Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich ertrug es länger nicht. Salzige Ströme
brachen aus meinen Augen, und mit durchschnit¬
tenem Herzen zog ich mich schwankend in's Dunkel
zurück. Ich mußte mich an den Häusern halten,
um meine Schritte zu sichern, und erreichte lang¬
sam und spät meine Wohnung.

Ich brachte die Nacht schlaflos zu. Am an¬
dern Tage war meine erste Sorge, nach dem
Manne im grauen Rocke überall suchen zu lassen.
Vielleicht sollte es mir gelingen, ihn wieder zu
finden, und wie glücklich! wenn ihn, wie mich,
der thörichte Handel gereuen sollte. Ich ließ
Bendel vor mir kommen, er schien Gewandheit
und Geschick zu besitzen, -- ich schilderte ihm ge¬
nau den Mann, in dessen Besitz ein Schatz sich
befand, ohne den mir das Leben nur eine Qual
sei. Ich sagte ihm die Zeit, den Ort, wo ich ihn
gesehen; beschrieb ihm Alle, die zugegen gewesen, und
fügte dieses Zeichen noch hinzu: er solle sich nach
einem Dolon'schen Fernrohr, nach einem golddurch¬
wirkten türkischen Teppich, nach einem Prachtlust¬
zelt, und endlich nach den schwarzen Reithengsten
genau erkundigen, deren Geschichte, ohne zu be¬

Ich ertrug es laͤnger nicht. Salzige Stroͤme
brachen aus meinen Augen, und mit durchſchnit¬
tenem Herzen zog ich mich ſchwankend in's Dunkel
zuruͤck. Ich mußte mich an den Haͤuſern halten,
um meine Schritte zu ſichern, und erreichte lang¬
ſam und ſpaͤt meine Wohnung.

Ich brachte die Nacht ſchlaflos zu. Am an¬
dern Tage war meine erſte Sorge, nach dem
Manne im grauen Rocke uͤberall ſuchen zu laſſen.
Vielleicht ſollte es mir gelingen, ihn wieder zu
finden, und wie gluͤcklich! wenn ihn, wie mich,
der thoͤrichte Handel gereuen ſollte. Ich ließ
Bendel vor mir kommen, er ſchien Gewandheit
und Geſchick zu beſitzen, — ich ſchilderte ihm ge¬
nau den Mann, in deſſen Beſitz ein Schatz ſich
befand, ohne den mir das Leben nur eine Qual
ſei. Ich ſagte ihm die Zeit, den Ort, wo ich ihn
geſehen; beſchrieb ihm Alle, die zugegen geweſen, und
fuͤgte dieſes Zeichen noch hinzu: er ſolle ſich nach
einem Dolon'ſchen Fernrohr, nach einem golddurch¬
wirkten tuͤrkiſchen Teppich, nach einem Prachtluſt¬
zelt, und endlich nach den ſchwarzen Reithengſten
genau erkundigen, deren Geſchichte, ohne zu be¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0042" n="22"/>
        <p>Ich ertrug es la&#x0364;nger nicht. Salzige Stro&#x0364;me<lb/>
brachen aus meinen Augen, und mit durch&#x017F;chnit¬<lb/>
tenem Herzen zog ich mich &#x017F;chwankend in's Dunkel<lb/>
zuru&#x0364;ck. Ich mußte mich an den Ha&#x0364;u&#x017F;ern halten,<lb/>
um meine Schritte zu &#x017F;ichern, und erreichte lang¬<lb/>
&#x017F;am und &#x017F;pa&#x0364;t meine Wohnung.</p><lb/>
        <p>Ich brachte die Nacht &#x017F;chlaflos zu. Am an¬<lb/>
dern Tage war meine er&#x017F;te Sorge, nach dem<lb/>
Manne im grauen Rocke u&#x0364;berall &#x017F;uchen zu la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Vielleicht &#x017F;ollte es mir gelingen, ihn wieder zu<lb/>
finden, und wie glu&#x0364;cklich! wenn ihn, wie mich,<lb/>
der tho&#x0364;richte Handel gereuen &#x017F;ollte. Ich ließ<lb/><hi rendition="#g">Bendel</hi> vor mir kommen, er &#x017F;chien Gewandheit<lb/>
und Ge&#x017F;chick zu be&#x017F;itzen, &#x2014; ich &#x017F;childerte ihm ge¬<lb/>
nau den Mann, in de&#x017F;&#x017F;en Be&#x017F;itz ein Schatz &#x017F;ich<lb/>
befand, ohne den mir das Leben nur eine Qual<lb/>
&#x017F;ei. Ich &#x017F;agte ihm die Zeit, den Ort, wo ich ihn<lb/>
ge&#x017F;ehen; be&#x017F;chrieb ihm Alle, die zugegen gewe&#x017F;en, und<lb/>
fu&#x0364;gte die&#x017F;es Zeichen noch hinzu: er &#x017F;olle &#x017F;ich nach<lb/>
einem Dolon'&#x017F;chen Fernrohr, nach einem golddurch¬<lb/>
wirkten tu&#x0364;rki&#x017F;chen Teppich, nach einem Prachtlu&#x017F;<lb/>
zelt, und endlich nach den &#x017F;chwarzen Reitheng&#x017F;ten<lb/>
genau erkundigen, deren Ge&#x017F;chichte, ohne zu be¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0042] Ich ertrug es laͤnger nicht. Salzige Stroͤme brachen aus meinen Augen, und mit durchſchnit¬ tenem Herzen zog ich mich ſchwankend in's Dunkel zuruͤck. Ich mußte mich an den Haͤuſern halten, um meine Schritte zu ſichern, und erreichte lang¬ ſam und ſpaͤt meine Wohnung. Ich brachte die Nacht ſchlaflos zu. Am an¬ dern Tage war meine erſte Sorge, nach dem Manne im grauen Rocke uͤberall ſuchen zu laſſen. Vielleicht ſollte es mir gelingen, ihn wieder zu finden, und wie gluͤcklich! wenn ihn, wie mich, der thoͤrichte Handel gereuen ſollte. Ich ließ Bendel vor mir kommen, er ſchien Gewandheit und Geſchick zu beſitzen, — ich ſchilderte ihm ge¬ nau den Mann, in deſſen Beſitz ein Schatz ſich befand, ohne den mir das Leben nur eine Qual ſei. Ich ſagte ihm die Zeit, den Ort, wo ich ihn geſehen; beſchrieb ihm Alle, die zugegen geweſen, und fuͤgte dieſes Zeichen noch hinzu: er ſolle ſich nach einem Dolon'ſchen Fernrohr, nach einem golddurch¬ wirkten tuͤrkiſchen Teppich, nach einem Prachtluſt¬ zelt, und endlich nach den ſchwarzen Reithengſten genau erkundigen, deren Geſchichte, ohne zu be¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/42
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/42>, abgerufen am 21.11.2024.