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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899.

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Die Entstehung einer neuen Welt.
Phantasie und wir erfahren, dass sich aus ihren Sprachresten eine
eigentümliche Prädisposition für das metaphysische Denken entnehmen
lässt!1) Man sieht wie vielfach sich die Fäden verschlingen, wie all-
bestimmend die Natur der besonderen Rassenpersönlichkeit mit ihren
Gegensätzen und ihrem ein für allemal bestimmten Charakter ist.

Leider kann ich diese Untersuchung hier nicht weiter führen,
doch ich glaube, selbst diese so äusserst flüchtigen Andeutungen werden
zu manchem Nachdenken und zu mancher auch für die Gegenwart
wichtigen Erkenntnis führen. Nehmen wir nun zum Schlusse noch
einmal die Tafel zur Hand und schauen uns um, wo wir einen wirklich
harmonischen, nach allen Richtungen hin schön und frei entwickelten
Menschen finden, so werden wir in der Vergangenheit einzig und
allein den Hellenen nennen können. Alle Elemente des Menschen-
lebens stehen bei ihm in schönster Blüte: Entdeckung, Wissenschaft,
Industrie, Wirtschaft, Politik, Weltanschauung, Kunst; überall hält er
Stich. Hier steht wirklich ein "ganzer Mann" vor uns. Er hat sich
nicht "entwickelt" aus dem Chinesen, der sich schon zur Blütezeit
Athens2) in überflüssiger Emsigkeit abmühte, er ist nicht eine "Evolu-
tion" des Ägypters, trotzdem er vor dessen angeblicher Weisheit eine
ganz unberechtigte Scheu empfand, er bedeutet nicht einen "Fort-
schritt" über den phönizischen Hausierer, der ihn zuerst mit einigen
Rudimenten der Civilisation bekannt gemacht hatte; sondern in bar-
barischen Gegenden, unter bestimmten, wahrscheinlich harten Lebens-
bedingungen, hatte eine edle Menschenrasse sich noch weiter veredelt
und -- dies schon historisch nachweisbar -- sich durch Kreuzung
zwischen verwandten doch individualisierten Gliedern vielseitigste Be-
gabung erworben. Dieser Mensch trat gleich auf als der, der er sein
und bleiben sollte. Er entwickelte sich schnell.3) Was die Welt an
ererbten Entdeckungen und Erfindungen und Gedanken besass, hatte
bei den Ägyptern zu einer toten hieratischen Wissenschaft, gepaart mit

1) Siehe S. 399, Anmerk. I.
2) Mehr als 2000 Jahre vor Christus beginnt die bereits historische Bericht-
erstattung der Chinesen.
3) In einer Rede, gehalten vor der British Association am 21. September 1896,
spricht Flinders Petrie die Meinung aus, die ältesten mycenischen Kunstwerke, z. B.
die berühmten goldenen Becher mit Stieren und Kühen (etwa aus dem Jahre 1200
vor Christus) seien in Bezug auf künstlerisches Empfinden, auf treue Naturbeob-
achtung, auf Meisterschaft der Ausführung allen späteren Werken der sogenannten
Glanzzeit ebenbürtig.

Die Entstehung einer neuen Welt.
Phantasie und wir erfahren, dass sich aus ihren Sprachresten eine
eigentümliche Prädisposition für das metaphysische Denken entnehmen
lässt!1) Man sieht wie vielfach sich die Fäden verschlingen, wie all-
bestimmend die Natur der besonderen Rassenpersönlichkeit mit ihren
Gegensätzen und ihrem ein für allemal bestimmten Charakter ist.

Leider kann ich diese Untersuchung hier nicht weiter führen,
doch ich glaube, selbst diese so äusserst flüchtigen Andeutungen werden
zu manchem Nachdenken und zu mancher auch für die Gegenwart
wichtigen Erkenntnis führen. Nehmen wir nun zum Schlusse noch
einmal die Tafel zur Hand und schauen uns um, wo wir einen wirklich
harmonischen, nach allen Richtungen hin schön und frei entwickelten
Menschen finden, so werden wir in der Vergangenheit einzig und
allein den Hellenen nennen können. Alle Elemente des Menschen-
lebens stehen bei ihm in schönster Blüte: Entdeckung, Wissenschaft,
Industrie, Wirtschaft, Politik, Weltanschauung, Kunst; überall hält er
Stich. Hier steht wirklich ein »ganzer Mann« vor uns. Er hat sich
nicht »entwickelt« aus dem Chinesen, der sich schon zur Blütezeit
Athens2) in überflüssiger Emsigkeit abmühte, er ist nicht eine »Evolu-
tion« des Ägypters, trotzdem er vor dessen angeblicher Weisheit eine
ganz unberechtigte Scheu empfand, er bedeutet nicht einen »Fort-
schritt« über den phönizischen Hausierer, der ihn zuerst mit einigen
Rudimenten der Civilisation bekannt gemacht hatte; sondern in bar-
barischen Gegenden, unter bestimmten, wahrscheinlich harten Lebens-
bedingungen, hatte eine edle Menschenrasse sich noch weiter veredelt
und — dies schon historisch nachweisbar — sich durch Kreuzung
zwischen verwandten doch individualisierten Gliedern vielseitigste Be-
gabung erworben. Dieser Mensch trat gleich auf als der, der er sein
und bleiben sollte. Er entwickelte sich schnell.3) Was die Welt an
ererbten Entdeckungen und Erfindungen und Gedanken besass, hatte
bei den Ägyptern zu einer toten hieratischen Wissenschaft, gepaart mit

