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Christ, Johann Ludwig: Vollständige Pomologie. Bd. 1. Das Kernobst. Berlin, 1809.

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Terminologien.
liegen haben, als Kirschen, Pfirschen etc. -- Ihre Vege-
tation ist von der des Kernobstes in vielem sehr verschie-
den, und erfordert daher auch einen andern Schnitt bey
Zwergbäumen, als das Kernobst. Dieses trägt der
Regel nach nie an einjährigem Holz, d. i. an vorjährigen
Sommertrieben, sondern ihre Fruchtaugen erfordern zu
ihrer völligen Ausbildung 2, 3 und manche 4 bis 5 Jahre.
Aber das Steinobst trägt am einjährigen Holz, und
seine Fruchtaugen bilden sich am Sommertrieb des näm-
lichen Jahres völlig aus. Auch seine Fruchtspieße sind
verschieden. Was bey jenen die Blätter in mehrern Jah-
ren bearbeiten, das thut das einzige Laubaug auf der Spitze
des Bouquetzweiges in einem Sommer. Er macht auch
keine schlafende Augen für die Zukunft, sondern der neue
Zweig setzet neue Bouquetzweige oder Fruchtspieße an.

Stiel. -- Er hat an sich ein wichtiges Geschäft bey dem
Wachsthum der Frucht. Er trägt solche nicht nur und hält
sie am Baume, sondern er ist zugleich, außer dem Ringel-
holz, ein Organ mit zur Scheidung und Filtrirung der
Säfte für die Frucht. Besonders ist das eine Hauptbestim-
mung des merkwürdigen Knöpfchens am Stiel des Stein-
obstes, das genau betrachtet, geringelt ist, weil es die
Stelle des Fruchtkuchens bey dem Kernobst versiehet. S.
Fruchtkuchen
. -- Der Stiel ist bald kurz, (bey Aepfeln
manchmal gleichsam nur ein Fleischbutze,) bald lang.
Wenn aber bey manchen Früchten vom Kernobst der Stiel
lang ist, da sonst die Sorte einen ganz kurzen Stiel hat,
so ist jenes hauptsächlich der Fall bey Nebenfrüchten,
das heißt bey solchen, die nicht ganz allein auf einem
Fruchtkuchen stehen, sondern neben der Hauptfrucht.
Damit sie nun nicht von diesem stärkern Nachbar, der den
kürzern, regelmäßigen und starken Stiel hat, abgestoßen
werde, versorgt sie die Natur mit einem längern Stiel. --
Bey Birnen ist er theils geradeaus stehend, oder lang

Terminologien.
liegen haben, als Kirſchen, Pfirſchen ꝛc. — Ihre Vege-
tation iſt von der des Kernobſtes in vielem ſehr verſchie-
den, und erfordert daher auch einen andern Schnitt bey
Zwergbäumen, als das Kernobſt. Dieſes trägt der
Regel nach nie an einjährigem Holz, d. i. an vorjährigen
Sommertrieben, ſondern ihre Fruchtaugen erfordern zu
ihrer völligen Ausbildung 2, 3 und manche 4 bis 5 Jahre.
Aber das Steinobſt trägt am einjährigen Holz, und
ſeine Fruchtaugen bilden ſich am Sommertrieb des näm-
lichen Jahres völlig aus. Auch ſeine Fruchtſpieße ſind
verſchieden. Was bey jenen die Blätter in mehrern Jah-
ren bearbeiten, das thut das einzige Laubaug auf der Spitze
des Bouquetzweiges in einem Sommer. Er macht auch
keine ſchlafende Augen für die Zukunft, ſondern der neue
Zweig ſetzet neue Bouquetzweige oder Fruchtſpieße an.

