Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

trennten, selbst unbekümmert um die Rückkehr, und sollte sich dieses schlechte Land über mir wie der Deckel meines Sarges schließen, über den Polargletscher westwärts zurückzulegen versucht, habe über Treibeis mit thörichter Wagniß verzweiflungsvolle Schritte gethan, der Kälte und dem Meere Trotz geboten. Umsonst, noch bin ich auf Neuholland nicht gewesen -- ich kam dann jedesmal auf Lamboc zurück und setzte mich auf seine äußerste Spitze nieder und weinte wieder, das Gesicht gen Süden und Osten gewendet, wie am festverschlossenen Gitter meines Kerkers.

Ich riß mich endlich von dieser Stelle und trat mit traurigem Herzen wieder in das innere Asien, ich durchschweifte es fürder, die Morgendämmerung nach Westen verfolgend, und kam noch in der Nacht in die Thebais zu meinem vorbestimmten Hause, das ich in den gestrigen Nachmittagsstunden berührt hatte.

Sobald ich etwas ausgeruht und es Tag über Europa war, ließ ich meine erste Sorge sein, Alles anzuschaffen, was ich bedurfte. -- Zuvörderst Heimschuhe, denn ich hatte erfahren, wie unbequem es sei, seinen Schritt nicht anders verkürzen zu können, um nahe Gegenstände gemächlich zu untersuchen, als indem man die Stiefel auszieht. Ein Paar Pantoffeln, übergezogen, hatten völlig die Wirkung, die ich mir davon versprach, und späterhin trug ich sogar deren immer zwei Paar bei mir, weil ich öfters welche von den Füßen warf, ohne Zeit zu haben, sie aufzuheben, wenn

trennten, selbst unbekümmert um die Rückkehr, und sollte sich dieses schlechte Land über mir wie der Deckel meines Sarges schließen, über den Polargletscher westwärts zurückzulegen versucht, habe über Treibeis mit thörichter Wagniß verzweiflungsvolle Schritte gethan, der Kälte und dem Meere Trotz geboten. Umsonst, noch bin ich auf Neuholland nicht gewesen — ich kam dann jedesmal auf Lamboc zurück und setzte mich auf seine äußerste Spitze nieder und weinte wieder, das Gesicht gen Süden und Osten gewendet, wie am festverschlossenen Gitter meines Kerkers.

Ich riß mich endlich von dieser Stelle und trat mit traurigem Herzen wieder in das innere Asien, ich durchschweifte es fürder, die Morgendämmerung nach Westen verfolgend, und kam noch in der Nacht in die Thebais zu meinem vorbestimmten Hause, das ich in den gestrigen Nachmittagsstunden berührt hatte.

Sobald ich etwas ausgeruht und es Tag über Europa war, ließ ich meine erste Sorge sein, Alles anzuschaffen, was ich bedurfte. — Zuvörderst Heimschuhe, denn ich hatte erfahren, wie unbequem es sei, seinen Schritt nicht anders verkürzen zu können, um nahe Gegenstände gemächlich zu untersuchen, als indem man die Stiefel auszieht. Ein Paar Pantoffeln, übergezogen, hatten völlig die Wirkung, die ich mir davon versprach, und späterhin trug ich sogar deren immer zwei Paar bei mir, weil ich öfters welche von den Füßen warf, ohne Zeit zu haben, sie aufzuheben, wenn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="10">
        <p><pb facs="#f0092"/>
trennten,                selbst unbekümmert um die Rückkehr, und sollte sich dieses schlechte Land über mir                wie der Deckel meines Sarges schließen, über den Polargletscher westwärts                zurückzulegen versucht, habe über Treibeis mit thörichter Wagniß verzweiflungsvolle                Schritte gethan, der Kälte und dem Meere Trotz geboten. Umsonst, noch bin ich auf                Neuholland nicht gewesen &#x2014; ich kam dann jedesmal auf Lamboc zurück und setzte mich                auf seine äußerste Spitze nieder und weinte wieder, das Gesicht gen Süden und Osten                gewendet, wie am festverschlossenen Gitter meines Kerkers.</p><lb/>
        <p>Ich riß mich endlich von dieser Stelle und trat mit traurigem Herzen wieder in das                innere Asien, ich durchschweifte es fürder, die Morgendämmerung nach Westen                verfolgend, und kam noch in der Nacht in die Thebais zu meinem vorbestimmten Hause,                das ich in den gestrigen Nachmittagsstunden berührt hatte.</p><lb/>
        <p>Sobald ich etwas ausgeruht und es Tag über Europa war, ließ ich meine erste Sorge                sein, Alles anzuschaffen, was ich bedurfte. &#x2014; Zuvörderst Heimschuhe, denn ich hatte                erfahren, wie unbequem es sei, seinen Schritt nicht anders verkürzen zu können, um                nahe Gegenstände gemächlich zu untersuchen, als indem man die Stiefel auszieht. Ein                Paar Pantoffeln, übergezogen, hatten völlig die Wirkung, die ich mir davon versprach,                und späterhin trug ich sogar deren immer zwei Paar bei mir, weil ich öfters welche                von den Füßen warf, ohne Zeit zu haben, sie aufzuheben, wenn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0092] trennten, selbst unbekümmert um die Rückkehr, und sollte sich dieses schlechte Land über mir wie der Deckel meines Sarges schließen, über den Polargletscher westwärts zurückzulegen versucht, habe über Treibeis mit thörichter Wagniß verzweiflungsvolle Schritte gethan, der Kälte und dem Meere Trotz geboten. Umsonst, noch bin ich auf Neuholland nicht gewesen — ich kam dann jedesmal auf Lamboc zurück und setzte mich auf seine äußerste Spitze nieder und weinte wieder, das Gesicht gen Süden und Osten gewendet, wie am festverschlossenen Gitter meines Kerkers. Ich riß mich endlich von dieser Stelle und trat mit traurigem Herzen wieder in das innere Asien, ich durchschweifte es fürder, die Morgendämmerung nach Westen verfolgend, und kam noch in der Nacht in die Thebais zu meinem vorbestimmten Hause, das ich in den gestrigen Nachmittagsstunden berührt hatte. Sobald ich etwas ausgeruht und es Tag über Europa war, ließ ich meine erste Sorge sein, Alles anzuschaffen, was ich bedurfte. — Zuvörderst Heimschuhe, denn ich hatte erfahren, wie unbequem es sei, seinen Schritt nicht anders verkürzen zu können, um nahe Gegenstände gemächlich zu untersuchen, als indem man die Stiefel auszieht. Ein Paar Pantoffeln, übergezogen, hatten völlig die Wirkung, die ich mir davon versprach, und späterhin trug ich sogar deren immer zwei Paar bei mir, weil ich öfters welche von den Füßen warf, ohne Zeit zu haben, sie aufzuheben, wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:49:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:49:40Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/92
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/92>, abgerufen am 21.11.2024.