Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Tropfen Bluts aufgefangen, der mir aus einem frischen Dornenriß auf die Hand floß, und hielt sie mir hin. -- Wer sind Sie denn? frug ich ihn endlich. Was thut's, gab er mir zur Antwort, und sieht man es mir nicht an? Ein armer Teufel, gleichsam so eine Art von Gelehrten und Physikus, der von seinen Freunden für vortreffliche Sänfte schlechten Dank erntet, und für sich selber auf Erden keinen andern Spaß hat, als sein Bischen Experimentiren -- aber unterschreiben Sie doch. Rechts, da unten. Peter Schlemihl. Ich schüttelte mit dem Kopf und sagte: Verzeihen Sie, mein Herr, das unterschreibe ich nicht. -- Nicht? wiederholte er verwundert, und warum nicht? -- Es scheint mir doch gewissermaßen bedenklich, meine Seele an meinen Schatten zu setzen.-- -- So, so! wiederholte er, bedenklich! und er brach in ein lautes Gelächter gegen mich aus. Und, wenn ich fragen darf, was ist denn das für ein Ding, Ihre Seele? haben Sie es je gesehen, und was denken Sie damit anzufangen, wenn Sie einst todt sind? Seien Sie doch froh, einen Liebhaber zu finden, der Ihnen bei Lebenszeit noch den Nachlaß dieses X, dieser galvanischen Kraft oder polarisirenden Wirksamkeit, und was alles das närrische Ding sein soll, mit etwas Wirklichem bezahlen will, nämlich mit ihrem leibhaftigen Schatten, durch den Sie zu der Hand Ihrer Geliebten und zu der Erfüllung aller Ihrer Wünsche gelangen Tropfen Bluts aufgefangen, der mir aus einem frischen Dornenriß auf die Hand floß, und hielt sie mir hin. — Wer sind Sie denn? frug ich ihn endlich. Was thut's, gab er mir zur Antwort, und sieht man es mir nicht an? Ein armer Teufel, gleichsam so eine Art von Gelehrten und Physikus, der von seinen Freunden für vortreffliche Sänfte schlechten Dank erntet, und für sich selber auf Erden keinen andern Spaß hat, als sein Bischen Experimentiren — aber unterschreiben Sie doch. Rechts, da unten. Peter Schlemihl. Ich schüttelte mit dem Kopf und sagte: Verzeihen Sie, mein Herr, das unterschreibe ich nicht. — Nicht? wiederholte er verwundert, und warum nicht? — Es scheint mir doch gewissermaßen bedenklich, meine Seele an meinen Schatten zu setzen.— — So, so! wiederholte er, bedenklich! und er brach in ein lautes Gelächter gegen mich aus. Und, wenn ich fragen darf, was ist denn das für ein Ding, Ihre Seele? haben Sie es je gesehen, und was denken Sie damit anzufangen, wenn Sie einst todt sind? Seien Sie doch froh, einen Liebhaber zu finden, der Ihnen bei Lebenszeit noch den Nachlaß dieses X, dieser galvanischen Kraft oder polarisirenden Wirksamkeit, und was alles das närrische Ding sein soll, mit etwas Wirklichem bezahlen will, nämlich mit ihrem leibhaftigen Schatten, durch den Sie zu der Hand Ihrer Geliebten und zu der Erfüllung aller Ihrer Wünsche gelangen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0056"/> Tropfen Bluts aufgefangen, der mir aus einem frischen Dornenriß auf die Hand floß, und hielt sie mir hin. —</p><lb/> <p>Wer sind Sie denn? frug ich ihn endlich. Was thut's, gab er mir zur Antwort, und sieht man es mir nicht an? Ein armer Teufel, gleichsam so eine Art von Gelehrten und Physikus, der von seinen Freunden für vortreffliche Sänfte schlechten Dank erntet, und für sich selber auf Erden keinen andern Spaß hat, als sein Bischen Experimentiren — aber unterschreiben Sie doch. Rechts, da unten. Peter Schlemihl.</p><lb/> <p>Ich schüttelte mit dem Kopf und sagte: Verzeihen Sie, mein Herr, das unterschreibe ich nicht. — Nicht? wiederholte er verwundert, und warum nicht? —</p><lb/> <p>Es scheint mir doch gewissermaßen bedenklich, meine Seele an meinen Schatten zu setzen.— — So, so! wiederholte er, bedenklich! und er brach in ein lautes Gelächter gegen mich aus. Und, wenn ich fragen darf, was ist denn das für ein Ding, Ihre Seele? haben Sie es je gesehen, und was denken Sie damit anzufangen, wenn Sie einst todt sind? Seien Sie doch froh, einen Liebhaber zu finden, der Ihnen bei Lebenszeit noch den Nachlaß dieses X, dieser galvanischen Kraft oder polarisirenden Wirksamkeit, und was alles das närrische Ding sein soll, mit etwas Wirklichem bezahlen will, nämlich mit ihrem leibhaftigen Schatten, durch den Sie zu der Hand Ihrer Geliebten und zu der Erfüllung aller Ihrer Wünsche gelangen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0056]
Tropfen Bluts aufgefangen, der mir aus einem frischen Dornenriß auf die Hand floß, und hielt sie mir hin. —
Wer sind Sie denn? frug ich ihn endlich. Was thut's, gab er mir zur Antwort, und sieht man es mir nicht an? Ein armer Teufel, gleichsam so eine Art von Gelehrten und Physikus, der von seinen Freunden für vortreffliche Sänfte schlechten Dank erntet, und für sich selber auf Erden keinen andern Spaß hat, als sein Bischen Experimentiren — aber unterschreiben Sie doch. Rechts, da unten. Peter Schlemihl.
Ich schüttelte mit dem Kopf und sagte: Verzeihen Sie, mein Herr, das unterschreibe ich nicht. — Nicht? wiederholte er verwundert, und warum nicht? —
Es scheint mir doch gewissermaßen bedenklich, meine Seele an meinen Schatten zu setzen.— — So, so! wiederholte er, bedenklich! und er brach in ein lautes Gelächter gegen mich aus. Und, wenn ich fragen darf, was ist denn das für ein Ding, Ihre Seele? haben Sie es je gesehen, und was denken Sie damit anzufangen, wenn Sie einst todt sind? Seien Sie doch froh, einen Liebhaber zu finden, der Ihnen bei Lebenszeit noch den Nachlaß dieses X, dieser galvanischen Kraft oder polarisirenden Wirksamkeit, und was alles das närrische Ding sein soll, mit etwas Wirklichem bezahlen will, nämlich mit ihrem leibhaftigen Schatten, durch den Sie zu der Hand Ihrer Geliebten und zu der Erfüllung aller Ihrer Wünsche gelangen
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Zitationshilfe: | Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/56>, abgerufen am 15.08.2024. |