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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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22.

Wenn einem Grundtone der weiche Dreyklang 1, , gegeben wird, so läßt sich
die ihm alsdenn zukommende Tonleiter auf eben die Art finden, wie vorher bey der Ton-
leiter, die dem harten Dreyklange desselben zukommt, ist gezeigt worden, sie wird nähmlich
ebenfalls die Dreyklänge, welche der Quinte und Quarte desselben zugehören, enthalten
müssen. Am schicklichsten wird es seyn, wenn diese auch weiche Dreyklänge sind. Wenn
in der vorher erwähnten harten Tonleiter c, d, e, f, g, a, h, c die Unterterz von c, nähm-
lich a als Grundton einer weichen Tonart angesehen wird, so enthält diese Tonleiter den wei-
chen Dreyklang der Quinte e g h, und der Quarte d f a, wir erhalten also mit jeder har-
ten Tonleiter auch eine weiche. Wenn man nan a als den Grundton ansehen will, so
wird die weiche Tonleiter desselben seyn
a, h, c, d, e, f, g, a, h.

Nun verlangt aber das Gehör, daß zu Bezeichnung einer jeden harten und weichen
Tonleiter die Stufe von dem siebenten zum achten Tone nur einen großen halben Ton be-
trage, besonders, wenn man aufwärts steigt, daher diese letztere Stufe der unterhalbe
Ton der Tonart,
oder auch die tonbezeichnende Stufe (subsemitonium modi,
note sensible)
genennt wird. Es muß also bey dem Aufsteigen die Quinte e ihre große
Terz gis erhalten. Bey einer solchen Abänderung des g in gis würde aber die Stufe von
dem sechsten zum siebenten Tone, f zu gis, als eine übermäßige Secunde zu groß und zu
wenig sangbar seyn, es wird also bey dem Aufsteigen in den meisten Fällen nöthig seyn,
f in fis umzuändern; die weiche Tonleiter wird also aufsteigend meistens so müssen ausgeübt
werden: a, h, c, d, e, fis, gis, a. Jm Absteigen aber wird die Tonleiter so bleiben kön-
nen, wie sie ursprünglich ist, nähmlich a, g, f, e, d, c, h, a, weil sie alsdeun durch die
in ihren Dreyklängen enthaltenen kleinen Terzen, und besonders durch die zwischen der zwey-
ten und dritten Stufe befindlichen Fortschreitung von einem halben Tone genugsam bezeich-
net ist. Jn der Ausübung werden die Erhöhungen der sechsten und siebenten Stufe als
zufällig betrachtet, und jedesmahl, wenn es nöthig ist, besonders angemerkt.

Die weiche Tonleiter ist in ihrer Würkung von der harten sehr verschieden, und
mehr dem Ausdrucke der Traurigkeit, die harre aber mehr dem Ausdruck der Freude ange-
messen. Es ist die weiche Tonart auch gewissermaßen als weniger vollkommen anzusehen,
weil sie sich nicht durch so einfache Zahlenverhältnisse ausdrücken läßt, und zu ihrer Aus-

22.

Wenn einem Grundtone der weiche Dreyklang 1, , gegeben wird, ſo laͤßt ſich
die ihm alsdenn zukommende Tonleiter auf eben die Art finden, wie vorher bey der Ton-
leiter, die dem harten Dreyklange deſſelben zukommt, iſt gezeigt worden, ſie wird naͤhmlich
ebenfalls die Dreyklaͤnge, welche der Quinte und Quarte deſſelben zugehoͤren, enthalten
muͤſſen. Am ſchicklichſten wird es ſeyn, wenn dieſe auch weiche Dreyklaͤnge ſind. Wenn
in der vorher erwaͤhnten harten Tonleiter c, d, e, f, g, a, h, c die Unterterz von c, naͤhm-
lich a als Grundton einer weichen Tonart angeſehen wird, ſo enthaͤlt dieſe Tonleiter den wei-
chen Dreyklang der Quinte e g h, und der Quarte d f a, wir erhalten alſo mit jeder har-
ten Tonleiter auch eine weiche. Wenn man nan a als den Grundton anſehen will, ſo
wird die weiche Tonleiter deſſelben ſeyn
a, h, c, d, e, f, g, a, h.

