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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Verallgemeinerungen zu weit. Während nämlich Schleiden bei den
Pflanzen die Zellenbildung als innerhalb bereits bestehender Zellen vor
sich gehend schildert, nimmt Schwann nicht bloß die Möglichkeit einer
Zellenbildung auch außerhalb anderer Zellen an, sondern hält diese
Bildungsweise für die weitaus häufigste. Das Grundphänomen bei
der Zellenbildung ist nach ihm folgendes: "es ist zuerst eine structurlose
Substanz da, welche innerhalb oder zwischen schon vorhandenen Zellen
liegt. In dieser Substanz bilden sich nach bestimmten Gesetzen Zellen, "
d. h. es entsteht zuerst das Kernkörperchen, um welches sich der Kern
niederschlägt; und um diesen endlich bildet sich die Zelle. Der andere
Punkt betrifft die Form der Zelle, für welche Schwann das Schema
aufstellt, daß eine jede aus Membran, Inhalt und Kern mit Kernkör-
perchen bestehe. Was zunächst diese enge Umgrenzung des Begriffs der
Zelle betrifft, so war bereits vor Schwann (1835) durch die von Felix
Dujardin
beschriebene "Sarcode" von niedern Thieren eine Erschei-
nungsform lebender Substanz bekannt, aber allerdings nur wenig be-
achtet worden, welche nicht mit dem Schwann'schen Zellenschema in
Uebereinstimmung zu bringen war. Weitere Untersuchungen dieser
Substanz, welche vorübergehend zu einer zu einseitigen Hervorhebung
der Contractilität aller Zellen führte, bahnten allmählich der heutigen
Auffassung der Zelle als eines Protoplasmagebildes Eingang, welches,
in Bezug auf seine Form in weniger enge Grenzen eingeengt als sie die
Theorie wollte, sich mehr dem Begriffe eines histiologischen Elementes
im Sinne C. E. von Baer's nähert, obschon ein solches selbstverständ-
lich nicht mit einer Zelle in der neuern Auffassung zu identificiren ist.
Bei der Schilderung der verschiedenen Auffassungen des Infusorien-
baues wird der Versuche gedacht werden, diese Formen im Anschluß an
den in den Zellen erkannten Ausgangspunkt thierischer Entwickelung
für isolirte einzelne Zellen zu erklären. Von gleich großer Tragweite
waren die Untersuchungen über Zellenbildung und über den Zusammen-
hang der im entwickelten Thiere auftretenden zelligen Gewebe mit den
im Ei nachweisbaren zellenähnlichen Gebilden. Von diesem Gesichts-
punkte aus mußte natürlich der Furchungsproceß die größte Aufmerk-
samkeit erregen. Gleich die ersten embryologischen Arbeiten, welche

Verallgemeinerungen zu weit. Während nämlich Schleiden bei den
Pflanzen die Zellenbildung als innerhalb bereits beſtehender Zellen vor
ſich gehend ſchildert, nimmt Schwann nicht bloß die Möglichkeit einer
Zellenbildung auch außerhalb anderer Zellen an, ſondern hält dieſe
Bildungsweiſe für die weitaus häufigſte. Das Grundphänomen bei
der Zellenbildung iſt nach ihm folgendes: „es iſt zuerſt eine ſtructurloſe
Subſtanz da, welche innerhalb oder zwiſchen ſchon vorhandenen Zellen
liegt. In dieſer Subſtanz bilden ſich nach beſtimmten Geſetzen Zellen, “
d. h. es entſteht zuerſt das Kernkörperchen, um welches ſich der Kern
niederſchlägt; und um dieſen endlich bildet ſich die Zelle. Der andere
Punkt betrifft die Form der Zelle, für welche Schwann das Schema
aufſtellt, daß eine jede aus Membran, Inhalt und Kern mit Kernkör-
perchen beſtehe. Was zunächſt dieſe enge Umgrenzung des Begriffs der
Zelle betrifft, ſo war bereits vor Schwann (1835) durch die von Felix
Dujardin
beſchriebene „Sarcode“ von niedern Thieren eine Erſchei-
nungsform lebender Subſtanz bekannt, aber allerdings nur wenig be-
achtet worden, welche nicht mit dem Schwann'ſchen Zellenſchema in
Uebereinſtimmung zu bringen war. Weitere Unterſuchungen dieſer
Subſtanz, welche vorübergehend zu einer zu einſeitigen Hervorhebung
der Contractilität aller Zellen führte, bahnten allmählich der heutigen
Auffaſſung der Zelle als eines Protoplasmagebildes Eingang, welches,
in Bezug auf ſeine Form in weniger enge Grenzen eingeengt als ſie die
Theorie wollte, ſich mehr dem Begriffe eines hiſtiologiſchen Elementes
im Sinne C. E. von Baer's nähert, obſchon ein ſolches ſelbſtverſtänd-
lich nicht mit einer Zelle in der neuern Auffaſſung zu identificiren iſt.
