Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

Zoologische Kenntnisse des Alterthums.
in mehreren Arten echter Spechte sowie im Wendehals. Aus der Ord-
nung der Makrochiren lassen sich Ziegenmelker und Segler mit Sicher-
heit wiedererkennen; in Bezug auf letztere bestand eine ähnliche Ver-
wechselung mit den Schwalben, wie sie bis auf die neueste Zeit geherrscht
hat. In beträchtlicher Anzahl erscheinen die Sperlingsartigen, und
zwar sowohl Schreier als Sänger. Sperlinge, Meisen, Bachstelzen,
Drosseln, Nachtigall, Lerche, Schwalben, Pirol waren bekannte Re-
präsentanten dieser formenreichen Gruppe. Die Rücksichtslosigkeit rö-
mischer Wohlschmecker brachte schon in der alten Zeit, wie leider noch
heute in ganz Italien, den durch oder nach Süd-Europa ziehenden Vö-
geln reichlichen Tod. Man liest von Gerichten auf römischen Tafeln,
welche in nichts den ausgesuchten Gaumenreizen neuerer Zeiten nach-
stehen. Nachtigallen wurden ihres Gesanges wegen gehalten; Drosseln
wurden gemästet. Von rabenartigen Passerinen werden angeführt: Ei-
chelheher, Raben und Krähen. Unter den Raubvögeln unterschied man
Geier, Adler, Falken und Eulen; die Bestimmung einzelner Formen
ist nicht ganz leicht; doch dürfte eine Vergleichung verschiedener Schrift-
steller noch weiter führen als zu dem bis jetzt Ermittelten. Eines ge-
zähmten und vielleicht abgerichteten Adlers, der einen Knaben mit
seinen Fängen in die Luft erhob, gedenkt Martialis an zwei Stellen.
Der Tauben, sowie des Haushuhns, der Wachteln und Rebhühner
wurde bereits gedacht. Fasanen waren bekannt; die Meleagris der
Alten war das Perlhuhn. Strauße spielten in den römischen Thier-
kämpfen eine große Rolle. Interessant ist eine Angabe Herodian's,
nach welcher Strauße, denen Commodus im Circus die Köpfe abge-
schlagen hatte, noch nachher eine Strecke weit gelaufen seien, als ob
nichts vorgefallen sei63). Von Wadvögeln werden außer den erwähn-
ten und dem Storch noch Reiher, Löffelreiher, Ibis, Rohrdommel,
und Kraniche angeführt. Letztere wurden nach Cassius Dio zu Kämpfen
gegen einander abgerichtet. Schnepfen und mehrere Verwandte waren
gleichfalls bekannt. Die Ordnungen der Schwimmvögel waren

63) proienai de poi to soma tes kephales apherem[ - 1 Zeichen fehlt]nes ouden alogon,
sagt Aristoteles, de partibus III, 10. 673 a.

Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
in mehreren Arten echter Spechte ſowie im Wendehals. Aus der Ord-
nung der Makrochiren laſſen ſich Ziegenmelker und Segler mit Sicher-
heit wiedererkennen; in Bezug auf letztere beſtand eine ähnliche Ver-
wechſelung mit den Schwalben, wie ſie bis auf die neueſte Zeit geherrſcht
hat. In beträchtlicher Anzahl erſcheinen die Sperlingsartigen, und
zwar ſowohl Schreier als Sänger. Sperlinge, Meiſen, Bachſtelzen,
Droſſeln, Nachtigall, Lerche, Schwalben, Pirol waren bekannte Re-
präſentanten dieſer formenreichen Gruppe. Die Rückſichtsloſigkeit rö-
miſcher Wohlſchmecker brachte ſchon in der alten Zeit, wie leider noch
heute in ganz Italien, den durch oder nach Süd-Europa ziehenden Vö-
geln reichlichen Tod. Man lieſt von Gerichten auf römiſchen Tafeln,
welche in nichts den ausgeſuchten Gaumenreizen neuerer Zeiten nach-
ſtehen. Nachtigallen wurden ihres Geſanges wegen gehalten; Droſſeln
wurden gemäſtet. Von rabenartigen Paſſerinen werden angeführt: Ei-
chelheher, Raben und Krähen. Unter den Raubvögeln unterſchied man
Geier, Adler, Falken und Eulen; die Beſtimmung einzelner Formen
iſt nicht ganz leicht; doch dürfte eine Vergleichung verſchiedener Schrift-
ſteller noch weiter führen als zu dem bis jetzt Ermittelten. Eines ge-
zähmten und vielleicht abgerichteten Adlers, der einen Knaben mit
ſeinen Fängen in die Luft erhob, gedenkt Martialis an zwei Stellen.
