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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Die Erben.
bedingt" wie einer der sehr mässigen, liberalen unter ihnen unlängst
schrieb.1) Die ganze jüdische Religion ist ja auf diese Hoffnung ge-
gründet. Der jüdische Gottesglaube, das, was man bei diesem Volke
"Religion" nennen kann und auch darf (denn er ist die Quelle einer
achtungswerten Moralität geworden) ist ein Teil dieses National-
gedankens, nicht umgekehrt. Zu behaupten, es gebe eine jüdische
Religion, doch keine jüdische Nation, heisst darum einfach Unsinn
reden.2)

Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte bedeutet
also ohne Frage den Eintritt eines bestimmten, von allen europäischen
Völkern durchaus verschiedenen, ihnen gewissermassen gegensätzlichen
Elements, eines Elements, welches, während die Nationen Europas die
verschiedensten Phasen durchmachten, sich wesentlich gleichblieb,
welches im Verlaufe einer oft harten und grausamen Geschichte niemals
die Schwäche hatte, auf Verbrüderungsvorschläge einzugehen, sondern,
im Besitze seiner nationalen Idee, seiner nationalen Vergangenheit, seiner
nationalen Zukunft, die Berührung mit anderen Menschen wie eine Ver-
unreinigung empfand und noch heute empfindet; welches, Dank der
Sicherheit des Instinktes, die aus strenger Einheitlichkeit des National-
empfindens entspringt, es stets vermochte, auf Andere tiefgreifenden
Einfluss auszuüben, wogegen die Juden selber von unserer geistigen
und kulturellen Entwickelung nur hauttief berührt wurden. Um
diese höchst eigentümliche Situation vom Standpunkt des Europäers
aus zu kennzeichnen, müssen wir mit Herder wiederholen: das Volk
der Juden ist und bleibt ein unsrem Weltteil fremdes Volk; vom
Standpunkt des Juden aus erhält dieselbe Erkenntnis eine etwas ab-
weichende Formulierung, wir wissen aus einem früheren Kapitel,
wie der grosse freisinnige Philosoph Philo sie fasste: "einzig die
Israeliten sind Menschen im wahren Sinne des Wortes".3) Was der
Jude hier im intoleranten Ton des Rassenhochmuts vorbringt, genau
dasselbe hat unser grosser Goethe in liebenswürdigerer Weise ausge-

1) Skreinka: Entwickelungsgeschichte der jüdischen Dogmen. S. 75.
2) Auf dem jüdischen Kongress, gehalten in Basel im Jahre 1898, erklärte
Dr. Mandelstam, Professor an der Universität Kiew, in der Hauptrede der Sitzung vom
29. August, "dass die Juden das Aufgehen in die übrigen Nationalitäten
mit aller Energie zurückweisen,
und dass sie ihre historische Hoffnung
(d. h. also auf Weltherrschaft) festhalten" (nach dem Bericht eines Teilnehmers
am Kongress in der Pariser Zeitung Le Temps vom 2. September 1898).
3) Siehe S. 223.

Die Erben.
bedingt« wie einer der sehr mässigen, liberalen unter ihnen unlängst
schrieb.1) Die ganze jüdische Religion ist ja auf diese Hoffnung ge-
gründet. Der jüdische Gottesglaube, das, was man bei diesem Volke
»Religion« nennen kann und auch darf (denn er ist die Quelle einer
achtungswerten Moralität geworden) ist ein Teil dieses National-
gedankens, nicht umgekehrt. Zu behaupten, es gebe eine jüdische
Religion, doch keine jüdische Nation, heisst darum einfach Unsinn
reden.2)

Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte bedeutet
also ohne Frage den Eintritt eines bestimmten, von allen europäischen
Völkern durchaus verschiedenen, ihnen gewissermassen gegensätzlichen
Elements, eines Elements, welches, während die Nationen Europas die
verschiedensten Phasen durchmachten, sich wesentlich gleichblieb,
welches im Verlaufe einer oft harten und grausamen Geschichte niemals
die Schwäche hatte, auf Verbrüderungsvorschläge einzugehen, sondern,
im Besitze seiner nationalen Idee, seiner nationalen Vergangenheit, seiner
nationalen Zukunft, die Berührung mit anderen Menschen wie eine Ver-
unreinigung empfand und noch heute empfindet; welches, Dank der
Sicherheit des Instinktes, die aus strenger Einheitlichkeit des National-
empfindens entspringt, es stets vermochte, auf Andere tiefgreifenden
Einfluss auszuüben, wogegen die Juden selber von unserer geistigen
und kulturellen Entwickelung nur hauttief berührt wurden. Um
diese höchst eigentümliche Situation vom Standpunkt des Europäers
aus zu kennzeichnen, müssen wir mit Herder wiederholen: das Volk
der Juden ist und bleibt ein unsrem Weltteil fremdes Volk; vom
Standpunkt des Juden aus erhält dieselbe Erkenntnis eine etwas ab-
weichende Formulierung, wir wissen aus einem früheren Kapitel,
wie der grosse freisinnige Philosoph Philo sie fasste: »einzig die
Israeliten sind Menschen im wahren Sinne des Wortes«.3) Was der
Jude hier im intoleranten Ton des Rassenhochmuts vorbringt, genau
dasselbe hat unser grosser Goethe in liebenswürdigerer Weise ausge-

