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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Periode der Morphologie.
von Samenschläuchen (den von Milne Edwards 1840 sogenannten
Spermatophoren) bei niedern Krustern durch von Siebold. Eine
noch allgemeinere Tragweite hatten die Betrachtungen über das Haut-
skelet, welche, angeregt durch Eschscholtz und von Baer dann Audouin
und besonders Strauß-Dürkheim anstellten. Ergänzend trat hier
die Entdeckung des Chitin in der Arthropodenhaut durch Odier (1823)
hinzu, welche Lassaigne (1842) und besonders C. Schmidt (1845)
erweiterten. Durch die allmählich erlangte größere Uebersichtlichkeit,
in welcher nun die verschiedenen Formen der Gliederthiere sowohl nach
ihrer allgemeinen Gestalt als nach ihrem Bau erschienen, konnten die
in beiden Richtungen gemachten Entdeckungen directer zum Fortschritt
in der Erkenntniß des ganzen Typus verwerthet werden. Wesentliche
Aufgabe blieb vor Allem die gegenseitige Stellung der größern und
kleinern Gruppen, die Verwandtschaften der Classen und Ordnungen
zu erkennen. Die Lösung derselben bahnten zunächst anatomische Un-
tersuchungen einzelner Gruppen an. Für die Crustaceen sind hier zu
nennen die Arbeiten von Audouin und M. Edwards, Louis Jurine
(1751-1819), Karl Aug. Ramdohr. Die Entdeckung verkümmerter
Männchen niederer Kruster durch A. von Nordmann, besonders die
entwickelungsgeschichtlichen Arbeiten von Rathke, Nordmann, Baird,
Bate, Loven, Philippi, Steenstrup, Fr. Müller. Sie sind der Aus-
gangspunkt neuer Anschauungen sogar des ganzen Typus geworden.
Die Anatomie der Myriapoden förderten besonders L. Dufour, New-
port und J. Fr. Brandt, die der Arachniden G. R. Treviranus,
Dufour, Blanchard, J. Müller, Brandt, A. Duges, Doyere; von
den Arbeiten über Insectenanatomie sind neben den allgemeinen oben
genannten noch erwähnenswerth die Untersuchungen über Verdauungs-
organe von Carl Aug. Ramdohr (1811), sowie der Nachweis der
Malpighischen Gefäße als Nieren durch Rengger (1817) und Wurzer
(1818, Brugnatelli hatte 1816 schon Harnsäure in den Excreten ge-
funden, ohne das Organ zu bezeichnen). Von großer Bedeutung sind
die Untersuchungen über den Haushalt verschiedener, besonders social
lebender Insecten, unter denen die classischen Beobachtungen über die
Ameisen und Bienen von den beiden Huber (Franc. 1750-1831,

Periode der Morphologie.
von Samenſchläuchen (den von Milne Edwards 1840 ſogenannten
Spermatophoren) bei niedern Kruſtern durch von Siebold. Eine
noch allgemeinere Tragweite hatten die Betrachtungen über das Haut-
ſkelet, welche, angeregt durch Eſchſcholtz und von Baer dann Audouin
und beſonders Strauß-Dürkheim anſtellten. Ergänzend trat hier
die Entdeckung des Chitin in der Arthropodenhaut durch Odier (1823)
hinzu, welche Laſſaigne (1842) und beſonders C. Schmidt (1845)
erweiterten. Durch die allmählich erlangte größere Ueberſichtlichkeit,
in welcher nun die verſchiedenen Formen der Gliederthiere ſowohl nach
ihrer allgemeinen Geſtalt als nach ihrem Bau erſchienen, konnten die
in beiden Richtungen gemachten Entdeckungen directer zum Fortſchritt
in der Erkenntniß des ganzen Typus verwerthet werden. Weſentliche
Aufgabe blieb vor Allem die gegenſeitige Stellung der größern und
kleinern Gruppen, die Verwandtſchaften der Claſſen und Ordnungen
zu erkennen. Die Löſung derſelben bahnten zunächſt anatomiſche Un-
terſuchungen einzelner Gruppen an. Für die Cruſtaceen ſind hier zu
nennen die Arbeiten von Audouin und M. Edwards, Louis Jurine
(1751-1819), Karl Aug. Ramdohr. Die Entdeckung verkümmerter
Männchen niederer Kruſter durch A. von Nordmann, beſonders die
entwickelungsgeſchichtlichen Arbeiten von Rathke, Nordmann, Baird,
Bate, Lovén, Philippi, Steenſtrup, Fr. Müller. Sie ſind der Aus-
gangspunkt neuer Anſchauungen ſogar des ganzen Typus geworden.
