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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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durch ihre Berührung und durch ihren Druck jede Schwingung augenblicklich vernichten würden,
indem ein Körper nicht schwingen kann, wenn er anderswo, als an seinen Schwingungsknoten
berührt oder festgehalten wird. Eben so wenig hat die von Einigen geäußerte Meynung für sich,
daß die Empfindungen durch die Bewegung einer in den Nerven enthaltenen
(gröbern) Flüssigkeit fortgeleitet werden sollen, so daß von dem Orte der erregten Empfindung
an bis zum Gehirne immer ein Theilchen das andere stieße; es würde nähmlich, wenn auch die
Nervenfasern als kleine Röhrchen eine breyige oder wäßrige Feuchtigkeit enthalten (wie es nach den
Beobachtungen von Fontana scheint), bey der weichen Beschaffenheit und bey den mancherley
Krümmungen der Nerven unmöglich eine solche Stoßbewegung mit einiger Stärke und Geschwin-
digkeit von den entferntesten Theilen des Körpers bis zum Gehirne würksam seyn können. Auch
die Meynung, daß die Empfindungen durch Zusammenziehungen und Ansdehnungen
der Nerven
(also durch Longitudinalschwingungen) fortgeleitet würden, möchte wohl wegen
der weichen Beschaffenheit der Nerven, wegen ihrer Krümmungen u. s. w. vieles wider sich haben.
Unter allen Erklärungsarten möchte wohl die am meisten zu billigen seyn, da man eine sehr feine
imponderable Flüssigkeit
annimmt, welche in oder an den Nerven sowohl, als vorzüglich
im Gehirne ihren Sitz hat, und vermittelst der Nerven sowohl äußere Eindrücke empfängt, und
dem im Gehirne enthaltenen allgemeinen Sensorium mittheilt, als auch von diesem aus auf die
Bewegung der äußern Theile würkt. Diese Erklärungsart hat mit dem, was man an der Electri-
cität und andern imponderabeln und incoereibein Materien wahrnimmt, (wenn es nähmlich Ma-
terien, und nicht etwa nur Zustände ponderabler und coercibler [Mate]rien sind, welches noch nicht
mit Gewißheit bestimmt ist), einige Analogie, und widerspricht keinem [be]kannten Naturgesetze,
sie wird auch durch die große Würksamkeit der auf nassen Wege zu erhaltenden Electricität (oder
der Galvanischen) auf die Nerven und Muskelfasern sehr begünstigt.
Jn Reils Archiv für die Physiologie 1. B. 2. Hft. im ersten Aufsatze wird sehr
wahrscheinlich gemacht, daß die Fortleitung der Empfindung (oder die Würkung von außen nach
innen) durch ganz andere Organe geschieht, als die Hervorbringung einer willkührlichen Bewe-
gung (oder die Würkung von innen nach außen), nähmlich erstere durch das Nervenmark, letztere
durch die Scheiden der Nerven, oder das Zellgewebe derselben.
2. Anm. Sömmerring liefert in seiner Abhandlung über das Organ der Seele §. 16.
genaue Beobachtungen über die Endigungen der Hörnerven in der vierten Hirnhöle, wo diese weit
deutlicher und bloßer, als die Endigungen eines andern Nerven da liegen, (indem sie sich auf der
untern Wand derselben als zwey bis sieben markige Linien auszeichnen, die wie eingelegt aussehen,
und sich durch ihre milchweiße Farbe vor den grauen Substanz dieser Wand unterscheiden), welches
auch allem Ansehen nach mit Recht als der Grund angegeben wird, warum das Gehör stärker
und mehr unmittelbar, als ein anderer Sinn auf das gemeinschaftliche Senforium würkt, wie
denn auch nach einer Bemerkung von Santorini an einem ansgezeichnet scharf hörenden die
Hirnenden der Gehörnerven weit hervorstehender und stärker als gewöhnlich sind gefunden worden.
