Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899.Der Kampf. streng darüber, dass die Predigt wieder eingeführt werde und zwarso, "dass sie das Volk verstehen kann"; er verbietet den Priestern, das geweihte Salböl als Zaubermittel zu verkaufen; er verordnet, dass in seinem Reiche keine neuen Heiligen angerufen werden dürfen, u. s. w. Kurz, Karl bewährt sich in zweifacher Beziehung als germanischer Fürst: erstens, er und nicht der Bischof, auch nicht der Bischof von Rom, ist der Herr in seiner Kirche, zweitens, er erstrebt jene Ver- innerlichung der Religion, welche dem Indoeuropäer eigen ist. Am deutlichsten tritt das beim Bilderstreit hervor. In den berühmten, an den Papst gerichteten libri Carolini verurteilt Karl zwar den Ikono- klasmus, ebensosehr aber die Ikonodulie. Bilder zum Schmuck und zur Erinnerung zu haben, sei statthaft und gut, meint er, doch sei es vollkommen gleichgültig, ob man sie habe oder nicht, und keines- falls dürfe einem Bilde auch nur Verehrung, geschweige Anbetung gezollt werden. Hiermit stellte sich Karl in Widerspruch zu Lehre und Praxis der römischen Kirche, und zwar mit vollem Bewusstsein und indem er ausdrücklich die Beschlüsse der Synoden und die Autorität der Kirchenväter verwarf. Man hat versucht und versucht noch in den modernsten Kirchengeschichten die Sache als ein Missverständnis darzustellen; das griechische Wort proskynesis sei fälschlich durch adoratio übersetzt, dadurch Karl irregeführt worden u. s. w. Doch liegt der Schwerpunkt gar nicht in der kasuistischen Unterscheidung zwischen adorare, venerari, colere, etc., welche noch heute eine so grosse Rolle in der Theorie und eine so kleine in der Praxis spielt; sondern es stehen zwei Anschauungen einander gegenüber: der Papst Gregor II. hatte gelehrt, gewisse Bilder sind wunderwirkend;1) Karl dagegen behauptet, alle Bilder besitzen nur Kunstwert, an und für sich sind sie gleichgültig, die gegenteilige Annahme ist blasphema- torischer Götzendienst; die siebente allgemeine Synode zu Nicäa hatte im Jahre 787, in ihrer siebenten Sitzung bestimmt: "den Bildern und anderen heiligen Geräten seien Weihrauch und Lichter zu ihrer Verehrung darzubringen"; Karl erwidert darauf wörtlich: "Es ist thöricht, vor den Bildern Lichter und Weihrauch anzuzünden".2) Und so liegt die Sache ja noch heute. Gregor I. hatte (um das Jahr 600) 1) Vergl. S. 613 Anm. 2) Siehe die aktenmässige Darstellung in Hefele: Konziliengeschichte III, 472
und 708. Es gehört wirklich Keckheit dazu, uns Laien einreden zu wollen, hier liege einfach ein unschuldiges Missverständnis vor; hier stehen im Gegenteil zwei ge- trennte Weltanschauungen, zwei Rassen einander gegenüber. Der Kampf. streng darüber, dass die Predigt wieder eingeführt werde und zwarso, »dass sie das Volk verstehen kann«; er verbietet den Priestern, das geweihte Salböl als Zaubermittel zu verkaufen; er verordnet, dass in seinem Reiche keine neuen Heiligen angerufen werden dürfen, u. s. w. Kurz, Karl bewährt sich in zweifacher Beziehung als germanischer Fürst: erstens, er und nicht der Bischof, auch nicht der Bischof von Rom, ist der Herr in seiner Kirche, zweitens, er erstrebt jene Ver- innerlichung der Religion, welche dem Indoeuropäer eigen ist. Am deutlichsten tritt das beim Bilderstreit hervor. In den berühmten, an den Papst gerichteten libri Carolini verurteilt Karl zwar den Ikono- klasmus, ebensosehr aber die Ikonodulie. Bilder zum Schmuck und zur Erinnerung zu haben, sei statthaft und gut, meint er, doch sei es vollkommen gleichgültig, ob man sie habe oder nicht, und keines- falls dürfe einem Bilde auch nur Verehrung, geschweige Anbetung gezollt werden. Hiermit stellte sich Karl in Widerspruch zu Lehre und Praxis der römischen Kirche, und zwar mit vollem Bewusstsein und indem er ausdrücklich die Beschlüsse der Synoden und die Autorität der Kirchenväter verwarf. Man hat versucht und versucht noch in den modernsten Kirchengeschichten die Sache als ein Missverständnis darzustellen; das griechische Wort proskynesis sei fälschlich durch adoratio übersetzt, dadurch Karl irregeführt worden u. s. w. Doch liegt der Schwerpunkt gar nicht in der kasuistischen Unterscheidung zwischen adorare, venerari, colere, etc., welche noch heute eine so