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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Die Erben.
eigentlich die gesamte Litteratur der Juden, deren Studium ihr einziges
geistiges und intellektuelles Interesse": das sagt ein unverdächtiger Zeuge,
der jüdische Gelehrte C. G. Montefiore (a. a. O., S. 419 u. 543).
Ein ebenso unverdächtiger, Hirsch Graetz, citiert einen Ausspruch
Rabbi Akiba's: "Wer sich mit dem Lesen exoterischer Schriften (d. h.
mit jedem Studium ausser dem der heiligen jüdischen Thora) beschäf-
tigt, hat seinen Anteil an der zukünftigen Welt verwirkt."1) Die
Mischna lehrt: "seinen Sohn in griechischer Wissenschaft unterweisen
lassen, ist genau ebenso fluchwürdig wie Schweinezucht betreiben."2)
Dass das Hethitertum, welches die Hälfte des jüdischen Blutes, wie
wir gesehen haben, ausmacht, stets gegen derartige Lehren protestierte
und sich mit Vorliebe allem "Exoterischen" zuwandte, ist eine Sache
für sich; ich suche hier einzig den "Semiten" zu erfassen. Was den
sterilisierenden Einfluss der echtesten semitischen Religion, der moham-
medanischen, anlangt, so ist er zu offenbar, als dass ich ihn erst nach-
zuweisen hätte. Wir stehen also hier zunächst vor einer Menge
negativer Thatsachen und sehr wenigen positiven; wer sich nicht mit
Phrasen begnügen will, wird eben finden, dass es schwer ist, sich die
Persönlichkeit des echten Semiten vorzustellen, und doch ist es für
unser jetziges Vorhaben -- für die Beantwortung der Frage: Wer ist
der Jude? -- so wichtig, dass wir durchaus zur Klarheit der Vor-
stellung durchdringen müssen. Rufen wir die Gelehrten zu Hilfe!

Schlage ich in dem Werk des bedeutendsten und darum zu-
verlässigsten aller Ethnographen Deutschlands, Oskar Peschel, nach, so
finde ich auf diese Frage gar keine Antwort; das war ein vorsichtiger
Mann. Ratzel sagt folgendes: der Semit hat vor dem Hamiten und dem
Indogermanen die grössere Energie, wenn man will, Einseitigkeit des
religiösen Empfindens voraus; die Gewaltsamkeit und Ausschliesslich-
keit, kurz der Fanatismus, zeichnet den Semiten aus; religiöse Aus-
schweifungen, bis zum Menschenopfer, sind nirgends so verbreitet;
noch der Feldherr des Mahdi (1883) liess Gefangene lebendig in Kesseln
braten; der Semit ist Individualist, er hängt mehr am Glauben und
der Familie als am Staat; da der Semit keinen guten Soldaten abgiebt,
hatte er mit fremden Söldnern seine Siege zu erfechten; vielleicht

1) Gnosticismus und Judentum (Krotoschin 1846, S. 99). Der sonst in diesem
Zusammenhang nicht recht einleuchtende Sinn des Wortes "exoterisch" wird durch
die Herbeiziehung anderer Stellen erläutert, wo z. B. das Lesen griechischer Dichter
eine "exoterische Beschäftigung" genannt wird (S. 62).
2) Citiert nach Renan: Origines du Christianisme, I, 35.

Die Erben.
eigentlich die gesamte Litteratur der Juden, deren Studium ihr einziges
geistiges und intellektuelles Interesse«: das sagt ein unverdächtiger Zeuge,
der jüdische Gelehrte C. G. Montefiore (a. a. O., S. 419 u. 543).
Ein ebenso unverdächtiger, Hirsch Graetz, citiert einen Ausspruch
Rabbi Akiba’s: »Wer sich mit dem Lesen exoterischer Schriften (d. h.
mit jedem Studium ausser dem der heiligen jüdischen Thora) beschäf-
tigt, hat seinen Anteil an der zukünftigen Welt verwirkt.«1) Die
Mischna lehrt: »seinen Sohn in griechischer Wissenschaft unterweisen
lassen, ist genau ebenso fluchwürdig wie Schweinezucht betreiben.«2)
Dass das Hethitertum, welches die Hälfte des jüdischen Blutes, wie
wir gesehen haben, ausmacht, stets gegen derartige Lehren protestierte
und sich mit Vorliebe allem »Exoterischen« zuwandte, ist eine Sache
für sich; ich suche hier einzig den »Semiten« zu erfassen. Was den
sterilisierenden Einfluss der echtesten semitischen Religion, der moham-
medanischen, anlangt, so ist er zu offenbar, als dass ich ihn erst nach-
zuweisen hätte. Wir stehen also hier zunächst vor einer Menge
negativer Thatsachen und sehr wenigen positiven; wer sich nicht mit
Phrasen begnügen will, wird eben finden, dass es schwer ist, sich die
Persönlichkeit des echten Semiten vorzustellen, und doch ist es für
unser jetziges Vorhaben — für die Beantwortung der Frage: Wer ist
der Jude? — so wichtig, dass wir durchaus zur Klarheit der Vor-
stellung durchdringen müssen. Rufen wir die Gelehrten zu Hilfe!