Der Tauben, ſowie des Haushuhns, der Wachteln und Rebhühner
wurde bereits gedacht. Faſanen waren bekannt; die Meleagris der
Alten war das Perlhuhn. Strauße ſpielten in den römiſchen Thier-
kämpfen eine große Rolle. Intereſſant iſt eine Angabe Herodian's,
nach welcher Strauße, denen Commodus im Circus die Köpfe abge-
ſchlagen hatte, noch nachher eine Strecke weit gelaufen ſeien, als ob
nichts vorgefallen ſei63). Von Wadvögeln werden außer den erwähn-
ten und dem Storch noch Reiher, Löffelreiher, Ibis, Rohrdommel,
und Kraniche angeführt. Letztere wurden nach Caſſius Dio zu Kämpfen
gegen einander abgerichtet. Schnepfen und mehrere Verwandte waren
gleichfalls bekannt. Die Ordnungen der Schwimmvögel waren

63) προϊέναι δέ ποι τὸ σῶμα τῆς κεφαλῆς άφῃρημ[ – 1 Zeichen fehlt]νης οὐδὲν ἄλογον,
ſagt Ariſtoteles, de partibus III, 10. 673 a.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0061" n="50"/><fw place="top" type="header">Zoologi&#x017F;che Kenntni&#x017F;&#x017F;e des Alterthums.</fw><lb/>
in mehreren Arten echter Spechte &#x017F;owie im Wendehals. Aus der Ord-<lb/>
nung der Makrochiren la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich Ziegenmelker und Segler mit Sicher-<lb/>
heit wiedererkennen; in Bezug auf letztere be&#x017F;tand eine ähnliche Ver-<lb/>
wech&#x017F;elung mit den Schwalben, wie &#x017F;ie bis auf die neue&#x017F;te Zeit geherr&#x017F;cht<lb/>
hat. In beträchtlicher Anzahl er&#x017F;cheinen die Sperlingsartigen, und<lb/>
zwar &#x017F;owohl Schreier als Sänger. Sperlinge, Mei&#x017F;en, Bach&#x017F;telzen,<lb/>
Dro&#x017F;&#x017F;eln, Nachtigall, Lerche, Schwalben, Pirol waren bekannte Re-<lb/>
prä&#x017F;entanten die&#x017F;er formenreichen Gruppe. Die Rück&#x017F;ichtslo&#x017F;igkeit rö-<lb/>
mi&#x017F;cher Wohl&#x017F;chmecker brachte &#x017F;chon in der alten Zeit, wie leider noch<lb/>
heute in ganz Italien, den durch oder nach Süd-Europa ziehenden Vö-<lb/>
geln reichlichen Tod. Man lie&#x017F;t von Gerichten auf römi&#x017F;chen Tafeln,<lb/>
welche in nichts den ausge&#x017F;uchten Gaumenreizen neuerer Zeiten nach-<lb/>
&#x017F;tehen. Nachtigallen wurden ihres Ge&#x017F;anges wegen gehalten; Dro&#x017F;&#x017F;eln<lb/>
wurden gemä&#x017F;tet. Von rabenartigen Pa&#x017F;&#x017F;erinen werden angeführt: Ei-<lb/>
chelheher, Raben und Krähen. Unter den Raubvögeln unter&#x017F;chied man<lb/>
Geier, Adler, Falken und Eulen; die Be&#x017F;timmung einzelner Formen<lb/>
i&#x017F;t nicht ganz leicht; doch dürfte eine Vergleichung ver&#x017F;chiedener Schrift-<lb/>
&#x017F;teller noch weiter führen als zu dem bis jetzt Ermittelten. Eines ge-<lb/>
zähmten und vielleicht abgerichteten Adlers, der einen Knaben mit<lb/>
&#x017F;einen Fängen in die Luft erhob, gedenkt <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11857826X">Martialis</persName> an zwei Stellen.<lb/>
Der <hi rendition="#g">Tauben</hi>, &#x017F;owie des Haushuhns, der Wachteln und Rebhühner<lb/>
wurde bereits gedacht. Fa&#x017F;anen waren bekannt; die Meleagris der<lb/>
Alten war das Perlhuhn. <hi rendition="#g">Strauße</hi> &#x017F;pielten in den römi&#x017F;chen Thier-<lb/>
kämpfen eine große Rolle. Intere&#x017F;&#x017F;ant i&#x017F;t eine Angabe Herodian's,<lb/>
nach welcher Strauße, denen Commodus im Circus die Köpfe abge-<lb/>
&#x017F;chlagen hatte, noch nachher eine Strecke weit gelaufen &#x017F;eien, als ob<lb/>
