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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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Thätigkeit und Geschicklichkeit, die er als Director der Juristenfacultät und einiger andern
R[echts]collegien zeigte, sehr geachtet war, wie er denn auch wegen seiner Kenntniß des deut-
schen Staatsrechts unter dem Kayser Joseph als Reichshofrath nach Wien berufen ward,
welches er aber aus Anhänglichkeit an sein Vaterland nicht annahm. Jm väterlichen Hause
ward ich zwar freundlich behandelt, und genoß von braven und geschickten Lehrern guten Un-
terricht, ward aber immer in einer solchen Einschränkung gehalten, daß ich nur sehr selten,
und nie allein, aus dem Hause gehen durfte, und andere junge Menschen meines Alters nie
anders, als etwa in der Kirche, zu sehen bekam; es ward mir sogar, aus übertriebener
Sorgfalt für mich als den einzigen Sohn, nur bey sehr guter Witterung verstattet, in dem am
Hause befindlichen Hofe und Garten in die freye Luft zu gehen, so daß ich mich wundern muß,
wie ich unter solchen Umständen eine so dauerhafte Gesundheit habe behalten können. Diese
Einschränkung war ganz unnöthig, weil ich in den frühern Jahren ebensowohl wie in der fol-
genden Zeit keinen Hang zu Unordnung oder zur Unthätigkeit hatte, welches ich mir aber nicht
zum Verdienste anrechne, sondern als Folge der Organisation ansehe; es ward auch dadurch,
anstatt mich niederzuschlagen, vielmehr ein Widerwille gegen jeden mir oder Andern anzu-
thuenden unnöthigen Zwang, und ein Bestreben, in Ansehung der Lebens- und Handlungs-
weise meinen eigenen Gang zu gehen, in mir erregt. Schon von meinem 6ten und 7ten Jahre
an beschäftigte ich mich, wenn ich etwas anders treiben sollte, öfters mehrere Stunden hinter-
einander mit geographischen Büchern, Reisebeschreibungen und Landkarten, oder auch mit
einer Erd- und Himmelskugel, deren Gebrauch ich ohne weitern Unterricht durch Nachdenken
und etwas Nachlesen mir eigen machte, und fühlte einen so unwiederstehlichen Trieb zum Rei-
sen und in der Folge meinen Aufenthalt nach Belieben zu wählen, daß ich die anscheinende
Bestimmung, immer in meiner Vaterstadt zu bleiben, für eben so unnatürlich ansah, als ob
ich immer hätte sollen in einem Zimmer bleiben. Am meisten wäre es deshalb meinee Nei-
gung gemäß gewesen, Schiffer, oder Kaufmann, oder, wenn ich studiren sollte, Arzr zu
werden. Wenn ich nicht immer befürchtet hätte, meinen Vater und meine sehr brave Stief-
mutter, die mich immer mit Wohlwollen behandelten, zu sehr zu kränken, so würde ich viel-
leicht meine damalige Lieblingsidee ausgeführt haben, mit dem für mich in einer Sparbüchse

der damaligen Sitte, wo Gelehrte ihren Namen gern eine lateinische Endigung gaben, in Chla-
denius umgeändert. Da dieses jetzt nicht mehr Sitte ist, so bediene ich mich lieber des ursprüng-
lichen Namens.

Thaͤtigkeit und Geſchicklichkeit, die er als Director der Juriſtenfacultaͤt und einiger andern
R[echtſ]collegien zeigte, ſehr geachtet war, wie er denn auch wegen ſeiner Kenntniß des deut-
ſchen Staatsrechts unter dem Kayſer Joſeph als Reichshofrath nach Wien berufen ward,
welches er aber aus Anhaͤnglichkeit an ſein Vaterland nicht annahm. Jm vaͤterlichen Hauſe
ward ich zwar freundlich behandelt, und genoß von braven und geſchickten Lehrern guten Un-
terricht, ward aber immer in einer ſolchen Einſchraͤnkung gehalten, daß ich nur ſehr ſelten,
und nie allein, aus dem Hauſe gehen durfte, und andere junge Menſchen meines Alters nie
anders, als etwa in der Kirche, zu ſehen bekam; es ward mir ſogar, aus uͤbertriebener
Sorgfalt fuͤr mich als den einzigen Sohn, nur bey ſehr guter Witterung verſtattet, in dem am
Hauſe befindlichen Hofe und Garten in die freye Luft zu gehen, ſo daß ich mich wundern muß,
wie ich unter ſolchen Umſtaͤnden eine ſo dauerhafte Geſundheit habe behalten koͤnnen. Dieſe
Einſchraͤnkung war ganz unnoͤthig, weil ich in den fruͤhern Jahren ebenſowohl wie in der fol-
genden Zeit keinen Hang zu Unordnung oder zur Unthaͤtigkeit hatte, welches ich mir aber nicht
zum Verdienſte anrechne, ſondern als Folge der Organiſation anſehe; es ward auch dadurch,
anſtatt mich niederzuſchlagen, vielmehr ein Widerwille gegen jeden mir oder Andern anzu-
thuenden unnoͤthigen Zwang, und ein Beſtreben, in Anſehung der Lebens- und Handlungs-
weiſe meinen eigenen Gang zu gehen, in mir erregt. Schon von meinem 6ten und 7ten Jahre
an beſchaͤftigte ich mich, wenn ich etwas anders treiben ſollte, oͤfters mehrere Stunden hinter-
einander mit geographiſchen Buͤchern, Reiſebeſchreibungen und Landkarten, oder auch mit
einer Erd- und Himmelskugel, deren Gebrauch ich ohne weitern Unterricht durch Nachdenken
und etwas Nachleſen mir eigen machte, und fuͤhlte einen ſo unwiederſtehlichen Trieb zum Rei-
ſen und in der Folge meinen Aufenthalt nach Belieben zu waͤhlen, daß ich die anſcheinende
Beſtimmung, immer in meiner Vaterſtadt zu bleiben, fuͤr eben ſo unnatuͤrlich anſah, als ob
ich immer haͤtte ſollen in einem Zimmer bleiben. Am meiſten waͤre es deshalb meinee Nei-
gung gemaͤß geweſen, Schiffer, oder Kaufmann, oder, wenn ich ſtudiren ſollte, Arzr zu
werden. Wenn ich nicht immer befuͤrchtet haͤtte, meinen Vater und meine ſehr brave Stief-
mutter, die mich immer mit Wohlwollen behandelten, zu ſehr zu kraͤnken, ſo wuͤrde ich viel-
leicht meine damalige Lieblingsidee ausgefuͤhrt haben, mit dem fuͤr mich in einer Sparbuͤchſe

