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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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Meine Wirthin unterließ nicht, der armen
Adeline das Wort zu reden, und so lächerlich
auch ihre Erörterungen waren, so dienten sie
wirklich dazu, meinen und meines Freundes Eifer
zu vermehren. Eines Morgens, es war am 9ten
July, kam die gute Frau plötzlich zu mir und
sagte: Ich habe so unter der Hand erfahren,
weshalb das arme Linchen in den vertracten
Mauren schmachten soll; ihr Vater ist ein alter
Filz, und hat sie an einen lüderlichen Grafen
hängen wollen, der noch obendrein eine Masse
Schulden hat. Unser Linchen widersetzt sich
tüchtig, und der schändliche Stiefvater kartet es
so mit seiner alten Freundin, der Äbtissin, die
auf des Mädchens Mutter einen unversöhnlichen
Haß geworfen, daß die Arme in das vermaledeite
Ursulinerkloster geführt wird. Es ist eine him¬
melschreiende Barbarei! Und was thut überhaupt
der Mensch im Kloster? Wir sind alle für ganz
etwas anderes da, nicht wahr Herr Baron? --
nicht für etwas so Apartes. Ein junges, fröh¬
liches Ding von einem Mädchen gehört nicht in
die Betklause; es geht einmal nicht, daß wir ein
solches albernes Leben führen, es geht nimmermehr
nicht; und warum geht's nicht? weil es gegen
unser Gefühl ist, weil wir für ewiges Fasten und
Beten nicht sind geschaffen worden! --

Meine Wirthin unterließ nicht, der armen
Adeline das Wort zu reden, und ſo laͤcherlich
auch ihre Eroͤrterungen waren, ſo dienten ſie
wirklich dazu, meinen und meines Freundes Eifer
zu vermehren. Eines Morgens, es war am 9ten
July, kam die gute Frau ploͤtzlich zu mir und
ſagte: Ich habe ſo unter der Hand erfahren,
weshalb das arme Linchen in den vertracten
Mauren ſchmachten ſoll; ihr Vater iſt ein alter
Filz, und hat ſie an einen luͤderlichen Grafen
haͤngen wollen, der noch obendrein eine Maſſe
Schulden hat. Unſer Linchen widerſetzt ſich
tuͤchtig, und der ſchaͤndliche Stiefvater kartet es
ſo mit ſeiner alten Freundin, der Äbtiſſin, die
auf des Maͤdchens Mutter einen unverſoͤhnlichen
Haß geworfen, daß die Arme in das vermaledeite
Urſulinerkloſter gefuͤhrt wird. Es iſt eine him¬
melſchreiende Barbarei! Und was thut uͤberhaupt
der Menſch im Kloſter? Wir ſind alle fuͤr ganz
etwas anderes da, nicht wahr Herr Baron? —
nicht fuͤr etwas ſo Apartes. Ein junges, froͤh¬
liches Ding von einem Maͤdchen gehoͤrt nicht in
die Betklauſe; es geht einmal nicht, daß wir ein
ſolches albernes Leben fuͤhren, es geht nimmermehr
nicht; und warum geht's nicht? weil es gegen
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Beten nicht ſind geſchaffen worden! —

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[202/0208] Meine Wirthin unterließ nicht, der armen Adeline das Wort zu reden, und ſo laͤcherlich auch ihre Eroͤrterungen waren, ſo dienten ſie wirklich dazu, meinen und meines Freundes Eifer zu vermehren. Eines Morgens, es war am 9ten July, kam die gute Frau ploͤtzlich zu mir und ſagte: Ich habe ſo unter der Hand erfahren, weshalb das arme Linchen in den vertracten Mauren ſchmachten ſoll; ihr Vater iſt ein alter Filz, und hat ſie an einen luͤderlichen Grafen haͤngen wollen, der noch obendrein eine Maſſe Schulden hat. Unſer Linchen widerſetzt ſich tuͤchtig, und der ſchaͤndliche Stiefvater kartet es ſo mit ſeiner alten Freundin, der Äbtiſſin, die auf des Maͤdchens Mutter einen unverſoͤhnlichen Haß geworfen, daß die Arme in das vermaledeite Urſulinerkloſter gefuͤhrt wird. Es iſt eine him¬ melſchreiende Barbarei! Und was thut uͤberhaupt der Menſch im Kloſter? Wir ſind alle fuͤr ganz etwas anderes da, nicht wahr Herr Baron? — nicht fuͤr etwas ſo Apartes. Ein junges, froͤh¬ liches Ding von einem Maͤdchen gehoͤrt nicht in die Betklauſe; es geht einmal nicht, daß wir ein ſolches albernes Leben fuͤhren, es geht nimmermehr nicht; und warum geht's nicht? weil es gegen unſer Gefuͤhl iſt, weil wir fuͤr ewiges Faſten und Beten nicht ſind geſchaffen worden! —

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/208>, abgerufen am 28.11.2024.