Bei der Schilderung der verſchiedenen Auffaſſungen des Infuſorien-
baues wird der Verſuche gedacht werden, dieſe Formen im Anſchluß an
den in den Zellen erkannten Ausgangspunkt thieriſcher Entwickelung
für iſolirte einzelne Zellen zu erklären. Von gleich großer Tragweite
waren die Unterſuchungen über Zellenbildung und über den Zuſammen-
hang der im entwickelten Thiere auftretenden zelligen Gewebe mit den
im Ei nachweisbaren zellenähnlichen Gebilden. Von dieſem Geſichts-
punkte aus mußte natürlich der Furchungsproceß die größte Aufmerk-
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[631/0642] Schwann. Dujardin. Verallgemeinerungen zu weit. Während nämlich Schleiden bei den Pflanzen die Zellenbildung als innerhalb bereits beſtehender Zellen vor ſich gehend ſchildert, nimmt Schwann nicht bloß die Möglichkeit einer Zellenbildung auch außerhalb anderer Zellen an, ſondern hält dieſe Bildungsweiſe für die weitaus häufigſte. Das Grundphänomen bei der Zellenbildung iſt nach ihm folgendes: „es iſt zuerſt eine ſtructurloſe Subſtanz da, welche innerhalb oder zwiſchen ſchon vorhandenen Zellen liegt. In dieſer Subſtanz bilden ſich nach beſtimmten Geſetzen Zellen, “ d. h. es entſteht zuerſt das Kernkörperchen, um welches ſich der Kern niederſchlägt; und um dieſen endlich bildet ſich die Zelle. Der andere Punkt betrifft die Form der Zelle, für welche Schwann das Schema aufſtellt, daß eine jede aus Membran, Inhalt und Kern mit Kernkör- perchen beſtehe. Was zunächſt dieſe enge Umgrenzung des Begriffs der Zelle betrifft, ſo war bereits vor Schwann (1835) durch die von Felix Dujardin beſchriebene „Sarcode“ von niedern Thieren eine Erſchei- nungsform lebender Subſtanz bekannt, aber allerdings nur wenig be- achtet worden, welche nicht mit dem Schwann'ſchen Zellenſchema in Uebereinſtimmung zu bringen war. Weitere Unterſuchungen dieſer Subſtanz, welche vorübergehend zu einer zu einſeitigen Hervorhebung der Contractilität aller Zellen führte, bahnten allmählich der heutigen Auffaſſung der Zelle als eines Protoplasmagebildes Eingang, welches, in Bezug auf ſeine Form in weniger enge Grenzen eingeengt als ſie die Theorie wollte, ſich mehr dem Begriffe eines hiſtiologiſchen Elementes im Sinne C. E. von Baer's nähert, obſchon ein ſolches ſelbſtverſtänd- lich nicht mit einer Zelle in der neuern Auffaſſung zu identificiren iſt. Bei der Schilderung der verſchiedenen Auffaſſungen des Infuſorien- baues wird der Verſuche gedacht werden, dieſe Formen im Anſchluß an den in den Zellen erkannten Ausgangspunkt thieriſcher Entwickelung für iſolirte einzelne Zellen zu erklären. Von gleich großer Tragweite waren die Unterſuchungen über Zellenbildung und über den Zuſammen- hang der im entwickelten Thiere auftretenden zelligen Gewebe mit den im Ei nachweisbaren zellenähnlichen Gebilden. Von dieſem Geſichts- punkte aus mußte natürlich der Furchungsproceß die größte Aufmerk- ſamkeit erregen. Gleich die erſten embryologiſchen Arbeiten, welche

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 631. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/642>, abgerufen am 22.11.2024.