Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

Periode der Morphologie.
hatte. Hier wurde ihm Gelegenheit, den Grund zu seinen späteren
wichtigen Arbeiten zu legen, indem einerseits fossile Terebrateln ihm
den Gedanken eingaben, die fossilen Arten mit den lebenden zu ver-
gleichen, während andrerseits das nahe Meer ihm Cephalopoden und
marine Formen von Schnecken darbot, durch deren anatomische Un-
tersuchung er zum erstenmale auf den Plan geführt wurde, die Linne'-
schen Würmer aufzulösen. Im Jahre 1794 veranlaßte ihn der Abbe
Tessier, welcher sich während der Schreckensherrschaft nach Fecamp
ge-
flüchtet und die Stelle des Chefarztes eines Militairhospitals über-
nommen hatte, seinen jungen Aerzten einen Cursus über Botanik zu
geben. Dieser fiel so vorzüglich aus, daß Tessier den jungen Cuvier
seinen Pariser Freunden empfahl, auch Cuvier selbst aufforderte, einige
seiner Arbeiten an Geoffroy, Olivier (welcher ein naturgeschichtliches
Journal gegründet hatte) u. A. zu senden, und schon damals aussprach,
man könne keinen besseren Professor der vergleichenden Anatomie
finden (an Stelle des alten Mertrud, dessen Vertretung in Aussicht
genommen war). Besonders auf Geoffroy's Einladung entschloß sich
Cuvier 1794 nach Paris zu gehn, aber, weil er noch kein Vertrauen
auf eine neue Laufbahn setzte, noch in Begleitung seines jungen Zög-
lings. Aber schon 1795 löste er das Verhältniß zu diesem. Und nun,
nach Aufgabe einer vorübergehenden Anstellung bei der Commission
der Künste, als er zum Professor der Naturgeschichte an den Central-
schulen ernannt worden war, öffnete sich ihm sein eigentliches Gebiet
dadurch, daß Mertrud ihn zu seinem Stellvertreter vorschlug, als wel-
cher er am 2. Juli bestätigt wurde. Ende desselben Jahres wurde er
Mitglied des Instituts, 1800 Professor der Naturgeschichte am College
de France, 1802 nach Mertrud's Tode Professor der vergleichenden
Anatomie am Pflanzengarten und 1803 beständiger Secretair der Aka-
demie der Wissenschaften, wogegen er die Thätigkeit als Commissar des
öffentlichen Unterrichts aufgab. Doch führte ihn im Jahre 1808 die
neue Organisation des öffentlichen Unterrichts wieder in die Verwaltung,
nachdem er im Frühjahre desselben Jahres seinen Bericht über die Fort-
schritte der Wissenschaften dem Kaiser überreicht hatte. 1814 wurde
er Staatsrath, 1819 Abtheilungspräsident im Ministerium des Innern,

Periode der Morphologie.
hatte. Hier wurde ihm Gelegenheit, den Grund zu ſeinen ſpäteren
wichtigen Arbeiten zu legen, indem einerſeits foſſile Terebrateln ihm
den Gedanken eingaben, die foſſilen Arten mit den lebenden zu ver-
gleichen, während andrerſeits das nahe Meer ihm Cephalopoden und
marine Formen von Schnecken darbot, durch deren anatomiſche Un-
terſuchung er zum erſtenmale auf den Plan geführt wurde, die Linné'-
ſchen Würmer aufzulöſen. Im Jahre 1794 veranlaßte ihn der Abbé
Teſſier, welcher ſich während der Schreckensherrſchaft nach Fécamp
ge-
flüchtet und die Stelle des Chefarztes eines Militairhospitals über-
nommen hatte, ſeinen jungen Aerzten einen Curſus über Botanik zu
geben. Dieſer fiel ſo vorzüglich aus, daß Teſſier den jungen Cuvier
ſeinen Pariſer Freunden empfahl, auch Cuvier ſelbſt aufforderte, einige
ſeiner Arbeiten an Geoffroy, Olivier (welcher ein naturgeſchichtliches
Journal gegründet hatte) u. A. zu ſenden, und ſchon damals ausſprach,
man könne keinen beſſeren Profeſſor der vergleichenden Anatomie
finden (an Stelle des alten Mertrud, deſſen Vertretung in Ausſicht
genommen war). Beſonders auf Geoffroy's Einladung entſchloß ſich
Cuvier 1794 nach Paris zu gehn, aber, weil er noch kein Vertrauen
auf eine neue Laufbahn ſetzte, noch in Begleitung ſeines jungen Zög-