Nächst dem Hörnerven ist der Sehnerve (welcher nebst jenem uns die stärksten Eindrücke und die
deutlichsten Begriffe giebt) mit seinen Enden in der vierten Hirnhöle am meisten ansgezeichnet,
beyde sind aber sehr verschieden gestaltet, und endigen sich an ganz entgegengesetzten Wänden dieser
Hirnhöle, nähmlich die Hörnerven an dem hintern und die Sehnerven an dem vordern Schlusse
durch ihre Beruͤhrung und durch ihren Druck jede Schwingung augenblicklich vernichten wuͤrden,
indem ein Koͤrper nicht ſchwingen kann, wenn er anderswo, als an ſeinen Schwingungsknoten
beruͤhrt oder feſtgehalten wird. Eben ſo wenig hat die von Einigen geaͤußerte Meynung fuͤr ſich,
daß die Empfindungen durch die Bewegung einer in den Nerven enthaltenen
(groͤbern) Fluͤſſigkeit fortgeleitet werden ſollen, ſo daß von dem Orte der erregten Empfindung
an bis zum Gehirne immer ein Theilchen das andere ſtieße; es wuͤrde naͤhmlich, wenn auch die
Nervenfaſern als kleine Roͤhrchen eine breyige oder waͤßrige Feuchtigkeit enthalten (wie es nach den
Beobachtungen von Fontana ſcheint), bey der weichen Beſchaffenheit und bey den mancherley
Kruͤmmungen der Nerven unmoͤglich eine ſolche Stoßbewegung mit einiger Staͤrke und Geſchwin-
digkeit von den entfernteſten Theilen des Koͤrpers bis zum Gehirne wuͤrkſam ſeyn koͤnnen. Auch
die Meynung, daß die Empfindungen durch Zuſammenziehungen und Ansdehnungen
der Nerven
(alſo durch Longitudinalſchwingungen) fortgeleitet wuͤrden, moͤchte wohl wegen
der weichen Beſchaffenheit der Nerven, wegen ihrer Kruͤmmungen u. ſ. w. vieles wider ſich haben.
Unter allen Erklaͤrungsarten moͤchte wohl die am meiſten zu billigen ſeyn, da man eine ſehr feine
imponderable Fluͤſſigkeit
annimmt, welche in oder an den Nerven ſowohl, als vorzuͤglich
im Gehirne ihren Sitz hat, und vermittelſt der Nerven ſowohl aͤußere Eindruͤcke empfaͤngt, und
dem im Gehirne enthaltenen allgemeinen Senſorium mittheilt, als auch von dieſem aus auf die
Bewegung der aͤußern Theile wuͤrkt. Dieſe Erklaͤrungsart hat mit dem, was man an der Electri-
citaͤt und andern imponderabeln und incoereibein Materien wahrnimmt, (wenn es naͤhmlich Ma-
terien, und nicht etwa nur Zuſtaͤnde ponderabler und coercibler [Mate]rien ſind, welches noch nicht
mit Gewißheit beſtimmt iſt), einige Analogie, und widerſpricht keinem [be]kannten Naturgeſetze,
ſie wird auch durch die große Wuͤrkſamkeit der auf naſſen Wege zu erhaltenden Electricitaͤt (oder
der Galvaniſchen) auf die Nerven und Muſkelfaſern ſehr beguͤnſtigt.
Jn Reils Archiv fuͤr die Phyſiologie 1. B. 2. Hft. im erſten Aufſatze wird ſehr
wahrſcheinlich gemacht, daß die Fortleitung der Empfindung (oder die Wuͤrkung von außen nach
innen) durch ganz andere Organe geſchieht, als die Hervorbringung einer willkuͤhrlichen Bewe-
gung (oder die Wuͤrkung von innen nach außen), naͤhmlich erſtere durch das Nervenmark, letztere
durch die Scheiden der Nerven, oder das Zellgewebe derſelben.
2. Anm. Soͤmmerring liefert in ſeiner Abhandlung uͤber das Organ der Seele §. 16.
genaue Beobachtungen uͤber die Endigungen der Hoͤrnerven in der vierten Hirnhoͤle, wo dieſe weit
deutlicher und bloßer, als die Endigungen eines andern Nerven da liegen, (indem ſie ſich auf der
untern Wand derſelben als zwey bis ſieben markige Linien auszeichnen, die wie eingelegt ausſehen,
und ſich durch ihre milchweiße Farbe vor den grauen Subſtanz dieſer Wand unterſcheiden), welches
auch allem Anſehen nach mit Recht als der Grund angegeben wird, warum das Gehoͤr ſtaͤrker
und mehr unmittelbar, als ein anderer Sinn auf das gemeinſchaftliche Senforium wuͤrkt, wie
denn auch nach einer Bemerkung von Santorini an einem ansgezeichnet ſcharf hoͤrenden die
Hirnenden der Gehoͤrnerven weit hervorſtehender und ſtaͤrker als gewoͤhnlich ſind gefunden worden.