Die Anatomie der Myriapoden förderten beſonders L. Dufour, New-
port und J. Fr. Brandt, die der Arachniden G. R. Treviranus,
Dufour, Blanchard, J. Müller, Brandt, A. Dugès, Doyère; von
den Arbeiten über Inſectenanatomie ſind neben den allgemeinen oben
genannten noch erwähnenswerth die Unterſuchungen über Verdauungs-
organe von Carl Aug. Ramdohr (1811), ſowie der Nachweis der
Malpighiſchen Gefäße als Nieren durch Rengger (1817) und Wurzer
(1818, Brugnatelli hatte 1816 ſchon Harnſäure in den Excreten ge-
funden, ohne das Organ zu bezeichnen). Von großer Bedeutung ſind
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[696/0707] Periode der Morphologie. von Samenſchläuchen (den von Milne Edwards 1840 ſogenannten Spermatophoren) bei niedern Kruſtern durch von Siebold. Eine noch allgemeinere Tragweite hatten die Betrachtungen über das Haut- ſkelet, welche, angeregt durch Eſchſcholtz und von Baer dann Audouin und beſonders Strauß-Dürkheim anſtellten. Ergänzend trat hier die Entdeckung des Chitin in der Arthropodenhaut durch Odier (1823) hinzu, welche Laſſaigne (1842) und beſonders C. Schmidt (1845) erweiterten. Durch die allmählich erlangte größere Ueberſichtlichkeit, in welcher nun die verſchiedenen Formen der Gliederthiere ſowohl nach ihrer allgemeinen Geſtalt als nach ihrem Bau erſchienen, konnten die in beiden Richtungen gemachten Entdeckungen directer zum Fortſchritt in der Erkenntniß des ganzen Typus verwerthet werden. Weſentliche Aufgabe blieb vor Allem die gegenſeitige Stellung der größern und kleinern Gruppen, die Verwandtſchaften der Claſſen und Ordnungen zu erkennen. Die Löſung derſelben bahnten zunächſt anatomiſche Un- terſuchungen einzelner Gruppen an. Für die Cruſtaceen ſind hier zu nennen die Arbeiten von Audouin und M. Edwards, Louis Jurine (1751-1819), Karl Aug. Ramdohr. Die Entdeckung verkümmerter Männchen niederer Kruſter durch A. von Nordmann, beſonders die entwickelungsgeſchichtlichen Arbeiten von Rathke, Nordmann, Baird, Bate, Lovén, Philippi, Steenſtrup, Fr. Müller. Sie ſind der Aus- gangspunkt neuer Anſchauungen ſogar des ganzen Typus geworden. Die Anatomie der Myriapoden förderten beſonders L. Dufour, New- port und J. Fr. Brandt, die der Arachniden G. R. Treviranus, Dufour, Blanchard, J. Müller, Brandt, A. Dugès, Doyère; von den Arbeiten über Inſectenanatomie ſind neben den allgemeinen oben genannten noch erwähnenswerth die Unterſuchungen über Verdauungs- organe von Carl Aug. Ramdohr (1811), ſowie der Nachweis der Malpighiſchen Gefäße als Nieren durch Rengger (1817) und Wurzer (1818, Brugnatelli hatte 1816 ſchon Harnſäure in den Excreten ge- funden, ohne das Organ zu bezeichnen). Von großer Bedeutung ſind die Unterſuchungen über den Haushalt verſchiedener, beſonders ſocial lebender Inſecten, unter denen die claſſiſchen Beobachtungen über die Ameiſen und Bienen von den beiden Huber (Franç. 1750-1831,

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 696. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/707>, abgerufen am 22.11.2024.