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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899.

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Entdeckung.
Planeten frei schweben? Somit kamen geniale Hypothesen der alten
Hellenen wieder zu Ehren.1) Vor Magalhanes fassten derartige Speku-
lationen (z. B. die des Regiomontanus) nie festen Fuss; wogegen
sobald kein Zweifel mehr bestand über die Gestalt der Erde, ein
Kopernikus gleich zur Hand war; denn jetzt stand die Spekulation
auf dem festen Boden sicherer Thatsachen. Hierdurch wurde aber
sofort die Erinnerung an jenes schon von Roger Bacon angegebene
Teleskop geweckt, und die Entdeckungen auf unserem Planeten setzten
sich fort durch Entdeckungen am Himmel. Kaum war die Bewegung
der Erde als wahrscheinliche Hypothese aufgestellt worden, und schon
sah man mit Augen die Monde um Jupiter herum kreisen.2) Welchen
immensen Impuls die Physik durch die völlige Umgestaltung der kos-
mischen Vorstellungen erhielt, zeigt die Geschichte. Dass sie bei
Archimedes anknüpft, ist wahr, so dass man der Renaissance ein ge-
wisses kleines Verdienst daran lassen kann, doch weist Galilei darauf
hin, dass die Geringschätzung der höheren Mathematik und Mechanik
mit dem Mangel eines sichtbaren Gegenstandes für deren An-
wendung zusammenhing,3) und die Hauptsache ist, dass eine mechanische
Auffassung der Welt überhaupt erst dann sich den Menschen aufdrängen
konnte, als sie mit Augen die mechanische Struktur des Kosmos er-
blickten. Jetzt erst wurden die Gesetze des Falles sorgfältig untersucht;
diese führten zu einer neuen Vorstellung und Analyse der Schwer-
kraft, sowie zu einer neuen und richtigeren Bestimmung der Grundeigen-
schaften aller Materie. Die treibende Kraft zu allen diesen Studien
war die durch den Anblick schwebender Gestirne mächtig erregte
Phantasie. Die hohe Bedeutung fortwährender Entdeckungen für das
Wachhalten der Phantasie (und somit auch für die Kunst) habe ich
schon früher erwähnt (S. 270); hier erblicken wir das Prinzip am Werke.

Man sieht, wie sich das Eine aus dem Anderen ergiebt, und
wie der erste Anstoss zu allen diesen Entdeckungen in den Ent-

1) Gleich in der Widmung zu seinem De revolutionibus nennt Kopernikus diese
Meinungen der Alten. Und als das Werk später auf den Index kam, wurde die
Lehre des Kopernikus kurzweg als doctrina Pythagorica bezeichnet (Lange: Gesch.
des Materialismus
, 4. Aufl. I, 172).
2) Die Bewegung dieser Monde ist so leicht zu beobachten, dass Galilei
sie sofort bemerkte und in seinem Briefe vom 30. Januar 1610 erwähnt.
3) So habe ich wenigstens ein Citat in Thurot: Recherches historiques sur
le principe d'Archimede
, 1869, gedeutet, bin aber leider augenblicklich nicht in der
Lage, die Treue meines Gedächtnisses und die Richtigkeit meiner Auffassung
zu prüfen.

Entdeckung.
Planeten frei schweben? Somit kamen geniale Hypothesen der alten
Hellenen wieder zu Ehren.1) Vor Magalhães fassten derartige Speku-
lationen (z. B. die des Regiomontanus) nie festen Fuss; wogegen
sobald kein Zweifel mehr bestand über die Gestalt der Erde, ein
Kopernikus gleich zur Hand war; denn jetzt stand die Spekulation
auf dem festen Boden sicherer Thatsachen. Hierdurch wurde aber
sofort die Erinnerung an jenes schon von Roger Bacon angegebene
Teleskop geweckt, und die Entdeckungen auf unserem Planeten setzten
sich fort durch Entdeckungen am Himmel. Kaum war die Bewegung
der Erde als wahrscheinliche Hypothese aufgestellt worden, und schon
sah man mit Augen die Monde um Jupiter herum kreisen.2) Welchen
immensen Impuls die Physik durch die völlige Umgestaltung der kos-
mischen Vorstellungen erhielt, zeigt die Geschichte. Dass sie bei
Archimedes anknüpft, ist wahr, so dass man der Renaissance ein ge-
wisses kleines Verdienst daran lassen kann, doch weist Galilei darauf
hin, dass die Geringschätzung der höheren Mathematik und Mechanik
mit dem Mangel eines sichtbaren Gegenstandes für deren An-
wendung zusammenhing,3) und die Hauptsache ist, dass eine mechanische
Auffassung der Welt überhaupt erst dann sich den Menschen aufdrängen
konnte, als sie mit Augen die mechanische Struktur des Kosmos er-
blickten. Jetzt erst wurden die Gesetze des Falles sorgfältig untersucht;
diese führten zu einer neuen Vorstellung und Analyse der Schwer-
kraft, sowie zu einer neuen und richtigeren Bestimmung der Grundeigen-
schaften aller Materie. Die treibende Kraft zu allen diesen Studien
war die durch den Anblick schwebender Gestirne mächtig erregte
Phantasie. Die hohe Bedeutung fortwährender Entdeckungen für das
Wachhalten der Phantasie (und somit auch für die Kunst) habe ich
schon früher erwähnt (S. 270); hier erblicken wir das Prinzip am Werke.