Naͤchſt dem Hoͤrnerven iſt der Sehnerve (welcher nebſt jenem uns die ſtaͤrkſten Eindruͤcke und die
deutlichſten Begriffe giebt) mit ſeinen Enden in der vierten Hirnhoͤle am meiſten ansgezeichnet,
beyde ſind aber ſehr verſchieden geſtaltet, und endigen ſich an ganz entgegengeſetzten Waͤnden dieſer
Hirnhoͤle, naͤhmlich die Hoͤrnerven an dem hintern und die Sehnerven an dem vordern Schluſſe
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[285/0319] durch ihre Beruͤhrung und durch ihren Druck jede Schwingung augenblicklich vernichten wuͤrden, indem ein Koͤrper nicht ſchwingen kann, wenn er anderswo, als an ſeinen Schwingungsknoten beruͤhrt oder feſtgehalten wird. Eben ſo wenig hat die von Einigen geaͤußerte Meynung fuͤr ſich, daß die Empfindungen durch die Bewegung einer in den Nerven enthaltenen (groͤbern) Fluͤſſigkeit fortgeleitet werden ſollen, ſo daß von dem Orte der erregten Empfindung an bis zum Gehirne immer ein Theilchen das andere ſtieße; es wuͤrde naͤhmlich, wenn auch die Nervenfaſern als kleine Roͤhrchen eine breyige oder waͤßrige Feuchtigkeit enthalten (wie es nach den Beobachtungen von Fontana ſcheint), bey der weichen Beſchaffenheit und bey den mancherley Kruͤmmungen der Nerven unmoͤglich eine ſolche Stoßbewegung mit einiger Staͤrke und Geſchwin- digkeit von den entfernteſten Theilen des Koͤrpers bis zum Gehirne wuͤrkſam ſeyn koͤnnen. Auch die Meynung, daß die Empfindungen durch Zuſammenziehungen und Ansdehnungen der Nerven (alſo durch Longitudinalſchwingungen) fortgeleitet wuͤrden, moͤchte wohl wegen der weichen Beſchaffenheit der Nerven, wegen ihrer Kruͤmmungen u. ſ. w. vieles wider ſich haben. Unter allen Erklaͤrungsarten moͤchte wohl die am meiſten zu billigen ſeyn, da man eine ſehr feine imponderable Fluͤſſigkeit annimmt, welche in oder an den Nerven ſowohl, als vorzuͤglich im Gehirne ihren Sitz hat, und vermittelſt der Nerven ſowohl aͤußere Eindruͤcke empfaͤngt, und dem im Gehirne enthaltenen allgemeinen Senſorium mittheilt, als auch von dieſem aus auf die Bewegung der aͤußern Theile wuͤrkt. Dieſe Erklaͤrungsart hat mit dem, was man an der Electri- citaͤt und andern imponderabeln und incoereibein Materien wahrnimmt, (wenn es naͤhmlich Ma- terien, und nicht etwa nur Zuſtaͤnde ponderabler und coercibler Materien ſind, welches noch nicht mit Gewißheit beſtimmt iſt), einige Analogie, und widerſpricht keinem bekannten Naturgeſetze, ſie wird auch durch die große Wuͤrkſamkeit der auf naſſen Wege zu erhaltenden Electricitaͤt (oder der Galvaniſchen) auf die Nerven und Muſkelfaſern ſehr beguͤnſtigt. Jn Reils Archiv fuͤr die Phyſiologie 1. B. 2. Hft. im erſten Aufſatze wird ſehr wahrſcheinlich gemacht, daß die Fortleitung der Empfindung (oder die Wuͤrkung von außen nach innen) durch ganz andere Organe geſchieht, als die Hervorbringung einer willkuͤhrlichen Bewe- gung (oder die Wuͤrkung von innen nach außen), naͤhmlich erſtere durch das Nervenmark, letztere durch die Scheiden der Nerven, oder das Zellgewebe derſelben. 2. Anm. Soͤmmerring liefert in ſeiner Abhandlung uͤber das Organ der Seele §. 16. genaue Beobachtungen uͤber die Endigungen der Hoͤrnerven in der vierten Hirnhoͤle, wo dieſe weit deutlicher und bloßer, als die Endigungen eines andern Nerven da liegen, (indem ſie ſich auf der untern Wand derſelben als zwey bis ſieben markige Linien auszeichnen, die wie eingelegt ausſehen, und ſich durch ihre milchweiße Farbe vor den grauen Subſtanz dieſer Wand unterſcheiden), welches auch allem Anſehen nach mit Recht als der Grund angegeben wird, warum das Gehoͤr ſtaͤrker und mehr unmittelbar, als ein anderer Sinn auf das gemeinſchaftliche Senforium wuͤrkt, wie denn auch nach einer Bemerkung von Santorini an einem ansgezeichnet ſcharf hoͤrenden die Hirnenden der Gehoͤrnerven weit hervorſtehender und ſtaͤrker als gewoͤhnlich ſind gefunden worden. Naͤchſt dem Hoͤrnerven iſt der Sehnerve (welcher nebſt jenem uns die ſtaͤrkſten Eindruͤcke und die deutlichſten Begriffe giebt) mit ſeinen Enden in der vierten Hirnhoͤle am meiſten ansgezeichnet, beyde ſind aber ſehr verſchieden geſtaltet, und endigen ſich an ganz entgegengeſetzten Waͤnden dieſer Hirnhoͤle, naͤhmlich die Hoͤrnerven an dem hintern und die Sehnerven an dem vordern Schluſſe

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/319>, abgerufen am 05.12.2024.