zu wirken allmächtig, als Sallust, sein treuer Freund, ihn schon fragen musste: ob er denn eigentlich die Republik gerettet oder ge- raubt habe?1) Im besten Falle hatte er sie gerettet wie Virginius seine Tochter. Pompejus, erzählen mehrere zeitgenössische Schrift- steller, wollte keinen neben sich, Caesar keinen über sich dulden. -- Man stelle sich vor, was aus Rom noch hätte werden können, wenn zwei solche Männer, anstatt Politiker zu sein, als Diener des Vaterlandes gehandelt hätten, wie das bisher römische Art gewesen war!
Es kann nicht meine Aufgabe sein, das hier flüchtig Angedeutete näher auszuführen; mir lag einzig daran, fühlbar zu machen, wie wenig man das Wesentliche an einem Volk erkennt, wenn man sich einzig und allein mit der Geschichte seiner Politiker und Feldherren abgiebt. Ganz besonders ist das bei Rom der Fall. Wer Rom lediglich von diesem Standpunkt aus betrachtet, und hielte er dabei auch noch so fleissig historische und pragmatisierende Umschau, kann gewiss zu keinem anderen Ergebnis als Herder gelangen, dessen Darstellung darum auch klassisch bleiben wird. Für diesen genialen Mann ist römische Geschichte "Dämonengeschichte", Rom eine "Räuberhöhle"; was die Römer der Welt schenken, ist, "verwüstende Nacht", ihre "grossen, edlen Seelen, Scipionen und Caesar" bringen ihr Leben mit Morden zu, je mehr Menschen sie in ihren Kriegszügen hingeschlachtet haben, umso feuriger das Lob, das ihnen gespendet wird -- -- --2) Das ist von einem gewissen Standpunkt aus voll- kommen richtig; doch haben die Forschungen der Niebuhr, Duruy und Mommsen (besonders die des zuletzt genannten), zugleich mit denen der glänzenden "romanistischen" Rechtshistoriker unseres Jahr- hunderts, Savigny, Jhering und vieler anderer, zugleich ein anderes Rom aufgedeckt, auf dessen Dasein zuerst Montesquieu die Auf- merksamkeit gelenkt hatte. Hier galt es, dasjenige aufzufinden und ins rechte Licht zu stellen, was die alten römischen Geschichtsschreiber, beschäftigt, Schlachten zu feiern, Verschwörungen zu schildern, gut zahlenden Politikern zu schmeicheln, Feinde zu verleumden, gar nicht bemerkt oder wenigstens niemals nach Verdienst gewürdigt hatten. Eine Nation wird nicht, was Rom in der Geschichte der Menschheit geworden ist, durch Raub und Mord, sondern trotz Raub und Mord; kein Volk bringt Staatsmänner und Krieger von so
1) Zweiter Brief an Caesar.
2)Ideen zur Geschichte der Menschheit, Buch 14.
Das Erbe der alten Welt.
zu wirken allmächtig, als Sallust, sein treuer Freund, ihn schon fragen musste: ob er denn eigentlich die Republik gerettet oder ge- raubt habe?1) Im besten Falle hatte er sie gerettet wie Virginius seine Tochter. Pompejus, erzählen mehrere zeitgenössische Schrift- steller, wollte keinen neben sich, Caesar keinen über sich dulden. — Man stelle sich vor, was aus Rom noch hätte werden können, wenn zwei solche Männer, anstatt Politiker zu sein, als Diener des Vaterlandes gehandelt hätten, wie das bisher römische Art gewesen war!