Schlage ich in dem Werk des bedeutendsten und darum zu-
verlässigsten aller Ethnographen Deutschlands, Oskar Peschel, nach, so
finde ich auf diese Frage gar keine Antwort; das war ein vorsichtiger
Mann. Ratzel sagt folgendes: der Semit hat vor dem Hamiten und dem
Indogermanen die grössere Energie, wenn man will, Einseitigkeit des
religiösen Empfindens voraus; die Gewaltsamkeit und Ausschliesslich-
keit, kurz der Fanatismus, zeichnet den Semiten aus; religiöse Aus-
schweifungen, bis zum Menschenopfer, sind nirgends so verbreitet;
noch der Feldherr des Mahdi (1883) liess Gefangene lebendig in Kesseln
braten; der Semit ist Individualist, er hängt mehr am Glauben und
der Familie als am Staat; da der Semit keinen guten Soldaten abgiebt,
hatte er mit fremden Söldnern seine Siege zu erfechten; vielleicht

1) Gnosticismus und Judentum (Krotoschin 1846, S. 99). Der sonst in diesem
Zusammenhang nicht recht einleuchtende Sinn des Wortes »exoterisch« wird durch
die Herbeiziehung anderer Stellen erläutert, wo z. B. das Lesen griechischer Dichter
eine »exoterische Beschäftigung« genannt wird (S. 62).
2) Citiert nach Renan: Origines du Christianisme, I, 35.
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[382/0405] Die Erben. eigentlich die gesamte Litteratur der Juden, deren Studium ihr einziges geistiges und intellektuelles Interesse«: das sagt ein unverdächtiger Zeuge, der jüdische Gelehrte C. G. Montefiore (a. a. O., S. 419 u. 543). Ein ebenso unverdächtiger, Hirsch Graetz, citiert einen Ausspruch Rabbi Akiba’s: »Wer sich mit dem Lesen exoterischer Schriften (d. h. mit jedem Studium ausser dem der heiligen jüdischen Thora) beschäf- tigt, hat seinen Anteil an der zukünftigen Welt verwirkt.« 1) Die Mischna lehrt: »seinen Sohn in griechischer Wissenschaft unterweisen lassen, ist genau ebenso fluchwürdig wie Schweinezucht betreiben.« 2) Dass das Hethitertum, welches die Hälfte des jüdischen Blutes, wie wir gesehen haben, ausmacht, stets gegen derartige Lehren protestierte und sich mit Vorliebe allem »Exoterischen« zuwandte, ist eine Sache für sich; ich suche hier einzig den »Semiten« zu erfassen. Was den sterilisierenden Einfluss der echtesten semitischen Religion, der moham- medanischen, anlangt, so ist er zu offenbar, als dass ich ihn erst nach- zuweisen hätte. Wir stehen also hier zunächst vor einer Menge negativer Thatsachen und sehr wenigen positiven; wer sich nicht mit Phrasen begnügen will, wird eben finden, dass es schwer ist, sich die Persönlichkeit des echten Semiten vorzustellen, und doch ist es für unser jetziges Vorhaben — für die Beantwortung der Frage: Wer ist der Jude? — so wichtig, dass wir durchaus zur Klarheit der Vor- stellung durchdringen müssen. Rufen wir die Gelehrten zu Hilfe! Schlage ich in dem Werk des bedeutendsten und darum zu- verlässigsten aller Ethnographen Deutschlands, Oskar Peschel, nach, so finde ich auf diese Frage gar keine Antwort; das war ein vorsichtiger Mann. Ratzel sagt folgendes: der Semit hat vor dem Hamiten und dem Indogermanen die grössere Energie, wenn man will, Einseitigkeit des religiösen Empfindens voraus; die Gewaltsamkeit und Ausschliesslich- keit, kurz der Fanatismus, zeichnet den Semiten aus; religiöse Aus- schweifungen, bis zum Menschenopfer, sind nirgends so verbreitet; noch der Feldherr des Mahdi (1883) liess Gefangene lebendig in Kesseln braten; der Semit ist Individualist, er hängt mehr am Glauben und der Familie als am Staat; da der Semit keinen guten Soldaten abgiebt, hatte er mit fremden Söldnern seine Siege zu erfechten; vielleicht 1) Gnosticismus und Judentum (Krotoschin 1846, S. 99). Der sonst in diesem Zusammenhang nicht recht einleuchtende Sinn des Wortes »exoterisch« wird durch die Herbeiziehung anderer Stellen erläutert, wo z. B. das Lesen griechischer Dichter eine »exoterische Beschäftigung« genannt wird (S. 62). 2) Citiert nach Renan: Origines du Christianisme, I, 35.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/405>, abgerufen am 24.11.2024.