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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Zoologische Kenntnisse des Alterthums.
vielfach besprochene Purpurschnecke ist nicht mit Sicherheit ermittelt;
doch neigen sich jetzt wohl die Meisten der Ansicht zu, daß es Murex
brandaris
oder trunculus sei; es können indeß auch Purpura-Arten
in Betracht kommen, vielleicht auch Buccinum. Von Muscheln
kannten die Alten wohl die Miesmuschel, den Pecten, Pinna, Solen,
die Perlmuschel, die Auster; letztere wurde gepflegt in Austernbehältern.
Von Tunicaten findet sich nur bei Aristoteles eine die Gruppe über-
haupt (besonders die Ascidien) kennzeichnende Schilderung. Spätere
schweigen völlig über sie.

Die Kenntniß der Arthropoden war schon durch die verhält-
nißmäßige Kleinheit der auf dem Lande lebenden, also zugänglicheren
Formen sehr beschränkt. Finden sich auch Bemerkungen über Insecten,
so sind es meist nur mehr oder weniger allgemein gehaltene Angaben
und über auffallendere Formen. Leuchtkäfer, Holzwürmer, Scara-
bäen, Cetonien, Hirschkäfer vertreten die Ordnung der Käfer. Unter
den Hymenopteren war die Biene ihrem Haushalte nach leidlich be-
kannt; doch wurde wie bis in neuere Zeiten herab das Geschlecht der
verschiedenen Individuenformen verwechselt. Aehnlich wird das Leben
der geselligen Wespen geschildert. Schmetterlinge waren den Alten
wohl im Allgemeinen aufgefallen; auch findet sich ihre Verwandlung
erwähnt; specielle Formen sind indeß nicht wiederzuerkennen. Höch-
stens könnte man bei Aristoteles auf Kenntniß der Geometra-Larven
schließen. Vom Seidenwurm, dessen Gespinst zu Alexander des Großen
Zeiten als von einer Raupe herstammend bekannt wurde, waren viel-
leicht schon früher Notizen von China aus durch Central-Asien west-
wärts gedrungen. Nach den Iranischen Ländern wurde er noch später,
frühestens in der letzten Zeit der Sassaniden gebracht71). Aristoteles
theilt sicher nur unvollständige ihm berichtete Angaben über ihn mit.
Es beschränkt sich überhaupt, wie es scheint, die Kenntniß der Alten
von diesem Thiere fast nur darauf, daß es ein Insect sei, welches den
Cocon liefere. Die Form desselben aber, ebenso wie die Reihenfolge der
einzelnen Stände ist ihnen kaum ganz klar geworden. Heuschrecken,

71) s. Lassen, Indische Alterthumskunde. 1. Bd. 2. Aufl. S. 372. 369.

Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
vielfach beſprochene Purpurſchnecke iſt nicht mit Sicherheit ermittelt;
doch neigen ſich jetzt wohl die Meiſten der Anſicht zu, daß es Murex
brandaris
oder trunculus ſei; es können indeß auch Purpura-Arten
in Betracht kommen, vielleicht auch Buccinum. Von Muſcheln
kannten die Alten wohl die Miesmuſchel, den Pecten, Pinna, Solen,
die Perlmuſchel, die Auſter; letztere wurde gepflegt in Auſternbehältern.
Von Tunicaten findet ſich nur bei Ariſtoteles eine die Gruppe über-
haupt (beſonders die Ascidien) kennzeichnende Schilderung. Spätere
ſchweigen völlig über ſie.