Man sieht, wie sich das Eine aus dem Anderen ergiebt, und
wie der erste Anstoss zu allen diesen Entdeckungen in den Ent-

1) Gleich in der Widmung zu seinem De revolutionibus nennt Kopernikus diese
Meinungen der Alten. Und als das Werk später auf den Index kam, wurde die
Lehre des Kopernikus kurzweg als doctrina Pythagorica bezeichnet (Lange: Gesch.
des Materialismus
, 4. Aufl. I, 172).
2) Die Bewegung dieser Monde ist so leicht zu beobachten, dass Galilei
sie sofort bemerkte und in seinem Briefe vom 30. Januar 1610 erwähnt.
3) So habe ich wenigstens ein Citat in Thurot: Recherches historiques sur
le principe d’Archimède
, 1869, gedeutet, bin aber leider augenblicklich nicht in der
Lage, die Treue meines Gedächtnisses und die Richtigkeit meiner Auffassung
zu prüfen.
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[773/0252] Entdeckung. Planeten frei schweben? Somit kamen geniale Hypothesen der alten Hellenen wieder zu Ehren. 1) Vor Magalhães fassten derartige Speku- lationen (z. B. die des Regiomontanus) nie festen Fuss; wogegen sobald kein Zweifel mehr bestand über die Gestalt der Erde, ein Kopernikus gleich zur Hand war; denn jetzt stand die Spekulation auf dem festen Boden sicherer Thatsachen. Hierdurch wurde aber sofort die Erinnerung an jenes schon von Roger Bacon angegebene Teleskop geweckt, und die Entdeckungen auf unserem Planeten setzten sich fort durch Entdeckungen am Himmel. Kaum war die Bewegung der Erde als wahrscheinliche Hypothese aufgestellt worden, und schon sah man mit Augen die Monde um Jupiter herum kreisen. 2) Welchen immensen Impuls die Physik durch die völlige Umgestaltung der kos- mischen Vorstellungen erhielt, zeigt die Geschichte. Dass sie bei Archimedes anknüpft, ist wahr, so dass man der Renaissance ein ge- wisses kleines Verdienst daran lassen kann, doch weist Galilei darauf hin, dass die Geringschätzung der höheren Mathematik und Mechanik mit dem Mangel eines sichtbaren Gegenstandes für deren An- wendung zusammenhing, 3) und die Hauptsache ist, dass eine mechanische Auffassung der Welt überhaupt erst dann sich den Menschen aufdrängen konnte, als sie mit Augen die mechanische Struktur des Kosmos er- blickten. Jetzt erst wurden die Gesetze des Falles sorgfältig untersucht; diese führten zu einer neuen Vorstellung und Analyse der Schwer- kraft, sowie zu einer neuen und richtigeren Bestimmung der Grundeigen- schaften aller Materie. Die treibende Kraft zu allen diesen Studien war die durch den Anblick schwebender Gestirne mächtig erregte Phantasie. Die hohe Bedeutung fortwährender Entdeckungen für das Wachhalten der Phantasie (und somit auch für die Kunst) habe ich schon früher erwähnt (S. 270); hier erblicken wir das Prinzip am Werke. Man sieht, wie sich das Eine aus dem Anderen ergiebt, und wie der erste Anstoss zu allen diesen Entdeckungen in den Ent- 1) Gleich in der Widmung zu seinem De revolutionibus nennt Kopernikus diese Meinungen der Alten. Und als das Werk später auf den Index kam, wurde die Lehre des Kopernikus kurzweg als doctrina Pythagorica bezeichnet (Lange: Gesch. des Materialismus, 4. Aufl. I, 172). 2) Die Bewegung dieser Monde ist so leicht zu beobachten, dass Galilei sie sofort bemerkte und in seinem Briefe vom 30. Januar 1610 erwähnt. 3) So habe ich wenigstens ein Citat in Thurot: Recherches historiques sur le principe d’Archimède, 1869, gedeutet, bin aber leider augenblicklich nicht in der Lage, die Treue meines Gedächtnisses und die Richtigkeit meiner Auffassung zu prüfen.

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899, S. 773. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen02_1899/252>, abgerufen am 21.11.2024.