Nun verlangt aber das Gehoͤr, daß zu Bezeichnung einer jeden harten und weichen
Tonleiter die Stufe von dem ſiebenten zum achten Tone nur einen großen halben Ton be-
trage, beſonders, wenn man aufwaͤrts ſteigt, daher dieſe letztere Stufe der unterhalbe
Ton der Tonart,
oder auch die tonbezeichnende Stufe (subsemitonium modi,
note sensible)
genennt wird. Es muß alſo bey dem Aufſteigen die Quinte e ihre große
Terz gis erhalten. Bey einer ſolchen Abaͤnderung des g in gis wuͤrde aber die Stufe von
dem ſechsten zum ſiebenten Tone, f zu gis, als eine uͤbermaͤßige Secunde zu groß und zu
wenig ſangbar ſeyn, es wird alſo bey dem Aufſteigen in den meiſten Faͤllen noͤthig ſeyn,
f in fis umzuaͤndern; die weiche Tonleiter wird alſo aufſteigend meiſtens ſo muͤſſen ausgeuͤbt
werden: a, h, c, d, e, fis, gis, a. Jm Abſteigen aber wird die Tonleiter ſo bleiben koͤn-
nen, wie ſie urſpruͤnglich iſt, naͤhmlich a, g, f, e, d, c, h, a, weil ſie alsdeun durch die
in ihren Dreyklaͤngen enthaltenen kleinen Terzen, und beſonders durch die zwiſchen der zwey-
ten und dritten Stufe befindlichen Fortſchreitung von einem halben Tone genugſam bezeich-
net iſt. Jn der Ausuͤbung werden die Erhoͤhungen der ſechsten und ſiebenten Stufe als
zufaͤllig betrachtet, und jedesmahl, wenn es noͤthig iſt, beſonders angemerkt.

Die weiche Tonleiter iſt in ihrer Wuͤrkung von der harten ſehr verſchieden, und
mehr dem Ausdrucke der Traurigkeit, die harre aber mehr dem Ausdruck der Freude ange-
meſſen. Es iſt die weiche Tonart auch gewiſſermaßen als weniger vollkommen anzuſehen,
weil ſie ſich nicht durch ſo einfache Zahlenverhaͤltniſſe ausdruͤcken laͤßt, und zu ihrer Aus-

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[23/0057] 22. Wenn einem Grundtone der weiche Dreyklang 1, [FORMEL], [FORMEL] gegeben wird, ſo laͤßt ſich die ihm alsdenn zukommende Tonleiter auf eben die Art finden, wie vorher bey der Ton- leiter, die dem harten Dreyklange deſſelben zukommt, iſt gezeigt worden, ſie wird naͤhmlich ebenfalls die Dreyklaͤnge, welche der Quinte und Quarte deſſelben zugehoͤren, enthalten muͤſſen. Am ſchicklichſten wird es ſeyn, wenn dieſe auch weiche Dreyklaͤnge ſind. Wenn in der vorher erwaͤhnten harten Tonleiter c, d, e, f, g, a, h, c die Unterterz von c, naͤhm- lich a als Grundton einer weichen Tonart angeſehen wird, ſo enthaͤlt dieſe Tonleiter den wei- chen Dreyklang der Quinte e g h, und der Quarte d f a, wir erhalten alſo mit jeder har- ten Tonleiter auch eine weiche. Wenn man nan a als den Grundton anſehen will, ſo wird die weiche Tonleiter deſſelben ſeyn a, h, c, d, e, f, g, a, h. Nun verlangt aber das Gehoͤr, daß zu Bezeichnung einer jeden harten und weichen Tonleiter die Stufe von dem ſiebenten zum achten Tone nur einen großen halben Ton be- trage, beſonders, wenn man aufwaͤrts ſteigt, daher dieſe letztere Stufe der unterhalbe Ton der Tonart, oder auch die tonbezeichnende Stufe (subsemitonium modi, note sensible) genennt wird. Es muß alſo bey dem Aufſteigen die Quinte e ihre große Terz gis erhalten. Bey einer ſolchen Abaͤnderung des g in gis wuͤrde aber die Stufe von dem ſechsten zum ſiebenten Tone, f zu gis, als eine uͤbermaͤßige Secunde zu groß und zu wenig ſangbar ſeyn, es wird alſo bey dem Aufſteigen in den meiſten Faͤllen noͤthig ſeyn, f in fis umzuaͤndern; die weiche Tonleiter wird alſo aufſteigend meiſtens ſo muͤſſen ausgeuͤbt werden: a, h, c, d, e, fis, gis, a. Jm Abſteigen aber wird die Tonleiter ſo bleiben koͤn- nen, wie ſie urſpruͤnglich iſt, naͤhmlich a, g, f, e, d, c, h, a, weil ſie alsdeun durch die in ihren Dreyklaͤngen enthaltenen kleinen Terzen, und beſonders durch die zwiſchen der zwey- ten und dritten Stufe befindlichen Fortſchreitung von einem halben Tone genugſam bezeich- net iſt. Jn der Ausuͤbung werden die Erhoͤhungen der ſechsten und ſiebenten Stufe als zufaͤllig betrachtet, und jedesmahl, wenn es noͤthig iſt, beſonders angemerkt. Die weiche Tonleiter iſt in ihrer Wuͤrkung von der harten ſehr verſchieden, und mehr dem Ausdrucke der Traurigkeit, die harre aber mehr dem Ausdruck der Freude ange- meſſen. Es iſt die weiche Tonart auch gewiſſermaßen als weniger vollkommen anzuſehen, weil ſie ſich nicht durch ſo einfache Zahlenverhaͤltniſſe ausdruͤcken laͤßt, und zu ihrer Aus-

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/57>, abgerufen am 28.11.2024.