grosse Rolle in der Theorie und eine so kleine in der Praxis spielt; sondern es stehen zwei Anschauungen einander gegenüber: der Papst Gregor II. hatte gelehrt, gewisse Bilder sind wunderwirkend;1) Karl dagegen behauptet, alle Bilder besitzen nur Kunstwert, an und für sich sind sie gleichgültig, die gegenteilige Annahme ist blasphema- torischer Götzendienst; die siebente allgemeine Synode zu Nicäa hatte im Jahre 787, in ihrer siebenten Sitzung bestimmt: »den Bildern und anderen heiligen Geräten seien Weihrauch und Lichter zu ihrer Verehrung darzubringen«; Karl erwidert darauf wörtlich: »Es ist thöricht, vor den Bildern Lichter und Weihrauch anzuzünden«.2) Und so liegt die Sache ja noch heute. Gregor I. hatte (um das Jahr 600) 1) Vergl. S. 613 Anm. 2) Siehe die aktenmässige Darstellung in Hefele: Konziliengeschichte III, 472
und 708. Es gehört wirklich Keckheit dazu, uns Laien einreden zu wollen, hier liege einfach ein unschuldiges Missverständnis vor; hier stehen im Gegenteil zwei ge- trennte Weltanschauungen, zwei Rassen einander gegenüber. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0097" n="618"/><fw place="top" type="header">Der Kampf.</fw><lb/> streng darüber, dass die Predigt wieder eingeführt werde und zwar<lb/> so, »dass sie das Volk verstehen kann«; er verbietet den Priestern,<lb/> das geweihte Salböl als Zaubermittel zu verkaufen; er verordnet, dass<lb/> in seinem Reiche keine neuen Heiligen angerufen werden dürfen, u. s. w.<lb/> Kurz, Karl bewährt sich in zweifacher Beziehung als germanischer<lb/> Fürst: erstens, er und nicht der Bischof, auch nicht der Bischof von<lb/> Rom, ist der Herr in seiner Kirche, zweitens, er erstrebt jene Ver-<lb/> innerlichung der Religion, welche dem Indoeuropäer eigen ist. Am<lb/> deutlichsten tritt das beim Bilderstreit hervor. In den berühmten, an<lb/> den Papst gerichteten <hi rendition="#i">libri Carolini</hi> verurteilt Karl zwar den Ikono-<lb/> klasmus, ebensosehr aber die Ikonodulie. Bilder zum Schmuck und<lb/> zur Erinnerung zu haben, sei statthaft und gut, meint er, doch sei es<lb/><hi rendition="#g">vollkommen gleichgültig,</hi> ob man sie habe oder nicht, und keines-<lb/> falls dürfe einem Bilde auch nur Verehrung, geschweige Anbetung<lb/> gezollt werden. Hiermit stellte sich Karl in Widerspruch zu Lehre<lb/> und Praxis der römischen Kirche, und zwar mit vollem Bewusstsein<lb/> und indem er ausdrücklich die Beschlüsse der Synoden und die Autorität<lb/> der Kirchenväter verwarf. Man hat versucht und versucht noch in<lb/> den modernsten Kirchengeschichten die Sache als ein Missverständnis<lb/> darzustellen; das griechische Wort <hi rendition="#i">proskynesis</hi> sei fälschlich durch<lb/><hi rendition="#i">adoratio</hi> übersetzt, dadurch Karl irregeführt worden u. s. w. Doch<lb/> liegt der Schwerpunkt gar nicht in der kasuistischen Unterscheidung<lb/> zwischen <hi rendition="#i">adorare, venerari, colere, etc.</hi>, welche noch heute eine so<lb/> grosse Rolle in der Theorie und eine so kleine in der Praxis spielt;<lb/> sondern es stehen zwei Anschauungen einander gegenüber: der Papst<lb/> Gregor II. hatte gelehrt, gewisse Bilder sind wunderwirkend;<note place="foot" n="1)">Vergl. S. 613 Anm.</note> Karl<lb/> dagegen behauptet, alle Bilder besitzen nur Kunstwert, an und für<lb/> sich sind sie gleichgültig, die gegenteilige Annahme ist blasphema-<lb/> torischer Götzendienst; die siebente allgemeine Synode zu Nicäa hatte<lb/> im Jahre 787, in ihrer siebenten Sitzung bestimmt: »den Bildern<lb/> und anderen heiligen Geräten seien Weihrauch und Lichter zu ihrer<lb/> Verehrung darzubringen«; Karl erwidert darauf wörtlich: »Es ist<lb/> thöricht, vor den Bildern Lichter und Weihrauch anzuzünden«.<note place="foot" n="2)">Siehe die aktenmässige Darstellung in Hefele: <hi rendition="#i">Konziliengeschichte</hi> III, 472<lb/> und 708. Es gehört wirklich Keckheit dazu, uns Laien einreden zu wollen, hier liege<lb/> einfach ein unschuldiges Missverständnis vor; hier stehen im Gegenteil zwei ge-<lb/> trennte Weltanschauungen, zwei Rassen einander gegenüber.</note> Und<lb/> so liegt die Sache ja noch heute. Gregor I. hatte (um das Jahr 600)<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [618/0097]
Der Kampf.