Es kann nicht meine Aufgabe sein, das hier flüchtig Angedeutete näher auszuführen; mir lag einzig daran, fühlbar zu machen, wie wenig man das Wesentliche an einem Volk erkennt, wenn man sich einzig und allein mit der Geschichte seiner Politiker und Feldherren abgiebt. Ganz besonders ist das bei Rom der Fall. Wer Rom lediglich von diesem Standpunkt aus betrachtet, und hielte er dabei auch noch so fleissig historische und pragmatisierende Umschau, kann gewiss zu keinem anderen Ergebnis als Herder gelangen, dessen Darstellung darum auch klassisch bleiben wird. Für diesen genialen Mann ist römische Geschichte »Dämonengeschichte«, Rom eine »Räuberhöhle«; was die Römer der Welt schenken, ist, »verwüstende Nacht«, ihre »grossen, edlen Seelen, Scipionen und Caesar« bringen ihr Leben mit Morden zu, je mehr Menschen sie in ihren Kriegszügen hingeschlachtet haben, umso feuriger das Lob, das ihnen gespendet wird — — —2) Das ist von einem gewissen Standpunkt aus voll- kommen richtig; doch haben die Forschungen der Niebuhr, Duruy und Mommsen (besonders die des zuletzt genannten), zugleich mit denen der glänzenden »romanistischen« Rechtshistoriker unseres Jahr- hunderts, Savigny, Jhering und vieler anderer, zugleich ein anderes Rom aufgedeckt, auf dessen Dasein zuerst Montesquieu die Auf- merksamkeit gelenkt hatte. Hier galt es, dasjenige aufzufinden und ins rechte Licht zu stellen, was die alten römischen Geschichtsschreiber, beschäftigt, Schlachten zu feiern, Verschwörungen zu schildern, gut zahlenden Politikern zu schmeicheln, Feinde zu verleumden, gar nicht bemerkt oder wenigstens niemals nach Verdienst gewürdigt hatten. Eine Nation wird nicht, was Rom in der Geschichte der Menschheit geworden ist, durch Raub und Mord, sondern trotz Raub und Mord; kein Volk bringt Staatsmänner und Krieger von so
1) Zweiter Brief an Caesar.
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Das Erbe der alten Welt.
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seine Tochter. Pompejus, erzählen mehrere zeitgenössische Schrift-
steller, wollte keinen neben sich, Caesar keinen über sich dulden. —
Man stelle sich vor, was aus Rom noch hätte werden können, wenn
zwei solche Männer, anstatt Politiker zu sein, als Diener des Vaterlandes
gehandelt hätten, wie das bisher römische Art gewesen war!
Es kann nicht meine Aufgabe sein, das hier flüchtig Angedeutete
näher auszuführen; mir lag einzig daran, fühlbar zu machen, wie
wenig man das Wesentliche an einem Volk erkennt, wenn man sich
einzig und allein mit der Geschichte seiner Politiker und Feldherren
abgiebt. Ganz besonders ist das bei Rom der Fall. Wer Rom
lediglich von diesem Standpunkt aus betrachtet, und hielte er dabei
auch noch so fleissig historische und pragmatisierende Umschau, kann
gewiss zu keinem anderen Ergebnis als Herder gelangen, dessen
Darstellung darum auch klassisch bleiben wird. Für diesen genialen
Mann ist römische Geschichte »Dämonengeschichte«, Rom eine
»Räuberhöhle«; was die Römer der Welt schenken, ist, »verwüstende
Nacht«, ihre »grossen, edlen Seelen, Scipionen und Caesar« bringen
ihr Leben mit Morden zu, je mehr Menschen sie in ihren Kriegszügen
hingeschlachtet haben, umso feuriger das Lob, das ihnen gespendet
wird — — — 2) Das ist von einem gewissen Standpunkt aus voll-
kommen richtig; doch haben die Forschungen der Niebuhr, Duruy
und Mommsen (besonders die des zuletzt genannten), zugleich mit
denen der glänzenden »romanistischen« Rechtshistoriker unseres Jahr-
hunderts, Savigny, Jhering und vieler anderer, zugleich ein anderes
Rom aufgedeckt, auf dessen Dasein zuerst Montesquieu die Auf-
merksamkeit gelenkt hatte. Hier galt es, dasjenige aufzufinden und
ins rechte Licht zu stellen, was die alten römischen Geschichtsschreiber,
beschäftigt, Schlachten zu feiern, Verschwörungen zu schildern, gut
zahlenden Politikern zu schmeicheln, Feinde zu verleumden, gar
nicht bemerkt oder wenigstens niemals nach Verdienst gewürdigt
hatten. Eine Nation wird nicht, was Rom in der Geschichte der
Menschheit geworden ist, durch Raub und Mord, sondern trotz
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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/151>, abgerufen am 22.11.2024.
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