Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.Gewiss ist es unmöglich, begrifflich klar zu bestimmen, wasDisposition. 1) Auf die schwierige Frage der Rassen werde ich an anderer Stelle
zurückzukommen haben (siehe Kap. 4). Hier will ich nur eine sehr wichtige Be- merkung einschalten: Während von verschiedenen Seiten die Existenz einer arischen Rasse in Frage gezogen wird, indem manche Philologen die Stichhaltigkeit des sprachlichen Kriteriums in Frage ziehen (siehe Salomon Reinach: L'origine des Aryens) und einzelne Anthropologen auf die chaotischen Ergebnisse der Schädel- messungen hinweisen (z. B. Topinard und Ratzel), gebrauchen die Forscher auf dem Gebiete der Rechtsgeschichte einmütig den Ausdruck Arier, resp. Indo- europäer, weil sie eine bestimmte rechtliche Auffassung in der Gruppe dieser sprachlich verwandten Völker finden, welche sich vom ersten Beginn an und durch alle Verzweigungen einer vielfältigen Entwickelung prinzipiell von gewissen ebenso unausrottbaren, rechtlichen Anschauungen bei Semiten, Hamiten u. s. w. unterscheiden. (Man sehe die Werke von Savigny, Mommsen, Jhering und Gewiss ist es unmöglich, begrifflich klar zu bestimmen, wasDisposition. 1) Auf die schwierige Frage der Rassen werde ich an anderer Stelle
zurückzukommen haben (siehe Kap. 4). Hier will ich nur eine sehr wichtige Be- merkung einschalten: Während von verschiedenen Seiten die Existenz einer arischen Rasse in Frage gezogen wird, indem manche Philologen die Stichhaltigkeit des sprachlichen Kriteriums in Frage ziehen (siehe Salomon Reinach: L’origine des Aryens) und einzelne Anthropologen auf die chaotischen Ergebnisse der Schädel- messungen hinweisen (z. B. Topinard und Ratzel), gebrauchen die Forscher auf dem Gebiete der Rechtsgeschichte einmütig den Ausdruck Arier, resp. Indo- europäer, weil sie eine bestimmte rechtliche Auffassung in der Gruppe dieser sprachlich verwandten Völker finden, welche sich vom ersten Beginn an und durch alle Verzweigungen einer vielfältigen Entwickelung prinzipiell von gewissen ebenso unausrottbaren, rechtlichen Anschauungen bei Semiten, Hamiten u. s. w. unterscheiden. (Man sehe die Werke von Savigny, Mommsen, Jhering und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0144" n="[121]"/> <p><hi rendition="#in">G</hi>ewiss ist es unmöglich, begrifflich klar zu bestimmen, was<note place="right">Disposition.</note><lb/> wir von Rom geerbt haben, was aus dieser ungeheuren Werkstatt<lb/> menschlicher Geschicke noch heute lebendig weiter wirkt, wenn wir<lb/> nicht eine klare Vorstellung davon besitzen, was Rom war. Selbst<lb/> das römische Recht im engern Sinne des Wortes (das Privatrecht),<lb/> von dem ein Jeder weiss, dass es den Grundstoff bildet, an dem noch<lb/> heute alles juristische Denken grossgezogen wird, und dass es noch<lb/> immer die thatsächliche Grundlage abgiebt, selbst für die freiesten, am<lb/> weitesten abweichenden, neueren Rechtssysteme, kann unmöglich in<lb/> der Eigenartigkeit seines Wertes recht beurteilt werden, wenn es ein-<lb/> fach als eine Art Laienbibel angesehen wird, als ein Kanon, der nun<lb/> einmal da ist, geheiligt durch die Jahrtausende. Ist das blinde Fest-<lb/> halten an römischen Rechtssätzen die Folge einer oberflächlichen<lb/> historischen Auffassung, so gilt das nicht minder von der weit über<lb/> das Ziel hinausschiessenden Reaktion <hi rendition="#g">gegen</hi> das römische Recht.