Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.entgeht seinem Schicksale nicht. -- Er sprach aus demselben Tone fort und fort, ich floh umsonst, er ließ nicht nach, und immer gegenwärtig redete er höhnend von Gold und Schatten. Ich konnte zu keinem eigenen Gedanken kommen. Ich hatte durch menschenleere Straßen einen Weg nach meinem Hause eingeschlagen. Als ich davor stand und es ansah, konnte ich es kaum erkennen; hinter den eingeschlagenen Fenstern brannte kein Licht. Die Thüren waren zu, kein Dienervolk regte sich mehr darin. Er lachte laut auf neben mir: Ja, ja, so geht's! Aber Ihren Bendel finden Sie wohl daheim, den hat man jüngst vorsorglich so müde nach Hause geschickt, daß er es wohl seitdem gehütet haben wird. -- Er lachte wieder. Der wird Geschichten zu erzählen haben! Wohlan denn! für heute gute Nacht, auf baldiges Wiedersehen! Ich hatte wiederholt geklingelt, es erschien Licht; Bendel frug von innen, wer geklingelt habe. Als der gute Mann meine Stimme erkannte, konnte er seine Freude kaum bändigen; die Thür flog auf, wir lagen weinend einander in den Armen. Ich fand ihn sehr verändert, schwach und krank; mir war aber das Haar ganz grau geworden. Er führte mich durch die verödeten Zimmer nach einem innern, verschont gebliebenen Gemach; er holte Speise und Trank herbei, wir setzten uns, er fing wieder an zu weinen. Er erzählte mir, daß er letzthin den grau gekleideten dürren Mann, den er mit meinem entgeht seinem Schicksale nicht. — Er sprach aus demselben Tone fort und fort, ich floh umsonst, er ließ nicht nach, und immer gegenwärtig redete er höhnend von Gold und Schatten. Ich konnte zu keinem eigenen Gedanken kommen. Ich hatte durch menschenleere Straßen einen Weg nach meinem Hause eingeschlagen. Als ich davor stand und es ansah, konnte ich es kaum erkennen; hinter den eingeschlagenen Fenstern brannte kein Licht. Die Thüren waren zu, kein Dienervolk regte sich mehr darin. Er lachte laut auf neben mir: Ja, ja, so geht's! Aber Ihren Bendel finden Sie wohl daheim, den hat man jüngst vorsorglich so müde nach Hause geschickt, daß er es wohl seitdem gehütet haben wird. — Er lachte wieder. Der wird Geschichten zu erzählen haben! Wohlan denn! für heute gute Nacht, auf baldiges Wiedersehen! Ich hatte wiederholt geklingelt, es erschien Licht; Bendel frug von innen, wer geklingelt habe. Als der gute Mann meine Stimme erkannte, konnte er seine Freude kaum bändigen; die Thür flog auf, wir lagen weinend einander in den Armen. Ich fand ihn sehr verändert, schwach und krank; mir war aber das Haar ganz grau geworden. Er führte mich durch die verödeten Zimmer nach einem innern, verschont gebliebenen Gemach; er holte Speise und Trank herbei, wir setzten uns, er fing wieder an zu weinen. Er erzählte mir, daß er letzthin den grau gekleideten dürren Mann, den er mit meinem <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="7"> <p><pb facs="#f0072"/> entgeht seinem Schicksale nicht. — Er sprach aus demselben Tone fort und fort, ich floh umsonst, er ließ nicht nach, und immer gegenwärtig redete er höhnend von Gold und Schatten. Ich konnte zu keinem eigenen Gedanken kommen.</p><lb/> <p>Ich hatte durch menschenleere Straßen einen Weg nach meinem Hause eingeschlagen. Als ich davor stand und es ansah, konnte ich es kaum erkennen; hinter den eingeschlagenen Fenstern brannte kein Licht. Die Thüren waren zu, kein Dienervolk regte sich mehr darin. Er lachte laut auf neben mir: Ja, ja, so geht's! Aber Ihren Bendel finden Sie wohl daheim, den hat man jüngst vorsorglich so müde nach Hause geschickt, daß er es wohl seitdem gehütet haben wird. — Er lachte wieder. Der wird Geschichten zu erzählen haben! Wohlan denn! für heute gute Nacht, auf baldiges Wiedersehen!</p><lb/> <p>Ich hatte wiederholt geklingelt, es erschien Licht; Bendel frug von innen, wer geklingelt habe. Als der gute Mann meine Stimme erkannte, konnte er seine Freude kaum bändigen; die Thür flog auf, wir lagen weinend einander in den Armen. Ich fand ihn sehr verändert, schwach und krank; mir war aber das Haar ganz grau geworden.</p><lb/> <p>Er führte mich durch die verödeten Zimmer nach einem innern, verschont gebliebenen Gemach; er holte Speise und Trank herbei, wir setzten uns, er fing wieder an zu weinen. Er erzählte mir, daß er letzthin den grau gekleideten dürren Mann, den er mit meinem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
entgeht seinem Schicksale nicht. — Er sprach aus demselben Tone fort und fort, ich floh umsonst, er ließ nicht nach, und immer gegenwärtig redete er höhnend von Gold und Schatten. Ich konnte zu keinem eigenen Gedanken kommen.
Ich hatte durch menschenleere Straßen einen Weg nach meinem Hause eingeschlagen. Als ich davor stand und es ansah, konnte ich es kaum erkennen; hinter den eingeschlagenen Fenstern brannte kein Licht. Die Thüren waren zu, kein Dienervolk regte sich mehr darin. Er lachte laut auf neben mir: Ja, ja, so geht's! Aber Ihren Bendel finden Sie wohl daheim, den hat man jüngst vorsorglich so müde nach Hause geschickt, daß er es wohl seitdem gehütet haben wird. — Er lachte wieder. Der wird Geschichten zu erzählen haben! Wohlan denn! für heute gute Nacht, auf baldiges Wiedersehen!
Ich hatte wiederholt geklingelt, es erschien Licht; Bendel frug von innen, wer geklingelt habe. Als der gute Mann meine Stimme erkannte, konnte er seine Freude kaum bändigen; die Thür flog auf, wir lagen weinend einander in den Armen. Ich fand ihn sehr verändert, schwach und krank; mir war aber das Haar ganz grau geworden.
Er führte mich durch die verödeten Zimmer nach einem innern, verschont gebliebenen Gemach; er holte Speise und Trank herbei, wir setzten uns, er fing wieder an zu weinen. Er erzählte mir, daß er letzthin den grau gekleideten dürren Mann, den er mit meinem
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Zitationshilfe: | Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/72>, abgerufen am 16.02.2025. |