nichts vorgefallen &#x017F;ei<note place="foot" n="63)">&#x03C0;&#x03C1;&#x03BF;&#x03CA;&#x1F73;&#x03BD;&#x03B1;&#x03B9; &#x03B4;&#x1F73; &#x03C0;&#x03BF;&#x03B9; &#x03C4;&#x1F78; &#x03C3;&#x1FF6;&#x03BC;&#x03B1; &#x03C4;&#x1FC6;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B5;&#x03C6;&#x03B1;&#x03BB;&#x1FC6;&#x03C2; &#x1F71;&#x03C6;&#x1FC3;&#x03C1;&#x03B7;&#x03BC;<gap unit="chars" quantity="1"/>&#x03BD;&#x03B7;&#x03C2; &#x03BF;&#x1F50;&#x03B4;&#x1F72;&#x03BD; &#x1F04;&#x03BB;&#x03BF;&#x03B3;&#x03BF;&#x03BD;,<lb/>
&#x017F;agt <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ari&#x017F;toteles</persName></hi>, <hi rendition="#aq">de partibus III, 10. 673 a.</hi></note>. Von <hi rendition="#g">Wadvögeln</hi> werden außer den erwähn-<lb/>
ten und dem Storch noch Reiher, Löffelreiher, Ibis, Rohrdommel,<lb/>
und Kraniche angeführt. Letztere wurden nach Ca&#x017F;&#x017F;ius Dio zu Kämpfen<lb/>
gegen einander abgerichtet. Schnepfen und mehrere Verwandte waren<lb/>
gleichfalls bekannt. Die Ordnungen der <hi rendition="#g">Schwimmvögel</hi> waren<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0061] Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums. in mehreren Arten echter Spechte ſowie im Wendehals. Aus der Ord- nung der Makrochiren laſſen ſich Ziegenmelker und Segler mit Sicher- heit wiedererkennen; in Bezug auf letztere beſtand eine ähnliche Ver- wechſelung mit den Schwalben, wie ſie bis auf die neueſte Zeit geherrſcht hat. In beträchtlicher Anzahl erſcheinen die Sperlingsartigen, und zwar ſowohl Schreier als Sänger. Sperlinge, Meiſen, Bachſtelzen, Droſſeln, Nachtigall, Lerche, Schwalben, Pirol waren bekannte Re- präſentanten dieſer formenreichen Gruppe. Die Rückſichtsloſigkeit rö- miſcher Wohlſchmecker brachte ſchon in der alten Zeit, wie leider noch heute in ganz Italien, den durch oder nach Süd-Europa ziehenden Vö- geln reichlichen Tod. Man lieſt von Gerichten auf römiſchen Tafeln, welche in nichts den ausgeſuchten Gaumenreizen neuerer Zeiten nach- ſtehen. Nachtigallen wurden ihres Geſanges wegen gehalten; Droſſeln wurden gemäſtet. Von rabenartigen Paſſerinen werden angeführt: Ei- chelheher, Raben und Krähen. Unter den Raubvögeln unterſchied man Geier, Adler, Falken und Eulen; die Beſtimmung einzelner Formen iſt nicht ganz leicht; doch dürfte eine Vergleichung verſchiedener Schrift- ſteller noch weiter führen als zu dem bis jetzt Ermittelten. Eines ge- zähmten und vielleicht abgerichteten Adlers, der einen Knaben mit ſeinen Fängen in die Luft erhob, gedenkt Martialis an zwei Stellen. Der Tauben, ſowie des Haushuhns, der Wachteln und Rebhühner wurde bereits gedacht. Faſanen waren bekannt; die Meleagris der Alten war das Perlhuhn. Strauße ſpielten in den römiſchen Thier- kämpfen eine große Rolle. Intereſſant iſt eine Angabe Herodian's, nach welcher Strauße, denen Commodus im Circus die Köpfe abge- ſchlagen hatte, noch nachher eine Strecke weit gelaufen ſeien, als ob nichts vorgefallen ſei 63). Von Wadvögeln werden außer den erwähn- ten und dem Storch noch Reiher, Löffelreiher, Ibis, Rohrdommel, und Kraniche angeführt. Letztere wurden nach Caſſius Dio zu Kämpfen gegen einander abgerichtet. Schnepfen und mehrere Verwandte waren gleichfalls bekannt. Die Ordnungen der Schwimmvögel waren 63) προϊέναι δέ ποι τὸ σῶμα τῆς κεφαλῆς άφῃρημ_νης οὐδὲν ἄλογον, ſagt Ariſtoteles, de partibus III, 10. 673 a.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/61
Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/61>, abgerufen am 17.05.2024.