lings. Aber ſchon 1795 löſte er das Verhältniß zu dieſem. Und nun,
nach Aufgabe einer vorübergehenden Anſtellung bei der Commiſſion
der Künſte, als er zum Profeſſor der Naturgeſchichte an den Central-
ſchulen ernannt worden war, öffnete ſich ihm ſein eigentliches Gebiet
dadurch, daß Mertrud ihn zu ſeinem Stellvertreter vorſchlug, als wel-
cher er am 2. Juli beſtätigt wurde. Ende deſſelben Jahres wurde er
Mitglied des Inſtituts, 1800 Profeſſor der Naturgeſchichte am Collège
de France, 1802 nach Mertrud's Tode Profeſſor der vergleichenden
Anatomie am Pflanzengarten und 1803 beſtändiger Secretair der Aka-
demie der Wiſſenſchaften, wogegen er die Thätigkeit als Commiſſar des
öffentlichen Unterrichts aufgab. Doch führte ihn im Jahre 1808 die
neue Organiſation des öffentlichen Unterrichts wieder in die Verwaltung,
nachdem er im Frühjahre deſſelben Jahres ſeinen Bericht über die Fort-
ſchritte der Wiſſenſchaften dem Kaiſer überreicht hatte. 1814 wurde
er Staatsrath, 1819 Abtheilungspräſident im Miniſterium des Innern,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0609" n="598"/><fw place="top" type="header">Periode der Morphologie.</fw><lb/>
hatte. Hier wurde ihm Gelegenheit, den Grund zu &#x017F;einen &#x017F;päteren<lb/>
wichtigen Arbeiten zu legen, indem einer&#x017F;eits fo&#x017F;&#x017F;ile Terebrateln ihm<lb/>
den Gedanken eingaben, die fo&#x017F;&#x017F;ilen Arten mit den lebenden zu ver-<lb/>
gleichen, während andrer&#x017F;eits das nahe Meer ihm Cephalopoden und<lb/>
marine Formen von Schnecken darbot, durch deren anatomi&#x017F;che Un-<lb/>
ter&#x017F;uchung er zum er&#x017F;tenmale auf den Plan geführt wurde, die <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName>'-<lb/>
&#x017F;chen Würmer aufzulö&#x017F;en. Im Jahre 1794 veranlaßte ihn der Abbé<lb/>
Te&#x017F;&#x017F;ier, welcher &#x017F;ich während der Schreckensherr&#x017F;chaft nach Fécamp<lb/>
ge-<lb/>
flüchtet und die Stelle des Chefarztes eines Militairhospitals über-<lb/>
nommen hatte, &#x017F;einen jungen Aerzten einen Cur&#x017F;us über Botanik zu<lb/>
geben. Die&#x017F;er fiel &#x017F;o vorzüglich aus, daß Te&#x017F;&#x017F;ier den jungen <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118677578">Cuvier</persName><lb/>
&#x017F;einen Pari&#x017F;er Freunden empfahl, auch <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118677578">Cuvier</persName> &#x017F;elb&#x017F;t aufforderte, einige<lb/>
&#x017F;einer Arbeiten an <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118690426">Geoffroy</persName>, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117594245">Olivier</persName> (welcher ein naturge&#x017F;chichtliches<lb/>
Journal gegründet hatte) u. A. zu &#x017F;enden, und &#x017F;chon damals aus&#x017F;prach,<lb/>
man könne keinen be&#x017F;&#x017F;eren Profe&#x017F;&#x017F;or der vergleichenden Anatomie<lb/>
finden (an Stelle des alten Mertrud, de&#x017F;&#x017F;en Vertretung in Aus&#x017F;icht<lb/>
genommen war). Be&#x017F;onders auf <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118690426">Geoffroy</persName>'s Einladung ent&#x017F;chloß &#x017F;ich<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118677578">Cuvier</persName> 1794 nach Paris zu gehn, aber, weil er noch kein Vertrauen<lb/>
auf eine neue Laufbahn &#x017F;etzte, noch in Begleitung &#x017F;eines jungen Zög-<lb/>
lings. Aber &#x017F;chon 1795 lö&#x017F;te er das Verhältniß zu die&#x017F;em. Und nun,<lb/>
nach Aufgabe einer vorübergehenden An&#x017F;tellung bei der Commi&#x017F;&#x017F;ion<lb/>
der Kün&#x017F;te, als er zum Profe&#x017F;&#x017F;or der Naturge&#x017F;chichte an den Central-<lb/>
