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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Entdeckungen über die Theorie des Klanges. Leipzig, 1787.

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Bey allen den Arten des Klanges, von welchen bisher die Rede war,
kommt es nur auf elastische Krümmungen einzelner Linien an, weit mehre-
ren Schwierigkeiten aber ist die Beurtheilung solcher Klänge unterworfen,
bey denen ganze Flächen nach mehreren Dimensionen zugleich elastische Krüm-
mungen annehmen, wofür man bisher weder die gehörigen Berechnungsar-
ten ausfindig gemacht, noch brauchbare Versuche darüber angestellt hat.
Das wenige, was von einigen darüber gesagt ist, stimmt größtentheils mit
der Erfahrung gar nicht überein; da ich also bey meinen Beobachtungen über
diese zusammengesetztern schwingenden Bewegungen einen ganz ungebahnten
Weg betreten muß, verdiene ich desto mehr Nachsicht, wenn ich bisweilen
irren sollte.

Zu deutlicher Darstellung solcher Klänge wird erfordert, daß man den
klingenden Körper an einer oder mehreren Stellen, die bey der verlangten
Art des Klanges in Ruhe bleiben, mit den Fingern oder auf andere Art hal-
te, den Rand desselben an einer schicklichen Stelle unter einem rechten Win-
kel mit dem Vielinbogen streiche, und, wenn man verlangt, daß die Ab-
theilung des klingenden Körpers sichtbar werden soll, auf die horizontal ge-
haltene Oberfläche desselben Sand streue, welcher von den schwingenden
Stellen heruntergeworfen wird, und auf den nicht schwingenden Stellen ru-
hig liegend bleibt. Durch bloßes Anschlagen wird man nur wenige solche
Klänge ohne Beymischung anderer deutlich genug hören können, auch wird
dadurch keine so starke und anhaltende schwingende Bewegung entstehen,
daß die Abtheilung des klingenden Körpers durch Aufstreuung des Sandes
sichtbar gemacht werden könnte; es ist also hierzu schlechterdings nöthig, sich
des Violinbogens zu bedienen. Wenn der Rand etwas zu scharf seyn soll-
te, muß ihm vermittelst einer Feile die Schärfe benommen werden, weil
sonst die Haare des Violinbogens Schaden leiden. Am füglichsten wird

man

Bey allen den Arten des Klanges, von welchen bisher die Rede war,
kommt es nur auf elaſtiſche Kruͤmmungen einzelner Linien an, weit mehre-
ren Schwierigkeiten aber iſt die Beurtheilung ſolcher Klaͤnge unterworfen,
bey denen ganze Flaͤchen nach mehreren Dimenſionen zugleich elaſtiſche Kruͤm-
mungen annehmen, wofuͤr man bisher weder die gehoͤrigen Berechnungsar-
ten ausfindig gemacht, noch brauchbare Verſuche daruͤber angeſtellt hat.
Das wenige, was von einigen daruͤber geſagt iſt, ſtimmt groͤßtentheils mit
der Erfahrung gar nicht uͤberein; da ich alſo bey meinen Beobachtungen uͤber
dieſe zuſammengeſetztern ſchwingenden Bewegungen einen ganz ungebahnten
Weg betreten muß, verdiene ich deſto mehr Nachſicht, wenn ich bisweilen
irren ſollte.

Zu deutlicher Darſtellung ſolcher Klaͤnge wird erfordert, daß man den
klingenden Koͤrper an einer oder mehreren Stellen, die bey der verlangten
Art des Klanges in Ruhe bleiben, mit den Fingern oder auf andere Art hal-
te, den Rand deſſelben an einer ſchicklichen Stelle unter einem rechten Win-
kel mit dem Vielinbogen ſtreiche, und, wenn man verlangt, daß die Ab-
theilung des klingenden Koͤrpers ſichtbar werden ſoll, auf die horizontal ge-
haltene Oberflaͤche deſſelben Sand ſtreue, welcher von den ſchwingenden
Stellen heruntergeworfen wird, und auf den nicht ſchwingenden Stellen ru-
hig liegend bleibt. Durch bloßes Anſchlagen wird man nur wenige ſolche
Klaͤnge ohne Beymiſchung anderer deutlich genug hoͤren koͤnnen, auch wird
dadurch keine ſo ſtarke und anhaltende ſchwingende Bewegung entſtehen,
daß die Abtheilung des klingenden Koͤrpers durch Aufſtreuung des Sandes
ſichtbar gemacht werden koͤnnte; es iſt alſo hierzu ſchlechterdings noͤthig, ſich
des Violinbogens zu bedienen. Wenn der Rand etwas zu ſcharf ſeyn ſoll-
te, muß ihm vermittelſt einer Feile die Schaͤrfe benommen werden, weil
ſonſt die Haare des Violinbogens Schaden leiden. Am fuͤglichſten wird

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[18/0026] Bey allen den Arten des Klanges, von welchen bisher die Rede war, kommt es nur auf elaſtiſche Kruͤmmungen einzelner Linien an, weit mehre- ren Schwierigkeiten aber iſt die Beurtheilung ſolcher Klaͤnge unterworfen, bey denen ganze Flaͤchen nach mehreren Dimenſionen zugleich elaſtiſche Kruͤm- mungen annehmen, wofuͤr man bisher weder die gehoͤrigen Berechnungsar- ten ausfindig gemacht, noch brauchbare Verſuche daruͤber angeſtellt hat. Das wenige, was von einigen daruͤber geſagt iſt, ſtimmt groͤßtentheils mit der Erfahrung gar nicht uͤberein; da ich alſo bey meinen Beobachtungen uͤber dieſe zuſammengeſetztern ſchwingenden Bewegungen einen ganz ungebahnten Weg betreten muß, verdiene ich deſto mehr Nachſicht, wenn ich bisweilen irren ſollte. Zu deutlicher Darſtellung ſolcher Klaͤnge wird erfordert, daß man den klingenden Koͤrper an einer oder mehreren Stellen, die bey der verlangten Art des Klanges in Ruhe bleiben, mit den Fingern oder auf andere Art hal- te, den Rand deſſelben an einer ſchicklichen Stelle unter einem rechten Win- kel mit dem Vielinbogen ſtreiche, und, wenn man verlangt, daß die Ab- theilung des klingenden Koͤrpers ſichtbar werden ſoll, auf die horizontal ge- haltene Oberflaͤche deſſelben Sand ſtreue, welcher von den ſchwingenden Stellen heruntergeworfen wird, und auf den nicht ſchwingenden Stellen ru- hig liegend bleibt. Durch bloßes Anſchlagen wird man nur wenige ſolche Klaͤnge ohne Beymiſchung anderer deutlich genug hoͤren koͤnnen, auch wird dadurch keine ſo ſtarke und anhaltende ſchwingende Bewegung entſtehen, daß die Abtheilung des klingenden Koͤrpers durch Aufſtreuung des Sandes ſichtbar gemacht werden koͤnnte; es iſt alſo hierzu ſchlechterdings noͤthig, ſich des Violinbogens zu bedienen. Wenn der Rand etwas zu ſcharf ſeyn ſoll- te, muß ihm vermittelſt einer Feile die Schaͤrfe benommen werden, weil ſonſt die Haare des Violinbogens Schaden leiden. Am fuͤglichſten wird man

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Entdeckungen über die Theorie des Klanges. Leipzig, 1787, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_klang_1787/26>, abgerufen am 21.11.2024.