Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Periode der Systematik. der Erde anzuführen, ist hier nicht der Ort. Naheliegender ist seineAnnahme einer allgemeinen organischen Materie, welche in unendlich kleine organische Molekule vertheilt, beständig nach Organisation strebt. Stellen sich dieser Neigung hindernde Umstände entgegen, so bilden jene unzerstörbaren und unveränderlichen Molekule nur solche mikro- skopische Organismen, wie die von Leeuwenhoek entdeckten Samenthiere und Infusorien. Zur Bildung höherer Thiere treten die Molekule zu- sammen und ordnen sich in den dazu bestimmten Organen nach einer von Buffon mit dem Namen einer innern Form (moule interieur) belegten Kraft zum neuen Individuum. Die Arten galten ihm früher für unveränderlich; später nahm er jedoch die Möglichkeit einer Um- wandlung an, wobei die Temperatur, das Klima, die Qualität der Nahrung und die Domestication wirksame Ursachen sein sollten. Bei der Ernährung bilden sich neue organische Molekule, welche später dann die Entwickelung der Theile bestimmen, in denen sie entstanden sind54). Durch derartige Ansichten wurde Buffon auch veranlaßt, das Ver- hältniß der beiden organischen Naturreiche zu einander zu bestimmen. Von einem allgemeinen Standpunkte aus soll nach ihm kein wesentlicher Unterschied zwischen Thieren und Pflanzen bestehn, d. h. in beiden sind die eigentlichen Träger des Lebens jene organischen Molekule; was aber das Einzelne betrifft, so erklärt er doch ausdrücklich, daß ohne Ver- dauungs-, Circulations- und Generationsorgane ein Thier aufhören würde, Thier zu sein. Buffon wurde aber ferner besonders durch die ihm von Daubenton gebotenen Einzelnheiten zum wirklichen Vergleichen veranlaßt und macht zum erstenmale von einem weiteren Gesichtspunkte aus auf die vielen und großen Uebereinstimmungen aufmerksam, welche sämmtliche Thiere zeigen. Freilich geht er hier viel zu weit, verwechselt auch im Eifer der Darstellung die Maßstäbe der Vergleichung, indem er einmal die Form, ein andermal die Leistung zu Grunde legt, weist 54) Nicht ohne Interesse ist es, daß Buffon's Hypothese in dem letzterwähnten
Punkte einen Gedanken enthält, welcher in einer ziemlich ähnlichen Form in einer neuerlichst zur Erklärung der Erblichkeitserscheinungen aufgestellten Hypothese auf- tritt. Der Gegenstand gehört indessen wesentlich in das Gebiet der Physiologie, weshalb hier nicht näher darauf eingegangen werden kann. Periode der Syſtematik. der Erde anzuführen, iſt hier nicht der Ort. Naheliegender iſt ſeineAnnahme einer allgemeinen organiſchen Materie, welche in unendlich kleine organiſche Molekule vertheilt, beſtändig nach Organiſation ſtrebt. Stellen ſich dieſer Neigung hindernde Umſtände entgegen, ſo bilden jene unzerſtörbaren und unveränderlichen Molekule nur ſolche mikro- ſkopiſche Organismen, wie die von Leeuwenhoek entdeckten Samenthiere und Infuſorien. Zur Bildung höherer Thiere treten die Molekule zu- ſammen und ordnen ſich in den dazu beſtimmten Organen nach einer von Buffon mit dem Namen einer innern Form (moule intérieur) belegten Kraft zum neuen Individuum. Die Arten galten ihm früher für unveränderlich; ſpäter nahm er jedoch die Möglichkeit einer Um- wandlung an, wobei die Temperatur, das Klima, die Qualität der Nahrung und die Domeſtication wirkſame Urſachen ſein ſollten. Bei der Ernährung bilden ſich neue organiſche Molekule, welche ſpäter dann die Entwickelung der Theile beſtimmen, in denen ſie entſtanden ſind54). Durch derartige Anſichten wurde Buffon auch veranlaßt, das Ver- hältniß der beiden organiſchen Naturreiche zu einander zu beſtimmen. Von einem allgemeinen Standpunkte aus ſoll nach ihm kein weſentlicher Unterſchied zwiſchen Thieren und Pflanzen beſtehn, d. h. in beiden ſind die eigentlichen Träger des Lebens jene organiſchen Molekule; was aber das Einzelne betrifft, ſo erklärt er doch ausdrücklich, daß ohne Ver- dauungs-, Circulations- und Generationsorgane ein Thier aufhören würde, Thier zu ſein. Buffon wurde aber ferner beſonders durch die ihm von Daubenton gebotenen Einzelnheiten zum wirklichen Vergleichen veranlaßt und macht zum erſtenmale von einem weiteren Geſichtspunkte aus auf die vielen und großen Uebereinſtimmungen aufmerkſam, welche ſämmtliche Thiere zeigen. Freilich geht er hier viel zu weit, verwechſelt auch im Eifer der Darſtellung die Maßſtäbe der Vergleichung, indem er einmal die Form, ein andermal die Leiſtung zu Grunde legt, weiſt 54) Nicht ohne Intereſſe iſt es, daß Buffon's Hypotheſe in dem letzterwähnten
