Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899.Religion. merkwürdigen Mannes dürfte zum Teil in seinem Blute begründetliegen. Beweise liegen nicht vor. Wir wissen nur das Eine, dass er nicht in Judäa oder Phönicien, sondern ausserhalb des semitischen Umkreises, in Cilicien, geboren war, und zwar in der von einer dorischen Kolonie gegründeten, durchaus hellenischen Stadt Tarsus. Wenn wir nun einer- seits bedenken, wie lax die Juden jener Zeit (ausserhalb Judäa's) über die Mischehen dachten,1) andererseits, dass die Diaspora, in der Paulus geboren wurde, eifrig Propaganda trieb und namentlich viele Weiber für den jüdischen Glauben gewann,2) so erscheint die Vermutung durchaus nicht unzulässig, dass Paulus zwar einen Juden aus dem Stamme Benjamin zum Vater (wie er es behauptet, Römer XI, 1; Philipper III, 5), dagegen aber eine hellenische, zum Judentum über- getretene Mutter gehabt hat. Wenn historische Nachweise fehlen, hat wohl die wissenschaftliche Psychologie das Recht, ein Wort mit- zureden: obige Hypothese würde nun das sonst unbegreifliche Phänomen erklären, dass ein durchaus jüdischer Charakter (Zähigkeit, Schmieg- samkeit, Fanatismus, Selbstvertrauen) und eine talmudische Erziehung dennoch einen absolut unjüdischen Intellekt begleiten.3) Wie dem auch sein mag, Paulus wuchs nicht wie die übrigen Apostel in einem jüdischen Lande auf, sondern in einem regen Mittelpunkt griechischer Wissenschaft, sowie philosophischer und oratorischer Schulen. Von Jugend auf sprach und schrieb Paulus griechisch; seine Kenntnis des Hebräischen soll sogar recht mangelhaft gewesen sein.4) Mag er 1) Siehe z. B. Apostelgeschichte XVI, 1. 2) Vergl. S. 143, Anmerkung. 3) Was man von den Gesetzen der Vererbung weiss, würde sehr für die Annahme des jüdischen Vaters und der hellenischen Mutter sprechen. Zwar hat die früher beliebte Gleichung: ein Mann erbt den Charakter von seinem Vater, den Intellekt von seiner Mutter, sich als viel zu dogmatisch erwiesen; wenn zu- sammengewachsene Zwillinge mit einem einzigen Paar Beine durchaus verschiedenen Charakters sein können (vergl. Höffding: Psychologie, 2. Ausg., S. 480), so sieht man, wie vorsichtig man mit solchen Verallgemeinerungen sein muss. Dennoch giebt es so viele eklatante Fälle gerade bei den bedeutendsten Männern (ich will nur an Goethe und Schopenhauer erinnern), dass wir bei Paulus, wo eine so auf- fallende Inkongruenz wie ein unlösbares Problem vor uns steht, berechtigt sind, diese geschichtlich durchaus wahrscheinliche Hypothese aufzustellen. Wer ihre zwingende Kraft nicht einsieht, hat kein Verständnis für die Bedeutung der Rassenanlagen. 4) Graetz behauptet (Volkstümliche Geschichte der Juden I, 646); "Paulus hatte nur
geringe Kenntnis vom jüdischen Schrifttum und kannte die heilige Schritt nur aus der griechischen Übersetzung". Dagegen beweisen seine Citate aus Epimenides, Euripides und Aratus seine Vertrautheit mit hellenischer Litteratur. Religion. merkwürdigen Mannes dürfte zum Teil in seinem Blute begründetliegen. Beweise liegen nicht vor. Wir wissen nur das Eine, dass er nicht in Judäa oder Phönicien, sondern ausserhalb des semitischen Umkreises, in Cilicien, geboren war, und zwar in der von einer dorischen Kolonie gegründeten, durchaus hellenischen Stadt Tarsus. Wenn wir nun einer- seits bedenken, wie lax die Juden jener Zeit (ausserhalb Judäa’s) über die Mischehen dachten,1) andererseits, dass die Diaspora, in der Paulus geboren wurde, eifrig Propaganda trieb und namentlich viele Weiber für den jüdischen Glauben gewann,2) so erscheint die Vermutung durchaus nicht unzulässig, dass Paulus zwar einen Juden aus dem Stamme Benjamin zum Vater (wie er es behauptet, Römer XI, 1; Philipper III, 5), dagegen aber eine hellenische, zum Judentum über- getretene Mutter gehabt hat. Wenn historische Nachweise fehlen, hat wohl die wissenschaftliche Psychologie das Recht, ein Wort mit- zureden: obige Hypothese würde nun das sonst unbegreifliche Phänomen erklären, dass ein durchaus jüdischer Charakter (Zähigkeit, Schmieg- samkeit, Fanatismus, Selbstvertrauen) und eine talmudische Erziehung dennoch einen absolut unjüdischen Intellekt begleiten.3) Wie dem auch sein mag, Paulus wuchs nicht wie die übrigen Apostel in einem jüdischen Lande auf, sondern in einem regen Mittelpunkt griechischer Wissenschaft, sowie philosophischer und oratorischer Schulen. Von Jugend auf sprach und schrieb Paulus griechisch; seine Kenntnis des Hebräischen soll sogar recht mangelhaft gewesen sein.4) Mag er 1) Siehe z. B. Apostelgeschichte XVI, 1. 