testacea einer älteren, den Oſtrakodermen des Ari- ſtoteles. Innerhalb derſelben zählt Linné in der erſten Ausgabe des Naturſyſtems acht Gattungen auf, ohne weitere neue Gattungen zu bilden, nämlich Cochlea, welche alle mit ſpiralgewundenem Gehäuſe verſehene Formen umfaßt, außer den beiden beſonders aufgezählten Argonauta und Cypraea (das Thier von Argonauta erwähnt er nicht); dann folgen die nicht gewundenen, einſchaligen Gattungen Haliotis, Patella und Dentalium, ſämmtliche zweiſchalige Muſcheln unter der Gattung
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[513/0524]
Carl von Linné.
Schwingkölbchen der Zweiflügler, für welche er den Ausdruck Halteres
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Die Flügelloſen mußten bei Nichtberückſichtigung des geſammten
Baues natürlich die verſchiedenartigſten Formen umfaſſen. Schon bei
der erſten Aufzählung legte Linné das größte Gewicht auf die Zahl der
Füße; er begann mit den ſechsfüßigen, Laus, Floh, Podura, denen er
dann die achtfüßigen Arachniden, nur unter ihren Gattungsnamen Aca-
rus, (ſpäter noch Phalangium), Aranea und Scorpio folgen ließ.
Mit dieſen vereinigte er von der zehnten Ausgabe an diejenigen mehr-
füßigen Inſecten, deren Kopf und Thorax verbunden ſind, die ſämmt-
lichen Cruſtaceen unter den Gattungen Cancer, Monoculus und
Oniscus (vierzehnfüßig). Den Beſchluß machten die mehrfüßigen In-
ſecten mit vom Kopf getrenntem Thorax, die Myriapodengruppen Sco-
lopendra und Julus.
Am bunteſten gehen im Naturſyſtem Linné's die Formen ſeiner
letzten großen Claſſe, der „Würmer“, durcheinander, welche den Ein-
druck macht, als ſei ſie zum gemeinſamen Ablagerungsort für alle nicht
genügend bekannten Thiere beſtimmt. Hier ſteht Linné auch entſchieden
hinter Ariſtoteles und ſeinem Erneuerer Wotton zurück. Freilich macht
er ſelbſt die Bemerkung, daß hier die Wiſſenſchaft noch in der Wiege
ſich befinde, von der ſäugenden Mutter entfernt. Doch hätte er durch
einfache Annahme der Ariſtoteliſchen Abtheilungen der Weichthiere,
Malakoſtraken und Oſtrakodermen Gruppen erhalten, welche natürlich
umgrenzt waren und auf welche er dann die minder bekannten niederen
Formen mit ungleich geringerer Verwirrung hätte folgen laſſen können,
als in den von ihm geſchaffenen Ordnungen. Von dieſen entſpricht nur
die Ordnung der Testacea einer älteren, den Oſtrakodermen des Ari-
ſtoteles. Innerhalb derſelben zählt Linné in der erſten Ausgabe des
Naturſyſtems acht Gattungen auf, ohne weitere neue Gattungen zu bilden,
nämlich Cochlea, welche alle mit ſpiralgewundenem Gehäuſe verſehene
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und Cypraea (das Thier von Argonauta erwähnt er nicht);
dann
folgen die nicht gewundenen, einſchaligen Gattungen Haliotis, Patella
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V. Carus, Geſch. d. Zool. 33
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/524>, abgerufen am 22.11.2024.
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