Punkte einen Gedanken enthält, welcher in einer ziemlich ähnlichen Form in einer neuerlichſt zur Erklärung der Erblichkeitserſcheinungen aufgeſtellten Hypotheſe auf- tritt. Der Gegenſtand gehört indeſſen weſentlich in das Gebiet der Phyſiologie, weshalb hier nicht näher darauf eingegangen werden kann. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0535" n="524"/><fw place="top" type="header">Periode der Syſtematik.</fw><lb/> der Erde anzuführen, iſt hier nicht der Ort. Naheliegender iſt ſeine<lb/> Annahme einer allgemeinen organiſchen Materie, welche in unendlich<lb/> kleine organiſche Molekule vertheilt, beſtändig nach Organiſation ſtrebt.<lb/> Stellen ſich dieſer Neigung hindernde Umſtände entgegen, ſo bilden<lb/> jene unzerſtörbaren und unveränderlichen Molekule nur ſolche mikro-<lb/> ſkopiſche Organismen, wie die von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119188279">Leeuwenhoek</persName> entdeckten Samenthiere<lb/> und Infuſorien. Zur Bildung höherer Thiere treten die Molekule zu-<lb/> ſammen und ordnen ſich in den dazu beſtimmten Organen nach einer<lb/> von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118517252">Buffon</persName> mit dem Namen einer innern Form (<hi rendition="#aq">moule intérieur</hi>)<lb/> belegten Kraft zum neuen Individuum. Die Arten galten ihm früher<lb/> für unveränderlich; ſpäter nahm er jedoch die Möglichkeit einer Um-<lb/> wandlung an, wobei die Temperatur, das Klima, die Qualität der<lb/> Nahrung und die Domeſtication wirkſame Urſachen ſein ſollten. Bei<lb/> der Ernährung bilden ſich neue organiſche Molekule, welche ſpäter dann<lb/> die Entwickelung der Theile beſtimmen, in denen ſie entſtanden ſind<note place="foot" n="54)">Nicht ohne Intereſſe iſt es, daß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118517252">Buffon</persName>'s Hypotheſe in dem letzterwähnten<lb/> Punkte einen Gedanken enthält, welcher in einer ziemlich ähnlichen Form in einer<lb/> neuerlichſt zur Erklärung der Erblichkeitserſcheinungen aufgeſtellten Hypotheſe auf-<lb/> tritt. Der Gegenſtand gehört indeſſen weſentlich in das Gebiet der Phyſiologie,<lb/> weshalb hier nicht näher darauf eingegangen werden kann.</note>.<lb/> Durch derartige Anſichten wurde <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118517252">Buffon</persName> auch veranlaßt, das Ver-<lb/> hältniß der beiden organiſchen Naturreiche zu einander zu beſtimmen.<lb/> Von einem allgemeinen Standpunkte aus ſoll nach ihm kein weſentlicher<lb/> Unterſchied zwiſchen Thieren und Pflanzen beſtehn, d. h. in beiden ſind<lb/> die eigentlichen Träger des Lebens jene organiſchen Molekule; was aber<lb/> das Einzelne betrifft, ſo erklärt er doch ausdrücklich, daß ohne Ver-<lb/> dauungs-, Circulations- und Generationsorgane ein Thier aufhören<lb/> würde, Thier zu ſein. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118517252">Buffon</persName> wurde aber ferner beſonders durch die<lb/> ihm von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/100102042">Daubenton</persName> gebotenen Einzelnheiten zum wirklichen Vergleichen<lb/> veranlaßt und macht zum erſtenmale von einem weiteren Geſichtspunkte<lb/> aus auf die vielen und großen Uebereinſtimmungen aufmerkſam, welche<lb/> ſämmtliche Thiere zeigen. Freilich geht er hier viel zu weit, verwechſelt<lb/> auch im Eifer der Darſtellung die Maßſtäbe der Vergleichung, indem<lb/> er einmal die Form, ein andermal die Leiſtung zu Grunde legt, weiſt<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [524/0535]
Periode der Syſtematik.