<lb/> Wer dieses Recht und sein langsames, mühsames Entstehen, und sei<lb/> es auch nur in den allgemeinsten Umrissen studiert, wird gewiss<lb/> anders urteilen. Denn dann wird er sehen, wie die indoeuropäischen<lb/> Stämme<note xml:id="seg2pn_10_1" next="#seg2pn_10_2" place="foot" n="1)">Auf die schwierige Frage der <hi rendition="#g">Rassen</hi> werde ich an anderer Stelle<lb/> zurückzukommen haben (siehe Kap. 4). Hier will ich nur eine sehr wichtige Be-<lb/> merkung einschalten: Während von verschiedenen Seiten die Existenz einer arischen<lb/> Rasse in Frage gezogen wird, indem manche Philologen die Stichhaltigkeit des<lb/> sprachlichen Kriteriums in Frage ziehen (siehe Salomon Reinach: <hi rendition="#i">L’origine des<lb/> Aryens</hi>) und einzelne Anthropologen auf die chaotischen Ergebnisse der Schädel-<lb/> messungen hinweisen (z. B. Topinard und Ratzel), gebrauchen die Forscher<lb/> auf dem Gebiete der Rechtsgeschichte einmütig den Ausdruck Arier, resp. Indo-<lb/> europäer, weil sie eine bestimmte rechtliche Auffassung in der Gruppe dieser<lb/> sprachlich verwandten Völker finden, welche sich vom ersten Beginn an und durch<lb/> alle Verzweigungen einer vielfältigen Entwickelung <hi rendition="#g">prinzipiell</hi> von gewissen<lb/> ebenso unausrottbaren, rechtlichen Anschauungen bei Semiten, Hamiten u. s. w.<lb/> unterscheiden. (Man sehe die Werke von Savigny, Mommsen, Jhering und</note> schon in den ältesten Zeiten einige scharf ausgesprochene,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[121]/0144]
Gewiss ist es unmöglich, begrifflich klar zu bestimmen, was
wir von Rom geerbt haben, was aus dieser ungeheuren Werkstatt
menschlicher Geschicke noch heute lebendig weiter wirkt, wenn wir
nicht eine klare Vorstellung davon besitzen, was Rom war. Selbst
das römische Recht im engern Sinne des Wortes (das Privatrecht),
von dem ein Jeder weiss, dass es den Grundstoff bildet, an dem noch
heute alles juristische Denken grossgezogen wird, und dass es noch
immer die thatsächliche Grundlage abgiebt, selbst für die freiesten, am
weitesten abweichenden, neueren Rechtssysteme, kann unmöglich in
der Eigenartigkeit seines Wertes recht beurteilt werden, wenn es ein-
fach als eine Art Laienbibel angesehen wird, als ein Kanon, der nun
einmal da ist, geheiligt durch die Jahrtausende. Ist das blinde Fest-
halten an römischen Rechtssätzen die Folge einer oberflächlichen
historischen Auffassung, so gilt das nicht minder von der weit über
das Ziel hinausschiessenden Reaktion gegen das römische Recht.
Wer dieses Recht und sein langsames, mühsames Entstehen, und sei
es auch nur in den allgemeinsten Umrissen studiert, wird gewiss
anders urteilen. Denn dann wird er sehen, wie die indoeuropäischen
Stämme 1) schon in den ältesten Zeiten einige scharf ausgesprochene,
Disposition.
1) Auf die schwierige Frage der Rassen werde ich an anderer Stelle
zurückzukommen haben (siehe Kap. 4). Hier will ich nur eine sehr wichtige Be-
merkung einschalten: Während von verschiedenen Seiten die Existenz einer arischen
Rasse in Frage gezogen wird, indem manche Philologen die Stichhaltigkeit des
sprachlichen Kriteriums in Frage ziehen (siehe Salomon Reinach: L’origine des
Aryens) und einzelne Anthropologen auf die chaotischen Ergebnisse der Schädel-
messungen hinweisen (z. B. Topinard und Ratzel), gebrauchen die Forscher
auf dem Gebiete der Rechtsgeschichte einmütig den Ausdruck Arier, resp. Indo-
europäer, weil sie eine bestimmte rechtliche Auffassung in der Gruppe dieser
sprachlich verwandten Völker finden, welche sich vom ersten Beginn an und durch
alle Verzweigungen einer vielfältigen Entwickelung prinzipiell von gewissen
ebenso unausrottbaren, rechtlichen Anschauungen bei Semiten, Hamiten u. s. w.
unterscheiden. (Man sehe die Werke von Savigny, Mommsen, Jhering und
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