1) Skreinka: Entwickelungsgeschichte der jüdischen Dogmen. S. 75.
2) Auf dem jüdischen Kongress, gehalten in Basel im Jahre 1898, erklärte
Dr. Mandelstam, Professor an der Universität Kiew, in der Hauptrede der Sitzung vom
29. August, »dass die Juden das Aufgehen in die übrigen Nationalitäten
mit aller Energie zurückweisen,
und dass sie ihre historische Hoffnung
(d. h. also auf Weltherrschaft) festhalten« (nach dem Bericht eines Teilnehmers
am Kongress in der Pariser Zeitung Le Temps vom 2. September 1898).
3) Siehe S. 223.
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[328/0351] Die Erben. bedingt« wie einer der sehr mässigen, liberalen unter ihnen unlängst schrieb. 1) Die ganze jüdische Religion ist ja auf diese Hoffnung ge- gründet. Der jüdische Gottesglaube, das, was man bei diesem Volke »Religion« nennen kann und auch darf (denn er ist die Quelle einer achtungswerten Moralität geworden) ist ein Teil dieses National- gedankens, nicht umgekehrt. Zu behaupten, es gebe eine jüdische Religion, doch keine jüdische Nation, heisst darum einfach Unsinn reden. 2) Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte bedeutet also ohne Frage den Eintritt eines bestimmten, von allen europäischen Völkern durchaus verschiedenen, ihnen gewissermassen gegensätzlichen Elements, eines Elements, welches, während die Nationen Europas die verschiedensten Phasen durchmachten, sich wesentlich gleichblieb, welches im Verlaufe einer oft harten und grausamen Geschichte niemals die Schwäche hatte, auf Verbrüderungsvorschläge einzugehen, sondern, im Besitze seiner nationalen Idee, seiner nationalen Vergangenheit, seiner nationalen Zukunft, die Berührung mit anderen Menschen wie eine Ver- unreinigung empfand und noch heute empfindet; welches, Dank der Sicherheit des Instinktes, die aus strenger Einheitlichkeit des National- empfindens entspringt, es stets vermochte, auf Andere tiefgreifenden Einfluss auszuüben, wogegen die Juden selber von unserer geistigen und kulturellen Entwickelung nur hauttief berührt wurden. Um diese höchst eigentümliche Situation vom Standpunkt des Europäers aus zu kennzeichnen, müssen wir mit Herder wiederholen: das Volk der Juden ist und bleibt ein unsrem Weltteil fremdes Volk; vom Standpunkt des Juden aus erhält dieselbe Erkenntnis eine etwas ab- weichende Formulierung, wir wissen aus einem früheren Kapitel, wie der grosse freisinnige Philosoph Philo sie fasste: »einzig die Israeliten sind Menschen im wahren Sinne des Wortes«. 3) Was der Jude hier im intoleranten Ton des Rassenhochmuts vorbringt, genau dasselbe hat unser grosser Goethe in liebenswürdigerer Weise ausge- 1) Skreinka: Entwickelungsgeschichte der jüdischen Dogmen. S. 75. 2) Auf dem jüdischen Kongress, gehalten in Basel im Jahre 1898, erklärte Dr. Mandelstam, Professor an der Universität Kiew, in der Hauptrede der Sitzung vom 29. August, »dass die Juden das Aufgehen in die übrigen Nationalitäten mit aller Energie zurückweisen, und dass sie ihre historische Hoffnung (d. h. also auf Weltherrschaft) festhalten« (nach dem Bericht eines Teilnehmers am Kongress in der Pariser Zeitung Le Temps vom 2. September 1898). 3) Siehe S. 223.

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/351>, abgerufen am 24.11.2024.