&#x017F;chulen ernannt worden war, öffnete &#x017F;ich ihm &#x017F;ein eigentliches Gebiet<lb/>
dadurch, daß Mertrud ihn zu &#x017F;einem Stellvertreter vor&#x017F;chlug, als wel-<lb/>
cher er am 2. Juli be&#x017F;tätigt wurde. Ende de&#x017F;&#x017F;elben Jahres wurde er<lb/>
Mitglied des In&#x017F;tituts, 1800 Profe&#x017F;&#x017F;or der Naturge&#x017F;chichte am Collège<lb/>
de France, 1802 nach Mertrud's Tode Profe&#x017F;&#x017F;or der vergleichenden<lb/>
Anatomie am Pflanzengarten und 1803 be&#x017F;tändiger Secretair der Aka-<lb/>
demie der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, wogegen er die Thätigkeit als Commi&#x017F;&#x017F;ar des<lb/>
öffentlichen Unterrichts aufgab. Doch führte ihn im Jahre 1808 die<lb/>
neue Organi&#x017F;ation des öffentlichen Unterrichts wieder in die Verwaltung,<lb/>
nachdem er im Frühjahre de&#x017F;&#x017F;elben Jahres &#x017F;einen Bericht über die Fort-<lb/>
&#x017F;chritte der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften dem Kai&#x017F;er überreicht hatte. 1814 wurde<lb/>
er Staatsrath, 1819 Abtheilungsprä&#x017F;ident im Mini&#x017F;terium des Innern,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[598/0609] Periode der Morphologie. hatte. Hier wurde ihm Gelegenheit, den Grund zu ſeinen ſpäteren wichtigen Arbeiten zu legen, indem einerſeits foſſile Terebrateln ihm den Gedanken eingaben, die foſſilen Arten mit den lebenden zu ver- gleichen, während andrerſeits das nahe Meer ihm Cephalopoden und marine Formen von Schnecken darbot, durch deren anatomiſche Un- terſuchung er zum erſtenmale auf den Plan geführt wurde, die Linné'- ſchen Würmer aufzulöſen. Im Jahre 1794 veranlaßte ihn der Abbé Teſſier, welcher ſich während der Schreckensherrſchaft nach Fécamp ge- flüchtet und die Stelle des Chefarztes eines Militairhospitals über- nommen hatte, ſeinen jungen Aerzten einen Curſus über Botanik zu geben. Dieſer fiel ſo vorzüglich aus, daß Teſſier den jungen Cuvier ſeinen Pariſer Freunden empfahl, auch Cuvier ſelbſt aufforderte, einige ſeiner Arbeiten an Geoffroy, Olivier (welcher ein naturgeſchichtliches Journal gegründet hatte) u. A. zu ſenden, und ſchon damals ausſprach, man könne keinen beſſeren Profeſſor der vergleichenden Anatomie finden (an Stelle des alten Mertrud, deſſen Vertretung in Ausſicht genommen war). Beſonders auf Geoffroy's Einladung entſchloß ſich Cuvier 1794 nach Paris zu gehn, aber, weil er noch kein Vertrauen auf eine neue Laufbahn ſetzte, noch in Begleitung ſeines jungen Zög- lings. Aber ſchon 1795 löſte er das Verhältniß zu dieſem. Und nun, nach Aufgabe einer vorübergehenden Anſtellung bei der Commiſſion der Künſte, als er zum Profeſſor der Naturgeſchichte an den Central- ſchulen ernannt worden war, öffnete ſich ihm ſein eigentliches Gebiet dadurch, daß Mertrud ihn zu ſeinem Stellvertreter vorſchlug, als wel- cher er am 2. Juli beſtätigt wurde. Ende deſſelben Jahres wurde er Mitglied des Inſtituts, 1800 Profeſſor der Naturgeſchichte am Collège de France, 1802 nach Mertrud's Tode Profeſſor der vergleichenden Anatomie am Pflanzengarten und 1803 beſtändiger Secretair der Aka- demie der Wiſſenſchaften, wogegen er die Thätigkeit als Commiſſar des öffentlichen Unterrichts aufgab. Doch führte ihn im Jahre 1808 die neue Organiſation des öffentlichen Unterrichts wieder in die Verwaltung, nachdem er im Frühjahre deſſelben Jahres ſeinen Bericht über die Fort- ſchritte der Wiſſenſchaften dem Kaiſer überreicht hatte. 1814 wurde er Staatsrath, 1819 Abtheilungspräſident im Miniſterium des Innern,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/609
Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/609>, abgerufen am 22.11.2024.