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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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des hab' ich vor dir nicht verschlossen, nicht verschließen will ich vor dir die Schätze meines Grames. -- Bendel, verlasse mich nicht. Bendel, du siehst mich reich, freigebig, gütig, du wähnst, es sollte die Welt mich verherrlichen, und du siehst mich die Welt fliehn und mich vor ihr verschließen. Bendel, sie hat gerichtet, die Welt, und mich verstoßen und auch du vielleicht wirst dich von mir wenden, wenn du mein schreckliches Geheimniß erfährst: Bendel, ich bin reich, freigebig, gütig, aber -- o Gott! -- -- ich habe keinen Schatten! --

Keinen Schatten? rief der gute Junge erschreckt aus, und die hellen Thränen stürzten ihm aus den Augen. -- Weh mir, daß ich geboren ward, einem schattenlosen Herrn zu dienen! Er schwieg, und ich hielt mein Gesicht in meinen Händen. --

Bendel, setzt' ich spät und zitternd hinzu, nun hast du mein Vertrauen, nun kannst du es verrathen. Geh hin und zeuge wider mich. -- Er schien in schwerem Kampfe mit sich selber, endlich stürzte er vor mir nieder und ergriff meine Hand, die er mit seinen Thränen benetzte. Nein, rief er aus, was die Welt auch meine, ich kann und werde um Schattens willen meinen gütigen Herrn nicht verlassen, ich werde recht und nicht klug handeln, ich werde bei Ihnen bleiben, Ihnen meinen Schatten borgen, Ihnen helfen, wo ich kann, und wo ich nicht kann, mit Ihnen weinen. Ich fiel ihm um den Hals, ob solcher ungewohnten Gesinnung

des hab' ich vor dir nicht verschlossen, nicht verschließen will ich vor dir die Schätze meines Grames. — Bendel, verlasse mich nicht. Bendel, du siehst mich reich, freigebig, gütig, du wähnst, es sollte die Welt mich verherrlichen, und du siehst mich die Welt fliehn und mich vor ihr verschließen. Bendel, sie hat gerichtet, die Welt, und mich verstoßen und auch du vielleicht wirst dich von mir wenden, wenn du mein schreckliches Geheimniß erfährst: Bendel, ich bin reich, freigebig, gütig, aber — o Gott! — — ich habe keinen Schatten! —

Keinen Schatten? rief der gute Junge erschreckt aus, und die hellen Thränen stürzten ihm aus den Augen. — Weh mir, daß ich geboren ward, einem schattenlosen Herrn zu dienen! Er schwieg, und ich hielt mein Gesicht in meinen Händen. —

Bendel, setzt' ich spät und zitternd hinzu, nun hast du mein Vertrauen, nun kannst du es verrathen. Geh hin und zeuge wider mich. — Er schien in schwerem Kampfe mit sich selber, endlich stürzte er vor mir nieder und ergriff meine Hand, die er mit seinen Thränen benetzte. Nein, rief er aus, was die Welt auch meine, ich kann und werde um Schattens willen meinen gütigen Herrn nicht verlassen, ich werde recht und nicht klug handeln, ich werde bei Ihnen bleiben, Ihnen meinen Schatten borgen, Ihnen helfen, wo ich kann, und wo ich nicht kann, mit Ihnen weinen. Ich fiel ihm um den Hals, ob solcher ungewohnten Gesinnung

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:49:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/32>, abgerufen am 21.11.2024.