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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Typenlehre. de Lamarck.
einer fortgeschrittenen Erkenntniß und weiteren Auffassung der thieri-
schen Form beruhn, sondern nur im Allgemeinen nach Theilungsgrün-
den, die dem Bau entnommen sind, und zwar meist nach Cuvier's
Angaben gekennzeichnet werden. So charakterisirt er z. B. die zweite
Stufe, welche die Strahlthiere (Echinodermen) und Würmer umfaßt
dadurch, daß sie keinen Längsganglienstrang und keine Blutgefäße, da-
gegen aber "einige andere innere Organe außer denen der Verdauung"
besitzen. Er war überhaupt nur wenig Anatom, besaß aber einen
großen Formensinn und später bedeutende Formenkenntnisse. Jean
Baptiste Pierre Antoine de Monet
, später Chevalier de Lamarck
genannt, war der Sohn eines Herrn Pierre de Monet, und 1744 in
einem Dorfe der Picardie geboren. Er trat 1760 in die Armee ein;
nach dem Frieden in Garnison in Monaco gelegen erhielt er eine Hals-
verletzung, welche seine Rückkehr nach Paris und eine Operation nöthig
machte. Hierdurch aus seiner Laufbahn gerissen mußte er sich mit einer
sehr kleinen Pension kümmerlich behelfen und einen andern Beruf er-
greifen. Er suchte Medicin zu studiren, arbeitete aber daneben in einem
Bankhause. Schon von Monaco her mit Vorliebe die Pflanzen be-
obachtend, überraschte er 1778 das Publikum mit seiner dreibändigen
französischen Flora. Er wurde darauf 1779 Mitglied der Akademie
und beschäftigte sich von da an vorwiegend mit Botanik, aber auch mit
allgemeiner Chemie und Physik, ohne je Experimente zu machen und
natürlich in Opposition gegen Lavoisier und die ganze moderne Richtung;
ja er gab sogar noch 1799 bis 1810 jährlich einen Almanach heraus,
dessen meteorologische Prophezeiungen niemals eintrafen. Da er stets
hatte für die Buchhändler arbeiten müssen und er immer in gedrückter
Lage war, suchte ihm Buffon's Nachfolger Labillardiere eine Stelle als
Custos des Herbariums zu erwirken, stieß aber auf heftige Opposition.
Endlich erhielt Lamarck 1793 bei der Reorganisation des Museums am
Pflanzengarten die übrig bleibende Professur für die Linne'schen In-
secten und Würmer. Von diesen kannte er nur einige Molluskenschalen,
über die er sich oft mit Bruguieres unterhalten und von denen er sich
eine kleine Sammlung gebildet hatte. Mit Energie warf er sich aber
nun auf Zoologie, in welcher er sich durch sein System der wirbellosen

Typenlehre. de Lamarck.
einer fortgeſchrittenen Erkenntniß und weiteren Auffaſſung der thieri-
ſchen Form beruhn, ſondern nur im Allgemeinen nach Theilungsgrün-
den, die dem Bau entnommen ſind, und zwar meiſt nach Cuvier's
Angaben gekennzeichnet werden. So charakteriſirt er z. B. die zweite
Stufe, welche die Strahlthiere (Echinodermen) und Würmer umfaßt
dadurch, daß ſie keinen Längsganglienſtrang und keine Blutgefäße, da-
gegen aber „einige andere innere Organe außer denen der Verdauung“
beſitzen. Er war überhaupt nur wenig Anatom, beſaß aber einen
großen Formenſinn und ſpäter bedeutende Formenkenntniſſe. Jean
Baptiſte Pierre Antoine de Monet
, ſpäter Chevalier de Lamarck
genannt, war der Sohn eines Herrn Pierre de Monet, und 1744 in
einem Dorfe der Picardie geboren. Er trat 1760 in die Armee ein;
nach dem Frieden in Garniſon in Monaco gelegen erhielt er eine Hals-
verletzung, welche ſeine Rückkehr nach Paris und eine Operation nöthig
machte. Hierdurch aus ſeiner Laufbahn geriſſen mußte er ſich mit einer
ſehr kleinen Penſion kümmerlich behelfen und einen andern Beruf er-
greifen. Er ſuchte Medicin zu ſtudiren, arbeitete aber daneben in einem
Bankhauſe. Schon von Monaco her mit Vorliebe die Pflanzen be-
obachtend, überraſchte er 1778 das Publikum mit ſeiner dreibändigen
franzöſiſchen Flora. Er wurde darauf 1779 Mitglied der Akademie
und beſchäftigte ſich von da an vorwiegend mit Botanik, aber auch mit
allgemeiner Chemie und Phyſik, ohne je Experimente zu machen und
natürlich in Oppoſition gegen Lavoiſier und die ganze moderne Richtung;
ja er gab ſogar noch 1799 bis 1810 jährlich einen Almanach heraus,
deſſen meteorologiſche Prophezeiungen niemals eintrafen. Da er ſtets
hatte für die Buchhändler arbeiten müſſen und er immer in gedrückter
Lage war, ſuchte ihm Buffon's Nachfolger Labillardière eine Stelle als
Cuſtos des Herbariums zu erwirken, ſtieß aber auf heftige Oppoſition.