2) Vergl. S. 143, Anmerkung. 3) Was man von den Gesetzen der Vererbung weiss, würde sehr für die Annahme des jüdischen Vaters und der hellenischen Mutter sprechen. Zwar hat die früher beliebte Gleichung: ein Mann erbt den Charakter von seinem Vater, den Intellekt von seiner Mutter, sich als viel zu dogmatisch erwiesen; wenn zu- sammengewachsene Zwillinge mit einem einzigen Paar Beine durchaus verschiedenen Charakters sein können (vergl. Höffding: Psychologie, 2. Ausg., S. 480), so sieht man, wie vorsichtig man mit solchen Verallgemeinerungen sein muss. Dennoch giebt es so viele eklatante Fälle gerade bei den bedeutendsten Männern (ich will nur an Goethe und Schopenhauer erinnern), dass wir bei Paulus, wo eine so auf- fallende Inkongruenz wie ein unlösbares Problem vor uns steht, berechtigt sind, diese geschichtlich durchaus wahrscheinliche Hypothese aufzustellen. Wer ihre zwingende Kraft nicht einsieht, hat kein Verständnis für die Bedeutung der Rassenanlagen. 4) Graetz behauptet (Volkstümliche Geschichte der Juden I, 646); »Paulus hatte nur
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merkwürdigen Mannes dürfte zum Teil in seinem Blute begründet
liegen. Beweise liegen nicht vor. Wir wissen nur das Eine, dass er nicht
in Judäa oder Phönicien, sondern ausserhalb des semitischen Umkreises,
in Cilicien, geboren war, und zwar in der von einer dorischen Kolonie
gegründeten, durchaus hellenischen Stadt Tarsus. Wenn wir nun einer-
seits bedenken, wie lax die Juden jener Zeit (ausserhalb Judäa’s) über
die Mischehen dachten, 1) andererseits, dass die Diaspora, in der Paulus
geboren wurde, eifrig Propaganda trieb und namentlich viele Weiber
für den jüdischen Glauben gewann, 2) so erscheint die Vermutung
durchaus nicht unzulässig, dass Paulus zwar einen Juden aus dem
Stamme Benjamin zum Vater (wie er es behauptet, Römer XI, 1;
Philipper III, 5), dagegen aber eine hellenische, zum Judentum über-
getretene Mutter gehabt hat. Wenn historische Nachweise fehlen,
hat wohl die wissenschaftliche Psychologie das Recht, ein Wort mit-
zureden: obige Hypothese würde nun das sonst unbegreifliche Phänomen
erklären, dass ein durchaus jüdischer Charakter (Zähigkeit, Schmieg-
samkeit, Fanatismus, Selbstvertrauen) und eine talmudische Erziehung
dennoch einen absolut unjüdischen Intellekt begleiten. 3) Wie
dem auch sein mag, Paulus wuchs nicht wie die übrigen Apostel in
einem jüdischen Lande auf, sondern in einem regen Mittelpunkt
griechischer Wissenschaft, sowie philosophischer und oratorischer Schulen.
Von Jugend auf sprach und schrieb Paulus griechisch; seine Kenntnis
des Hebräischen soll sogar recht mangelhaft gewesen sein. 4) Mag er
1) Siehe z. B. Apostelgeschichte XVI, 1.
2) Vergl. S. 143, Anmerkung.
3) Was man von den Gesetzen der Vererbung weiss, würde sehr für die
Annahme des jüdischen Vaters und der hellenischen Mutter sprechen. Zwar hat
die früher beliebte Gleichung: ein Mann erbt den Charakter von seinem Vater,
den Intellekt von seiner Mutter, sich als viel zu dogmatisch erwiesen; wenn zu-
sammengewachsene Zwillinge mit einem einzigen Paar Beine durchaus verschiedenen
Charakters sein können (vergl. Höffding: Psychologie, 2. Ausg., S. 480), so sieht
man, wie vorsichtig man mit solchen Verallgemeinerungen sein muss. Dennoch
giebt es so viele eklatante Fälle gerade bei den bedeutendsten Männern (ich will
nur an Goethe und Schopenhauer erinnern), dass wir bei Paulus, wo eine so auf-
fallende Inkongruenz wie ein unlösbares Problem vor uns steht, berechtigt sind, diese
geschichtlich durchaus wahrscheinliche Hypothese aufzustellen. Wer ihre zwingende
Kraft nicht einsieht, hat kein Verständnis für die Bedeutung der Rassenanlagen.
4) Graetz behauptet (Volkstümliche Geschichte der Juden I, 646); »Paulus hatte nur
geringe Kenntnis vom jüdischen Schrifttum und kannte die heilige Schritt nur
aus der griechischen Übersetzung«. Dagegen beweisen seine Citate aus
Epimenides, Euripides und Aratus seine Vertrautheit mit hellenischer Litteratur.
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