Die Kenntniß der Arthropoden war ſchon durch die verhält-
nißmäßige Kleinheit der auf dem Lande lebenden, alſo zugänglicheren
Formen ſehr beſchränkt. Finden ſich auch Bemerkungen über Inſecten,
ſo ſind es meiſt nur mehr oder weniger allgemein gehaltene Angaben
und über auffallendere Formen. Leuchtkäfer, Holzwürmer, Scara-
bäen, Cetonien, Hirſchkäfer vertreten die Ordnung der Käfer. Unter
den Hymenopteren war die Biene ihrem Haushalte nach leidlich be-
kannt; doch wurde wie bis in neuere Zeiten herab das Geſchlecht der
verſchiedenen Individuenformen verwechſelt. Aehnlich wird das Leben
der geſelligen Wespen geſchildert. Schmetterlinge waren den Alten
wohl im Allgemeinen aufgefallen; auch findet ſich ihre Verwandlung
erwähnt; ſpecielle Formen ſind indeß nicht wiederzuerkennen. Höch-
ſtens könnte man bei Ariſtoteles auf Kenntniß der Geometra-Larven
ſchließen. Vom Seidenwurm, deſſen Geſpinſt zu Alexander des Großen
Zeiten als von einer Raupe herſtammend bekannt wurde, waren viel-
leicht ſchon früher Notizen von China aus durch Central-Aſien weſt-
wärts gedrungen. Nach den Iraniſchen Ländern wurde er noch ſpäter,
früheſtens in der letzten Zeit der Saſſaniden gebracht71). Ariſtoteles
theilt ſicher nur unvollſtändige ihm berichtete Angaben über ihn mit.
Es beſchränkt ſich überhaupt, wie es ſcheint, die Kenntniß der Alten
von dieſem Thiere faſt nur darauf, daß es ein Inſect ſei, welches den
Cocon liefere. Die Form deſſelben aber, ebenſo wie die Reihenfolge der
einzelnen Stände iſt ihnen kaum ganz klar geworden. Heuſchrecken,

71) ſ. Laſſen, Indiſche Alterthumskunde. 1. Bd. 2. Aufl. S. 372. 369.
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[54/0065] Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums. vielfach beſprochene Purpurſchnecke iſt nicht mit Sicherheit ermittelt; doch neigen ſich jetzt wohl die Meiſten der Anſicht zu, daß es Murex brandaris oder trunculus ſei; es können indeß auch Purpura-Arten in Betracht kommen, vielleicht auch Buccinum. Von Muſcheln kannten die Alten wohl die Miesmuſchel, den Pecten, Pinna, Solen, die Perlmuſchel, die Auſter; letztere wurde gepflegt in Auſternbehältern. Von Tunicaten findet ſich nur bei Ariſtoteles eine die Gruppe über- haupt (beſonders die Ascidien) kennzeichnende Schilderung. Spätere ſchweigen völlig über ſie. Die Kenntniß der Arthropoden war ſchon durch die verhält- nißmäßige Kleinheit der auf dem Lande lebenden, alſo zugänglicheren Formen ſehr beſchränkt. Finden ſich auch Bemerkungen über Inſecten, ſo ſind es meiſt nur mehr oder weniger allgemein gehaltene Angaben und über auffallendere Formen. Leuchtkäfer, Holzwürmer, Scara- bäen, Cetonien, Hirſchkäfer vertreten die Ordnung der Käfer. Unter den Hymenopteren war die Biene ihrem Haushalte nach leidlich be- kannt; doch wurde wie bis in neuere Zeiten herab das Geſchlecht der verſchiedenen Individuenformen verwechſelt. Aehnlich wird das Leben der geſelligen Wespen geſchildert. Schmetterlinge waren den Alten wohl im Allgemeinen aufgefallen; auch findet ſich ihre Verwandlung erwähnt; ſpecielle Formen ſind indeß nicht wiederzuerkennen. Höch- ſtens könnte man bei Ariſtoteles auf Kenntniß der Geometra-Larven ſchließen. Vom Seidenwurm, deſſen Geſpinſt zu Alexander des Großen Zeiten als von einer Raupe herſtammend bekannt wurde, waren viel- leicht ſchon früher Notizen von China aus durch Central-Aſien weſt- wärts gedrungen. Nach den Iraniſchen Ländern wurde er noch ſpäter, früheſtens in der letzten Zeit der Saſſaniden gebracht 71). Ariſtoteles theilt ſicher nur unvollſtändige ihm berichtete Angaben über ihn mit. Es beſchränkt ſich überhaupt, wie es ſcheint, die Kenntniß der Alten von dieſem Thiere faſt nur darauf, daß es ein Inſect ſei, welches den Cocon liefere. Die Form deſſelben aber, ebenſo wie die Reihenfolge der einzelnen Stände iſt ihnen kaum ganz klar geworden. Heuſchrecken, 71) ſ. Laſſen, Indiſche Alterthumskunde. 1. Bd. 2. Aufl. S. 372. 369.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/65>, abgerufen am 20.05.2024.