der Erde anzuführen, iſt hier nicht der Ort. Naheliegender iſt ſeine
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kleine organiſche Molekule vertheilt, beſtändig nach Organiſation ſtrebt.
Stellen ſich dieſer Neigung hindernde Umſtände entgegen, ſo bilden
jene unzerſtörbaren und unveränderlichen Molekule nur ſolche mikro-
ſkopiſche Organismen, wie die von Leeuwenhoek entdeckten Samenthiere
und Infuſorien. Zur Bildung höherer Thiere treten die Molekule zu-
ſammen und ordnen ſich in den dazu beſtimmten Organen nach einer
von Buffon mit dem Namen einer innern Form (moule intérieur)
belegten Kraft zum neuen Individuum. Die Arten galten ihm früher
für unveränderlich; ſpäter nahm er jedoch die Möglichkeit einer Um-
wandlung an, wobei die Temperatur, das Klima, die Qualität der
Nahrung und die Domeſtication wirkſame Urſachen ſein ſollten. Bei
der Ernährung bilden ſich neue organiſche Molekule, welche ſpäter dann
die Entwickelung der Theile beſtimmen, in denen ſie entſtanden ſind 54).
Durch derartige Anſichten wurde Buffon auch veranlaßt, das Ver-
hältniß der beiden organiſchen Naturreiche zu einander zu beſtimmen.
Von einem allgemeinen Standpunkte aus ſoll nach ihm kein weſentlicher
Unterſchied zwiſchen Thieren und Pflanzen beſtehn, d. h. in beiden ſind
die eigentlichen Träger des Lebens jene organiſchen Molekule; was aber
das Einzelne betrifft, ſo erklärt er doch ausdrücklich, daß ohne Ver-
dauungs-, Circulations- und Generationsorgane ein Thier aufhören
würde, Thier zu ſein. Buffon wurde aber ferner beſonders durch die
ihm von Daubenton gebotenen Einzelnheiten zum wirklichen Vergleichen
veranlaßt und macht zum erſtenmale von einem weiteren Geſichtspunkte
aus auf die vielen und großen Uebereinſtimmungen aufmerkſam, welche
ſämmtliche Thiere zeigen. Freilich geht er hier viel zu weit, verwechſelt
auch im Eifer der Darſtellung die Maßſtäbe der Vergleichung, indem
er einmal die Form, ein andermal die Leiſtung zu Grunde legt, weiſt
54) Nicht ohne Intereſſe iſt es, daß Buffon's Hypotheſe in dem letzterwähnten
Punkte einen Gedanken enthält, welcher in einer ziemlich ähnlichen Form in einer
neuerlichſt zur Erklärung der Erblichkeitserſcheinungen aufgeſtellten Hypotheſe auf-
tritt. Der Gegenſtand gehört indeſſen weſentlich in das Gebiet der Phyſiologie,
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