mit dem Blick umher, entdeckte gar bald den Schatten des unsichtbaren Nestes selbst, sprang auf und hinzu, und verfehlte nicht den theuern Raub. Ich hielt unsichtbar, schattenlos das Nest in Händen.
Der schnell sich aufrichtende Mann, sich so¬ gleich nach seinem beglückten Bezwinger umsehend, erblickte auf der weiten sonnigen Ebene weder ihn noch dessen Schatten, nach dem er besonders ängst¬ lich umherlauschte. Denn daß ich an und für mich schattenlos war, hatte er vorher nicht Muße gehabt zu bemerken, und konnte es nicht vermu¬ then. Als er sich überzeugt', daß jede Spur ver¬ schwunden, kehrte er in der höchsten Verzweiflung die Hand gegen sich selber und raufte sich das Haar aus. Mir aber gab der errungene Schatz die Möglichkeit und die Begierde zugleich, mich wieder unter die Menschen zu mischen. Es fehlte mir nicht an Vorwand gegen mich selber, mei¬ nen schnöden Raub zu beschönigen, oder vielmehr, ich bedurfte solcher nicht, und jedem Gedanken der Art zu entweichen, eilte ich hinweg, nach dem Un¬ glücklichen nicht zurückschauend, dessen ängstliche
mit dem Blick umher, entdeckte gar bald den Schatten des unſichtbaren Neſtes ſelbſt, ſprang auf und hinzu, und verfehlte nicht den theuern Raub. Ich hielt unſichtbar, ſchattenlos das Neſt in Haͤnden.
Der ſchnell ſich aufrichtende Mann, ſich ſo¬ gleich nach ſeinem begluͤckten Bezwinger umſehend, erblickte auf der weiten ſonnigen Ebene weder ihn noch deſſen Schatten, nach dem er beſonders aͤngſt¬ lich umherlauſchte. Denn daß ich an und fuͤr mich ſchattenlos war, hatte er vorher nicht Muße gehabt zu bemerken, und konnte es nicht vermu¬ then. Als er ſich uͤberzeugt’, daß jede Spur ver¬ ſchwunden, kehrte er in der hoͤchſten Verzweiflung die Hand gegen ſich ſelber und raufte ſich das Haar aus. Mir aber gab der errungene Schatz die Moͤglichkeit und die Begierde zugleich, mich wieder unter die Menſchen zu miſchen. Es fehlte mir nicht an Vorwand gegen mich ſelber, mei¬ nen ſchnoͤden Raub zu beſchoͤnigen, oder vielmehr, ich bedurfte ſolcher nicht, und jedem Gedanken der Art zu entweichen, eilte ich hinweg, nach dem Un¬ gluͤcklichen nicht zuruͤckſchauend, deſſen aͤngſtliche
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[74/0094]
mit dem Blick umher, entdeckte gar bald den
Schatten des unſichtbaren Neſtes ſelbſt, ſprang
auf und hinzu, und verfehlte nicht den theuern
Raub. Ich hielt unſichtbar, ſchattenlos das Neſt
in Haͤnden.
Der ſchnell ſich aufrichtende Mann, ſich ſo¬
gleich nach ſeinem begluͤckten Bezwinger umſehend,
erblickte auf der weiten ſonnigen Ebene weder ihn
noch deſſen Schatten, nach dem er beſonders aͤngſt¬
lich umherlauſchte. Denn daß ich an und fuͤr
mich ſchattenlos war, hatte er vorher nicht Muße
gehabt zu bemerken, und konnte es nicht vermu¬
then. Als er ſich uͤberzeugt’, daß jede Spur ver¬
ſchwunden, kehrte er in der hoͤchſten Verzweiflung
die Hand gegen ſich ſelber und raufte ſich das
Haar aus. Mir aber gab der errungene Schatz
die Moͤglichkeit und die Begierde zugleich, mich
wieder unter die Menſchen zu miſchen. Es fehlte
mir nicht an Vorwand gegen mich ſelber, mei¬
nen ſchnoͤden Raub zu beſchoͤnigen, oder vielmehr,
ich bedurfte ſolcher nicht, und jedem Gedanken der
Art zu entweichen, eilte ich hinweg, nach dem Un¬
gluͤcklichen nicht zuruͤckſchauend, deſſen aͤngſtliche
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Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]
Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten Exemplars aus der SBB-PK sind sechs Kupfer von George Cruikshank aus der 2. Aufl. (1827).
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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/94>, abgerufen am 16.02.2025.
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