Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

langweiligen Öconomie. Er hatte einige Tage
vorher ein Gut besehn, welches in der Nachbar¬
schaft zu verkaufen war, und stattete nun, als
eine seiner Lieblingsmaterien, dem Oncle genauen
Bericht ab. "Eine exemplarische Ordnung," hob
er an, und stach mit kräftiger Faust in die wol¬
lige Masse eines duftenden Puddings, als sei es
ein Stück Rindfleisch, "eine exemplarische Ordnung,
herrscht in der Wirthschaft! Das Molkenwesen
hat nicht seines Gleichen, und ein Dünger! nein,
das Wasser läuft einem im Munde zusammen!
Das mußte man dem alten Berninger lassen, den
Rummel verstand er, wie einer; aber was ihn
in's Unglück brachte, war der ewige vornehme
Besuch, der den Mann belästigte, und dann das
dumme Wirthshaus, der grüne Esel, das er zu
einem Hotel machen wollte, ohne einen Gast zu
haben. Ich dachte gleich, der Berninger wird
noch seinen Esel zwischen die Beine nehmen, und
in den Schuldthurm reiten müssen!"

Nein, es war zu arg! Der Oncle Heinrich
lachte laut auf; aber Tina wandte, heimlich im
Innern ergrimmt, ihre Äugelein nach der Seite,
wo Blauenstein saß. Der Oncle zupfte sie zwar
am Kleide, und flüsterte in einer Art Weinlaune:
"Tinchen, gefällt Dir der? Das ist ein Kerlchen,

langweiligen Öconomie. Er hatte einige Tage
vorher ein Gut beſehn, welches in der Nachbar¬
ſchaft zu verkaufen war, und ſtattete nun, als
eine ſeiner Lieblingsmaterien, dem Oncle genauen
Bericht ab. „Eine exemplariſche Ordnung,“ hob
er an, und ſtach mit kraͤftiger Fauſt in die wol¬
lige Maſſe eines duftenden Puddings, als ſei es
ein Stuͤck Rindfleiſch, „eine exemplariſche Ordnung,
herrſcht in der Wirthſchaft! Das Molkenweſen
hat nicht ſeines Gleichen, und ein Duͤnger! nein,
das Waſſer laͤuft einem im Munde zuſammen!
Das mußte man dem alten Berninger laſſen, den
Rummel verſtand er, wie einer; aber was ihn
in's Ungluͤck brachte, war der ewige vornehme
Beſuch, der den Mann belaͤſtigte, und dann das
dumme Wirthshaus, der gruͤne Eſel, das er zu
einem Hotel machen wollte, ohne einen Gaſt zu
haben. Ich dachte gleich, der Berninger wird
noch ſeinen Eſel zwiſchen die Beine nehmen, und
in den Schuldthurm reiten muͤſſen!“

Nein, es war zu arg! Der Oncle Heinrich
lachte laut auf; aber Tina wandte, heimlich im
Innern ergrimmt, ihre Äugelein nach der Seite,
wo Blauenſtein ſaß. Der Oncle zupfte ſie zwar
am Kleide, und fluͤſterte in einer Art Weinlaune:
„Tinchen, gefaͤllt Dir der? Das iſt ein Kerlchen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0029" n="23"/>
langweiligen Öconomie. Er hatte einige Tage<lb/>
vorher ein Gut be&#x017F;ehn, welches in der Nachbar¬<lb/>
&#x017F;chaft zu verkaufen war, und &#x017F;tattete nun, als<lb/>
eine &#x017F;einer Lieblingsmaterien, dem Oncle genauen<lb/>
Bericht ab. &#x201E;Eine exemplari&#x017F;che Ordnung,&#x201C; hob<lb/>
er an, und &#x017F;tach mit kra&#x0364;ftiger Fau&#x017F;t in die wol¬<lb/>
lige Ma&#x017F;&#x017F;e eines duftenden Puddings, als &#x017F;ei es<lb/>
ein Stu&#x0364;ck Rindflei&#x017F;ch, &#x201E;eine exemplari&#x017F;che Ordnung,<lb/>
herr&#x017F;cht in der Wirth&#x017F;chaft! Das Molkenwe&#x017F;en<lb/>
hat nicht &#x017F;eines Gleichen, und ein Du&#x0364;nger! nein,<lb/>
das Wa&#x017F;&#x017F;er la&#x0364;uft einem im Munde zu&#x017F;ammen!<lb/>
Das mußte man dem alten Berninger la&#x017F;&#x017F;en, den<lb/>
Rummel ver&#x017F;tand er, wie einer; aber was ihn<lb/>
in's Unglu&#x0364;ck brachte, war der ewige vornehme<lb/>
Be&#x017F;uch, der den Mann bela&#x0364;&#x017F;tigte, und dann das<lb/>
dumme Wirthshaus, der gru&#x0364;ne E&#x017F;el, das er zu<lb/>
einem Hotel machen wollte, ohne einen Ga&#x017F;t zu<lb/>
haben. Ich dachte gleich, der Berninger wird<lb/>
noch &#x017F;einen E&#x017F;el zwi&#x017F;chen die Beine nehmen, und<lb/>
in den Schuldthurm reiten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Nein, es war zu arg! Der Oncle Heinrich<lb/>
lachte laut auf; aber Tina wandte, heimlich im<lb/>
Innern ergrimmt, ihre Äugelein nach der Seite,<lb/>
wo Blauen&#x017F;tein &#x017F;aß. Der Oncle zupfte &#x017F;ie zwar<lb/>
am Kleide, und flu&#x0364;&#x017F;terte in einer Art Weinlaune:<lb/>
&#x201E;Tinchen, gefa&#x0364;llt Dir der? Das i&#x017F;t ein Kerlchen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0029] langweiligen Öconomie. Er hatte einige Tage vorher ein Gut beſehn, welches in der Nachbar¬ ſchaft zu verkaufen war, und ſtattete nun, als eine ſeiner Lieblingsmaterien, dem Oncle genauen Bericht ab. „Eine exemplariſche Ordnung,“ hob er an, und ſtach mit kraͤftiger Fauſt in die wol¬ lige Maſſe eines duftenden Puddings, als ſei es ein Stuͤck Rindfleiſch, „eine exemplariſche Ordnung, herrſcht in der Wirthſchaft! Das Molkenweſen hat nicht ſeines Gleichen, und ein Duͤnger! nein, das Waſſer laͤuft einem im Munde zuſammen! Das mußte man dem alten Berninger laſſen, den Rummel verſtand er, wie einer; aber was ihn in's Ungluͤck brachte, war der ewige vornehme Beſuch, der den Mann belaͤſtigte, und dann das dumme Wirthshaus, der gruͤne Eſel, das er zu einem Hotel machen wollte, ohne einen Gaſt zu haben. Ich dachte gleich, der Berninger wird noch ſeinen Eſel zwiſchen die Beine nehmen, und in den Schuldthurm reiten muͤſſen!“ Nein, es war zu arg! Der Oncle Heinrich lachte laut auf; aber Tina wandte, heimlich im Innern ergrimmt, ihre Äugelein nach der Seite, wo Blauenſtein ſaß. Der Oncle zupfte ſie zwar am Kleide, und fluͤſterte in einer Art Weinlaune: „Tinchen, gefaͤllt Dir der? Das iſt ein Kerlchen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/29
Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/29>, abgerufen am 05.05.2024.