1) Siehe S. 399, Anmerk. I.
2) Mehr als 2000 Jahre vor Christus beginnt die bereits historische Bericht-
erstattung der Chinesen.
3) In einer Rede, gehalten vor der British Association am 21. September 1896,
spricht Flinders Petrie die Meinung aus, die ältesten mycenischen Kunstwerke, z. B.
die berühmten goldenen Becher mit Stieren und Kühen (etwa aus dem Jahre 1200
vor Christus) seien in Bezug auf künstlerisches Empfinden, auf treue Naturbeob-
achtung, auf Meisterschaft der Ausführung allen späteren Werken der sogenannten
Glanzzeit ebenbürtig.
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[746/0225] Die Entstehung einer neuen Welt. Phantasie und wir erfahren, dass sich aus ihren Sprachresten eine eigentümliche Prädisposition für das metaphysische Denken entnehmen lässt! 1) Man sieht wie vielfach sich die Fäden verschlingen, wie all- bestimmend die Natur der besonderen Rassenpersönlichkeit mit ihren Gegensätzen und ihrem ein für allemal bestimmten Charakter ist. Leider kann ich diese Untersuchung hier nicht weiter führen, doch ich glaube, selbst diese so äusserst flüchtigen Andeutungen werden zu manchem Nachdenken und zu mancher auch für die Gegenwart wichtigen Erkenntnis führen. Nehmen wir nun zum Schlusse noch einmal die Tafel zur Hand und schauen uns um, wo wir einen wirklich harmonischen, nach allen Richtungen hin schön und frei entwickelten Menschen finden, so werden wir in der Vergangenheit einzig und allein den Hellenen nennen können. Alle Elemente des Menschen- lebens stehen bei ihm in schönster Blüte: Entdeckung, Wissenschaft, Industrie, Wirtschaft, Politik, Weltanschauung, Kunst; überall hält er Stich. Hier steht wirklich ein »ganzer Mann« vor uns. Er hat sich nicht »entwickelt« aus dem Chinesen, der sich schon zur Blütezeit Athens 2) in überflüssiger Emsigkeit abmühte, er ist nicht eine »Evolu- tion« des Ägypters, trotzdem er vor dessen angeblicher Weisheit eine ganz unberechtigte Scheu empfand, er bedeutet nicht einen »Fort- schritt« über den phönizischen Hausierer, der ihn zuerst mit einigen Rudimenten der Civilisation bekannt gemacht hatte; sondern in bar- barischen Gegenden, unter bestimmten, wahrscheinlich harten Lebens- bedingungen, hatte eine edle Menschenrasse sich noch weiter veredelt und — dies schon historisch nachweisbar — sich durch Kreuzung zwischen verwandten doch individualisierten Gliedern vielseitigste Be- gabung erworben. Dieser Mensch trat gleich auf als der, der er sein und bleiben sollte. Er entwickelte sich schnell. 3) Was die Welt an ererbten Entdeckungen und Erfindungen und Gedanken besass, hatte bei den Ägyptern zu einer toten hieratischen Wissenschaft, gepaart mit 1) Siehe S. 399, Anmerk. I. 2) Mehr als 2000 Jahre vor Christus beginnt die bereits historische Bericht- erstattung der Chinesen. 3) In einer Rede, gehalten vor der British Association am 21. September 1896, spricht Flinders Petrie die Meinung aus, die ältesten mycenischen Kunstwerke, z. B. die berühmten goldenen Becher mit Stieren und Kühen (etwa aus dem Jahre 1200 vor Christus) seien in Bezug auf künstlerisches Empfinden, auf treue Naturbeob- achtung, auf Meisterschaft der Ausführung allen späteren Werken der sogenannten Glanzzeit ebenbürtig.

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899, S. 746. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen02_1899/225>, abgerufen am 21.11.2024.