der damaligen Sitte, wo Gelehrte ihren Namen gern eine lateiniſche Endigung gaben, in Chla-
denius umgeaͤndert. Da dieſes jetzt nicht mehr Sitte iſt, ſo bediene ich mich lieber des urſpruͤng-
lichen Namens.
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[XIV/0016] Thaͤtigkeit und Geſchicklichkeit, die er als Director der Juriſtenfacultaͤt und einiger andern Rechtſcollegien zeigte, ſehr geachtet war, wie er denn auch wegen ſeiner Kenntniß des deut- ſchen Staatsrechts unter dem Kayſer Joſeph als Reichshofrath nach Wien berufen ward, welches er aber aus Anhaͤnglichkeit an ſein Vaterland nicht annahm. Jm vaͤterlichen Hauſe ward ich zwar freundlich behandelt, und genoß von braven und geſchickten Lehrern guten Un- terricht, ward aber immer in einer ſolchen Einſchraͤnkung gehalten, daß ich nur ſehr ſelten, und nie allein, aus dem Hauſe gehen durfte, und andere junge Menſchen meines Alters nie anders, als etwa in der Kirche, zu ſehen bekam; es ward mir ſogar, aus uͤbertriebener Sorgfalt fuͤr mich als den einzigen Sohn, nur bey ſehr guter Witterung verſtattet, in dem am Hauſe befindlichen Hofe und Garten in die freye Luft zu gehen, ſo daß ich mich wundern muß, wie ich unter ſolchen Umſtaͤnden eine ſo dauerhafte Geſundheit habe behalten koͤnnen. Dieſe Einſchraͤnkung war ganz unnoͤthig, weil ich in den fruͤhern Jahren ebenſowohl wie in der fol- genden Zeit keinen Hang zu Unordnung oder zur Unthaͤtigkeit hatte, welches ich mir aber nicht zum Verdienſte anrechne, ſondern als Folge der Organiſation anſehe; es ward auch dadurch, anſtatt mich niederzuſchlagen, vielmehr ein Widerwille gegen jeden mir oder Andern anzu- thuenden unnoͤthigen Zwang, und ein Beſtreben, in Anſehung der Lebens- und Handlungs- weiſe meinen eigenen Gang zu gehen, in mir erregt. Schon von meinem 6ten und 7ten Jahre an beſchaͤftigte ich mich, wenn ich etwas anders treiben ſollte, oͤfters mehrere Stunden hinter- einander mit geographiſchen Buͤchern, Reiſebeſchreibungen und Landkarten, oder auch mit einer Erd- und Himmelskugel, deren Gebrauch ich ohne weitern Unterricht durch Nachdenken und etwas Nachleſen mir eigen machte, und fuͤhlte einen ſo unwiederſtehlichen Trieb zum Rei- ſen und in der Folge meinen Aufenthalt nach Belieben zu waͤhlen, daß ich die anſcheinende Beſtimmung, immer in meiner Vaterſtadt zu bleiben, fuͤr eben ſo unnatuͤrlich anſah, als ob ich immer haͤtte ſollen in einem Zimmer bleiben. Am meiſten waͤre es deshalb meinee Nei- gung gemaͤß geweſen, Schiffer, oder Kaufmann, oder, wenn ich ſtudiren ſollte, Arzr zu werden. Wenn ich nicht immer befuͤrchtet haͤtte, meinen Vater und meine ſehr brave Stief- mutter, die mich immer mit Wohlwollen behandelten, zu ſehr zu kraͤnken, ſo wuͤrde ich viel- leicht meine damalige Lieblingsidee ausgefuͤhrt haben, mit dem fuͤr mich in einer Sparbuͤchſe *) *) der damaligen Sitte, wo Gelehrte ihren Namen gern eine lateiniſche Endigung gaben, in Chla- denius umgeaͤndert. Da dieſes jetzt nicht mehr Sitte iſt, ſo bediene ich mich lieber des urſpruͤng- lichen Namens.

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. XIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/16>, abgerufen am 24.11.2024.