Endlich erhielt Lamarck 1793 bei der Reorganiſation des Muſeums am
Pflanzengarten die übrig bleibende Profeſſur für die Linné'ſchen In-
ſecten und Würmer. Von dieſen kannte er nur einige Molluskenſchalen,
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[613/0624] Typenlehre. de Lamarck. einer fortgeſchrittenen Erkenntniß und weiteren Auffaſſung der thieri- ſchen Form beruhn, ſondern nur im Allgemeinen nach Theilungsgrün- den, die dem Bau entnommen ſind, und zwar meiſt nach Cuvier's Angaben gekennzeichnet werden. So charakteriſirt er z. B. die zweite Stufe, welche die Strahlthiere (Echinodermen) und Würmer umfaßt dadurch, daß ſie keinen Längsganglienſtrang und keine Blutgefäße, da- gegen aber „einige andere innere Organe außer denen der Verdauung“ beſitzen. Er war überhaupt nur wenig Anatom, beſaß aber einen großen Formenſinn und ſpäter bedeutende Formenkenntniſſe. Jean Baptiſte Pierre Antoine de Monet, ſpäter Chevalier de Lamarck genannt, war der Sohn eines Herrn Pierre de Monet, und 1744 in einem Dorfe der Picardie geboren. Er trat 1760 in die Armee ein; nach dem Frieden in Garniſon in Monaco gelegen erhielt er eine Hals- verletzung, welche ſeine Rückkehr nach Paris und eine Operation nöthig machte. Hierdurch aus ſeiner Laufbahn geriſſen mußte er ſich mit einer ſehr kleinen Penſion kümmerlich behelfen und einen andern Beruf er- greifen. Er ſuchte Medicin zu ſtudiren, arbeitete aber daneben in einem Bankhauſe. Schon von Monaco her mit Vorliebe die Pflanzen be- obachtend, überraſchte er 1778 das Publikum mit ſeiner dreibändigen franzöſiſchen Flora. Er wurde darauf 1779 Mitglied der Akademie und beſchäftigte ſich von da an vorwiegend mit Botanik, aber auch mit allgemeiner Chemie und Phyſik, ohne je Experimente zu machen und natürlich in Oppoſition gegen Lavoiſier und die ganze moderne Richtung; ja er gab ſogar noch 1799 bis 1810 jährlich einen Almanach heraus, deſſen meteorologiſche Prophezeiungen niemals eintrafen. Da er ſtets hatte für die Buchhändler arbeiten müſſen und er immer in gedrückter Lage war, ſuchte ihm Buffon's Nachfolger Labillardière eine Stelle als Cuſtos des Herbariums zu erwirken, ſtieß aber auf heftige Oppoſition. Endlich erhielt Lamarck 1793 bei der Reorganiſation des Muſeums am Pflanzengarten die übrig bleibende Profeſſur für die Linné'ſchen In- ſecten und Würmer. Von dieſen kannte er nur einige Molluskenſchalen, über die er ſich oft mit Bruguières unterhalten und von denen er ſich eine kleine Sammlung gebildet hatte. Mit Energie warf er ſich aber nun auf Zoologie, in welcher er ſich durch ſein Syſtem der wirbelloſen

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/624>, abgerufen am 22.11.2024.