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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Entdeckungen über die Theorie des Klanges. Leipzig, 1787.

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Rinnen eines Wasserstrales, und jedes durch Reiben, Schaben oder Kra-
tzen verursachte anhaltende Geräusch ein wahrer Klang seyn; wie sich denn
der Verfasser dieses Artikels selbst genöthiget gesehen hat, das Rasseln der
Räder an einem sehr schnell gehenden Wagen diesem Begriffe zufolge als ei-
nen Klang ansehen zu müssen, weshalb er nachher bey jedem brauchbaren
Klange das Mitklingen der in Verhältnissen der natürlichen Zahlen stehen-
den Töne als eine wesentliche Eigenschaft annimmt, durch welche derselbe
sich, seiner Meynung nach, von einem bloßen Klappern unterscheiden soll.

Ton nennt man einen Klang, bey dem man nur auf seine Höhe oder
Tiefe, d. i. auf die mehrere oder mindere Geschwindigkeit der Schwingun-
gen, Rücksicht nimmt. Hr. Prof. Funk hat in seiner Abhandlung über
Schall und Ton fast allemal das Wort Ton anstatt des Wortes Klang ge-
braucht, er hat auch nicht eingesehen, daß, wenn sich einige Schriftsteller
des Ausdrucks bedienen: ein Ton (oder der Begriff von einem Tone) ent-
stehe aus der Vergleichung mehrerer Klänge, solches nichts anders bedeutet,
als, man sehe bey dem Worte Ton bloß auf die Höhe oder Tiefe eines Klan-
ges. Daß er diesen Ausdruck gänzlich misverstanden habe, ist aus folgen-
den Stellen zu ersehen: "Viele Naturkündiger haben unrichtige Begriffe
"von Entstehung eints Tones gehabt und gegeben, wenn sie gesagt haben,
"er entstehe aus der Vergleichung einiger Schälle. Es würde hieraus sol-
"gen, ein einziger Ton sey kein Ton, welches man doch unmöglich behaupten
"kann. t) Und: errant plerique Physici in tono ita definiendo: Oriri
"eum ex comparatione diversorum sonorum. Iam pulset mihi aliquis

"una
t) S. dessen Abhandlung über Schall und Ton, in dem Leipziger Magazin zur
Naturkunde, Mathematik und Oeconomie, herausgegeben von Funk, Leske
und Hindenburg, Jahrg. 1781. S. 93.

Rinnen eines Waſſerſtrales, und jedes durch Reiben, Schaben oder Kra-
tzen verurſachte anhaltende Geraͤuſch ein wahrer Klang ſeyn; wie ſich denn
der Verfaſſer dieſes Artikels ſelbſt genoͤthiget geſehen hat, das Raſſeln der
Raͤder an einem ſehr ſchnell gehenden Wagen dieſem Begriffe zufolge als ei-
nen Klang anſehen zu muͤſſen, weshalb er nachher bey jedem brauchbaren
Klange das Mitklingen der in Verhaͤltniſſen der natuͤrlichen Zahlen ſtehen-
den Toͤne als eine weſentliche Eigenſchaft annimmt, durch welche derſelbe
ſich, ſeiner Meynung nach, von einem bloßen Klappern unterſcheiden ſoll.

Ton nennt man einen Klang, bey dem man nur auf ſeine Hoͤhe oder
Tiefe, d. i. auf die mehrere oder mindere Geſchwindigkeit der Schwingun-
gen, Ruͤckſicht nimmt. Hr. Prof. Funk hat in ſeiner Abhandlung uͤber
Schall und Ton faſt allemal das Wort Ton anſtatt des Wortes Klang ge-
braucht, er hat auch nicht eingeſehen, daß, wenn ſich einige Schriftſteller
des Ausdrucks bedienen: ein Ton (oder der Begriff von einem Tone) ent-
ſtehe aus der Vergleichung mehrerer Klaͤnge, ſolches nichts anders bedeutet,
als, man ſehe bey dem Worte Ton bloß auf die Hoͤhe oder Tiefe eines Klan-
ges. Daß er dieſen Ausdruck gaͤnzlich misverſtanden habe, iſt aus folgen-
den Stellen zu erſehen: „Viele Naturkuͤndiger haben unrichtige Begriffe
„von Entſtehung eints Tones gehabt und gegeben, wenn ſie geſagt haben,
„er entſtehe aus der Vergleichung einiger Schaͤlle. Es wuͤrde hieraus ſol-
„gen, ein einziger Ton ſey kein Ton, welches man doch unmoͤglich behaupten
„kann. t) Und: errant plerique Phyſici in tono ita definiendo: Oriri
„eum ex comparatione diverſorum ſonorum. Iam pulſet mihi aliquis

una
t) S. deſſen Abhandlung uͤber Schall und Ton, in dem Leipziger Magazin zur
Naturkunde, Mathematik und Oeconomie, herausgegeben von Funk, Leske
und Hindenburg, Jahrg. 1781. S. 93.
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[72/0080] Rinnen eines Waſſerſtrales, und jedes durch Reiben, Schaben oder Kra- tzen verurſachte anhaltende Geraͤuſch ein wahrer Klang ſeyn; wie ſich denn der Verfaſſer dieſes Artikels ſelbſt genoͤthiget geſehen hat, das Raſſeln der Raͤder an einem ſehr ſchnell gehenden Wagen dieſem Begriffe zufolge als ei- nen Klang anſehen zu muͤſſen, weshalb er nachher bey jedem brauchbaren Klange das Mitklingen der in Verhaͤltniſſen der natuͤrlichen Zahlen ſtehen- den Toͤne als eine weſentliche Eigenſchaft annimmt, durch welche derſelbe ſich, ſeiner Meynung nach, von einem bloßen Klappern unterſcheiden ſoll. Ton nennt man einen Klang, bey dem man nur auf ſeine Hoͤhe oder Tiefe, d. i. auf die mehrere oder mindere Geſchwindigkeit der Schwingun- gen, Ruͤckſicht nimmt. Hr. Prof. Funk hat in ſeiner Abhandlung uͤber Schall und Ton faſt allemal das Wort Ton anſtatt des Wortes Klang ge- braucht, er hat auch nicht eingeſehen, daß, wenn ſich einige Schriftſteller des Ausdrucks bedienen: ein Ton (oder der Begriff von einem Tone) ent- ſtehe aus der Vergleichung mehrerer Klaͤnge, ſolches nichts anders bedeutet, als, man ſehe bey dem Worte Ton bloß auf die Hoͤhe oder Tiefe eines Klan- ges. Daß er dieſen Ausdruck gaͤnzlich misverſtanden habe, iſt aus folgen- den Stellen zu erſehen: „Viele Naturkuͤndiger haben unrichtige Begriffe „von Entſtehung eints Tones gehabt und gegeben, wenn ſie geſagt haben, „er entſtehe aus der Vergleichung einiger Schaͤlle. Es wuͤrde hieraus ſol- „gen, ein einziger Ton ſey kein Ton, welches man doch unmoͤglich behaupten „kann. t) Und: errant plerique Phyſici in tono ita definiendo: Oriri „eum ex comparatione diverſorum ſonorum. Iam pulſet mihi aliquis „una t) S. deſſen Abhandlung uͤber Schall und Ton, in dem Leipziger Magazin zur Naturkunde, Mathematik und Oeconomie, herausgegeben von Funk, Leske und Hindenburg, Jahrg. 1781. S. 93.

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Entdeckungen über die Theorie des Klanges. Leipzig, 1787, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_klang_1787/80>, abgerufen am 27.11.2024.