streng darüber, dass die Predigt wieder eingeführt werde und zwar
so, »dass sie das Volk verstehen kann«; er verbietet den Priestern,
das geweihte Salböl als Zaubermittel zu verkaufen; er verordnet, dass
in seinem Reiche keine neuen Heiligen angerufen werden dürfen, u. s. w.
Kurz, Karl bewährt sich in zweifacher Beziehung als germanischer
Fürst: erstens, er und nicht der Bischof, auch nicht der Bischof von
Rom, ist der Herr in seiner Kirche, zweitens, er erstrebt jene Ver-
innerlichung der Religion, welche dem Indoeuropäer eigen ist. Am
deutlichsten tritt das beim Bilderstreit hervor. In den berühmten, an
den Papst gerichteten libri Carolini verurteilt Karl zwar den Ikono-
klasmus, ebensosehr aber die Ikonodulie. Bilder zum Schmuck und
zur Erinnerung zu haben, sei statthaft und gut, meint er, doch sei es
vollkommen gleichgültig, ob man sie habe oder nicht, und keines-
falls dürfe einem Bilde auch nur Verehrung, geschweige Anbetung
gezollt werden. Hiermit stellte sich Karl in Widerspruch zu Lehre
und Praxis der römischen Kirche, und zwar mit vollem Bewusstsein
und indem er ausdrücklich die Beschlüsse der Synoden und die Autorität
der Kirchenväter verwarf. Man hat versucht und versucht noch in
den modernsten Kirchengeschichten die Sache als ein Missverständnis
darzustellen; das griechische Wort proskynesis sei fälschlich durch
adoratio übersetzt, dadurch Karl irregeführt worden u. s. w. Doch
liegt der Schwerpunkt gar nicht in der kasuistischen Unterscheidung
zwischen adorare, venerari, colere, etc., welche noch heute eine so
grosse Rolle in der Theorie und eine so kleine in der Praxis spielt;
sondern es stehen zwei Anschauungen einander gegenüber: der Papst
Gregor II. hatte gelehrt, gewisse Bilder sind wunderwirkend; 1) Karl
dagegen behauptet, alle Bilder besitzen nur Kunstwert, an und für
sich sind sie gleichgültig, die gegenteilige Annahme ist blasphema-
torischer Götzendienst; die siebente allgemeine Synode zu Nicäa hatte
im Jahre 787, in ihrer siebenten Sitzung bestimmt: »den Bildern
und anderen heiligen Geräten seien Weihrauch und Lichter zu ihrer
Verehrung darzubringen«; Karl erwidert darauf wörtlich: »Es ist
thöricht, vor den Bildern Lichter und Weihrauch anzuzünden«. 2) Und
so liegt die Sache ja noch heute. Gregor I. hatte (um das Jahr 600)
1) Vergl. S. 613 Anm.
2) Siehe die aktenmässige Darstellung in Hefele: Konziliengeschichte III, 472
und 708. Es gehört wirklich Keckheit dazu, uns Laien einreden zu wollen, hier liege
einfach ein unschuldiges Missverständnis vor; hier stehen im Gegenteil zwei ge-
trennte Weltanschauungen, zwei Rassen einander gegenüber.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |