Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

riß -- ich habe ihn nur zum Ausbessern gegeben, denn Gold vermag viel, ich habe ihn schon gestern wieder bekommen sollen. --

Wohl, mein Herr, ganz wohl! erwiderte der Forstmeister, Sie werben um meine Tochter, das thun auch Andere, ich habe als ein Vater für sie zu sorgen, ich gebe Ihnen drei Tage Frist, binnen welcher Sie sich nach einem Schatten umthun mögen; erscheinen Sie binnen drei Tagen vor mir mit einem wohlangepaßten Schatten, so sollen Sie mir willkommen sein: am vierten Tage aber -- das sag' ich Ihnen -- ist meine Tochter die Frau eines Andern. -- Ich wollte noch versuchen, ein Wort an Mina zu richten, aber sie schloß sich, heftiger schluchzend, fester an ihre Mutter, und diese winkte mir stillschweigend, mich zu entfernen. Ich schwankte hinweg, und mir war's, als schlösse sich hinter mir die Welt zu.

Der liebevollen Aufsicht Bendel's entsprungen, durchschweifte ich in irrem Lauf Wälder und Fluren. Angstschweiß troff von meiner Stirne, ein dumpfes Stöhnen entrang sich meiner Brust, in mir tobte Wahnsinn. --

Ich weiß nicht, wie lange es so gedauert haben mochte, als ich mich auf einer sonnigen Haide beim Aermel anhalten fühlte. -- Ich stand still und sah mich um -- -- es war der Mann im grauen Rock, der sich nach mir außer Athem gelaufen zu haben schien. Er nahm sogleich das Wort:

riß — ich habe ihn nur zum Ausbessern gegeben, denn Gold vermag viel, ich habe ihn schon gestern wieder bekommen sollen. —

Wohl, mein Herr, ganz wohl! erwiderte der Forstmeister, Sie werben um meine Tochter, das thun auch Andere, ich habe als ein Vater für sie zu sorgen, ich gebe Ihnen drei Tage Frist, binnen welcher Sie sich nach einem Schatten umthun mögen; erscheinen Sie binnen drei Tagen vor mir mit einem wohlangepaßten Schatten, so sollen Sie mir willkommen sein: am vierten Tage aber — das sag' ich Ihnen — ist meine Tochter die Frau eines Andern. — Ich wollte noch versuchen, ein Wort an Mina zu richten, aber sie schloß sich, heftiger schluchzend, fester an ihre Mutter, und diese winkte mir stillschweigend, mich zu entfernen. Ich schwankte hinweg, und mir war's, als schlösse sich hinter mir die Welt zu.

Der liebevollen Aufsicht Bendel's entsprungen, durchschweifte ich in irrem Lauf Wälder und Fluren. Angstschweiß troff von meiner Stirne, ein dumpfes Stöhnen entrang sich meiner Brust, in mir tobte Wahnsinn. —

Ich weiß nicht, wie lange es so gedauert haben mochte, als ich mich auf einer sonnigen Haide beim Aermel anhalten fühlte. — Ich stand still und sah mich um — — es war der Mann im grauen Rock, der sich nach mir außer Athem gelaufen zu haben schien. Er nahm sogleich das Wort:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="5">
        <p><pb facs="#f0054"/>
riß &#x2014; ich habe ihn nur zum Ausbessern gegeben, denn Gold vermag viel, ich habe ihn                schon gestern wieder bekommen sollen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wohl, mein Herr, ganz wohl! erwiderte der Forstmeister, Sie werben um meine Tochter,                das thun auch Andere, ich habe als ein Vater für sie zu sorgen, ich gebe Ihnen drei                Tage Frist, binnen welcher Sie sich nach einem Schatten umthun mögen; erscheinen Sie                binnen drei Tagen vor mir mit einem wohlangepaßten Schatten, so sollen Sie mir                willkommen sein: am vierten Tage aber &#x2014; das sag' ich Ihnen &#x2014; ist meine Tochter die                Frau eines Andern. &#x2014; Ich wollte noch versuchen, ein Wort an Mina zu richten, aber sie                schloß sich, heftiger schluchzend, fester an ihre Mutter, und diese winkte mir                stillschweigend, mich zu entfernen. Ich schwankte hinweg, und mir war's, als schlösse                sich hinter mir die Welt zu.</p><lb/>
        <p>Der liebevollen Aufsicht Bendel's entsprungen, durchschweifte ich in irrem Lauf                Wälder und Fluren. Angstschweiß troff von meiner Stirne, ein dumpfes Stöhnen entrang                sich meiner Brust, in mir tobte Wahnsinn. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ich weiß nicht, wie lange es so gedauert haben mochte, als ich mich auf einer                sonnigen Haide beim Aermel anhalten fühlte. &#x2014; Ich stand still und sah mich um &#x2014; &#x2014; es                war der Mann im grauen Rock, der sich nach mir außer Athem gelaufen zu haben schien.                Er nahm sogleich das Wort:</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0054] riß — ich habe ihn nur zum Ausbessern gegeben, denn Gold vermag viel, ich habe ihn schon gestern wieder bekommen sollen. — Wohl, mein Herr, ganz wohl! erwiderte der Forstmeister, Sie werben um meine Tochter, das thun auch Andere, ich habe als ein Vater für sie zu sorgen, ich gebe Ihnen drei Tage Frist, binnen welcher Sie sich nach einem Schatten umthun mögen; erscheinen Sie binnen drei Tagen vor mir mit einem wohlangepaßten Schatten, so sollen Sie mir willkommen sein: am vierten Tage aber — das sag' ich Ihnen — ist meine Tochter die Frau eines Andern. — Ich wollte noch versuchen, ein Wort an Mina zu richten, aber sie schloß sich, heftiger schluchzend, fester an ihre Mutter, und diese winkte mir stillschweigend, mich zu entfernen. Ich schwankte hinweg, und mir war's, als schlösse sich hinter mir die Welt zu. Der liebevollen Aufsicht Bendel's entsprungen, durchschweifte ich in irrem Lauf Wälder und Fluren. Angstschweiß troff von meiner Stirne, ein dumpfes Stöhnen entrang sich meiner Brust, in mir tobte Wahnsinn. — Ich weiß nicht, wie lange es so gedauert haben mochte, als ich mich auf einer sonnigen Haide beim Aermel anhalten fühlte. — Ich stand still und sah mich um — — es war der Mann im grauen Rock, der sich nach mir außer Athem gelaufen zu haben schien. Er nahm sogleich das Wort:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:49:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:49:40Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/54
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/54>, abgerufen am 21.11.2024.