Stiel. — Er hat an ſich ein wichtiges Geſchäft bey dem
Wachsthum der Frucht. Er trägt ſolche nicht nur und hält
ſie am Baume, ſondern er iſt zugleich, außer dem Ringel-
holz, ein Organ mit zur Scheidung und Filtrirung der
Säfte für die Frucht. Beſonders iſt das eine Hauptbeſtim-
mung des merkwürdigen Knöpfchens am Stiel des Stein-
obſtes, das genau betrachtet, geringelt iſt, weil es die
Stelle des Fruchtkuchens bey dem Kernobſt verſiehet. S.
Fruchtkuchen
. — Der Stiel iſt bald kurz, (bey Aepfeln
manchmal gleichſam nur ein Fleiſchbutze,) bald lang.
Wenn aber bey manchen Früchten vom Kernobſt der Stiel
lang iſt, da ſonſt die Sorte einen ganz kurzen Stiel hat,
ſo iſt jenes hauptſächlich der Fall bey Nebenfrüchten,
das heißt bey ſolchen, die nicht ganz allein auf einem
Fruchtkuchen ſtehen, ſondern neben der Hauptfrucht.
Damit ſie nun nicht von dieſem ſtärkern Nachbar, der den
kürzern, regelmäßigen und ſtarken Stiel hat, abgeſtoßen
werde, verſorgt ſie die Natur mit einem längern Stiel. —
Bey Birnen iſt er theils geradeaus ſtehend, oder lang

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[XLV/0045] Terminologien. liegen haben, als Kirſchen, Pfirſchen ꝛc. — Ihre Vege- tation iſt von der des Kernobſtes in vielem ſehr verſchie- den, und erfordert daher auch einen andern Schnitt bey Zwergbäumen, als das Kernobſt. Dieſes trägt der Regel nach nie an einjährigem Holz, d. i. an vorjährigen Sommertrieben, ſondern ihre Fruchtaugen erfordern zu ihrer völligen Ausbildung 2, 3 und manche 4 bis 5 Jahre. Aber das Steinobſt trägt am einjährigen Holz, und ſeine Fruchtaugen bilden ſich am Sommertrieb des näm- lichen Jahres völlig aus. Auch ſeine Fruchtſpieße ſind verſchieden. Was bey jenen die Blätter in mehrern Jah- ren bearbeiten, das thut das einzige Laubaug auf der Spitze des Bouquetzweiges in einem Sommer. Er macht auch keine ſchlafende Augen für die Zukunft, ſondern der neue Zweig ſetzet neue Bouquetzweige oder Fruchtſpieße an. Stiel. — Er hat an ſich ein wichtiges Geſchäft bey dem Wachsthum der Frucht. Er trägt ſolche nicht nur und hält ſie am Baume, ſondern er iſt zugleich, außer dem Ringel- holz, ein Organ mit zur Scheidung und Filtrirung der Säfte für die Frucht. Beſonders iſt das eine Hauptbeſtim- mung des merkwürdigen Knöpfchens am Stiel des Stein- obſtes, das genau betrachtet, geringelt iſt, weil es die Stelle des Fruchtkuchens bey dem Kernobſt verſiehet. S. Fruchtkuchen. — Der Stiel iſt bald kurz, (bey Aepfeln manchmal gleichſam nur ein Fleiſchbutze,) bald lang. Wenn aber bey manchen Früchten vom Kernobſt der Stiel lang iſt, da ſonſt die Sorte einen ganz kurzen Stiel hat, ſo iſt jenes hauptſächlich der Fall bey Nebenfrüchten, das heißt bey ſolchen, die nicht ganz allein auf einem Fruchtkuchen ſtehen, ſondern neben der Hauptfrucht. Damit ſie nun nicht von dieſem ſtärkern Nachbar, der den kürzern, regelmäßigen und ſtarken Stiel hat, abgeſtoßen werde, verſorgt ſie die Natur mit einem längern Stiel. — Bey Birnen iſt er theils geradeaus ſtehend, oder lang

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Zitationshilfe: Christ, Johann Ludwig: Vollständige Pomologie. Bd. 1. Das Kernobst. Berlin, 1809, S. XLV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/christ_pomologie01_1809/45>, abgerufen am 21.11.2024.