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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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dummes Streichelchen, dachte Tina erröthend,
nahm den ihr von Blauenstein dargebotenen Stuhl
freundlich an, und stellte die fein und zierlich ge¬
arbeiteten Steine auf das glänzende Brett. "Das
Schach hatte eine edle Bestimmung," begann
Blauenstein, und lud seine schöne Gegnerin zum
Beginnen des Kampfes ein, "es sollte einen
König bessern!"

"Der Erfolg war gut," sagte Tina, und ging
mit dem rechten Springer auf die beiden, vorge¬
rückten Bauren Blauensteins mit keckem Muthe
los. "Aber bietet es uns nicht mehr, giebt es
uns nicht ein treffendes Bild des Lebens?"

Ihr Gegner sah sie mit fragenden Blicken
an; und erwiederte: "Sie haben recht, mein
Fräulein; die Königin, man braucht wohl eben
nicht immer an die Inhaberin eines Thrones zu
denken, ist die Hauptperson. Ihr schwacher Ge¬
mahl wird ohne sie ein trauriges Bild der Hin¬
fälligkeit; nur sie giebt dem Leben Reiz, nur sie
giebt ihm Bedeutung!"

"Aber ihre Wege sind immer die geraden,"
fiel Tina ein, und bot zuerst ihrem Nachbar ein
wohltönendes "Schach!" "Mit weiblicher Würde

dummes Streichelchen, dachte Tina erroͤthend,
nahm den ihr von Blauenſtein dargebotenen Stuhl
freundlich an, und ſtellte die fein und zierlich ge¬
arbeiteten Steine auf das glaͤnzende Brett. „Das
Schach hatte eine edle Beſtimmung,“ begann
Blauenſtein, und lud ſeine ſchoͤne Gegnerin zum
Beginnen des Kampfes ein, „es ſollte einen
Koͤnig beſſern!“

„Der Erfolg war gut,“ ſagte Tina, und ging
mit dem rechten Springer auf die beiden, vorge¬
ruͤckten Bauren Blauenſteins mit keckem Muthe
los. „Aber bietet es uns nicht mehr, giebt es
uns nicht ein treffendes Bild des Lebens?“

Ihr Gegner ſah ſie mit fragenden Blicken
an; und erwiederte: „Sie haben recht, mein
Fraͤulein; die Koͤnigin, man braucht wohl eben
nicht immer an die Inhaberin eines Thrones zu
denken, iſt die Hauptperſon. Ihr ſchwacher Ge¬
mahl wird ohne ſie ein trauriges Bild der Hin¬
faͤlligkeit; nur ſie giebt dem Leben Reiz, nur ſie
giebt ihm Bedeutung!“

„Aber ihre Wege ſind immer die geraden,“
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[26/0032] dummes Streichelchen, dachte Tina erroͤthend, nahm den ihr von Blauenſtein dargebotenen Stuhl freundlich an, und ſtellte die fein und zierlich ge¬ arbeiteten Steine auf das glaͤnzende Brett. „Das Schach hatte eine edle Beſtimmung,“ begann Blauenſtein, und lud ſeine ſchoͤne Gegnerin zum Beginnen des Kampfes ein, „es ſollte einen Koͤnig beſſern!“ „Der Erfolg war gut,“ ſagte Tina, und ging mit dem rechten Springer auf die beiden, vorge¬ ruͤckten Bauren Blauenſteins mit keckem Muthe los. „Aber bietet es uns nicht mehr, giebt es uns nicht ein treffendes Bild des Lebens?“ Ihr Gegner ſah ſie mit fragenden Blicken an; und erwiederte: „Sie haben recht, mein Fraͤulein; die Koͤnigin, man braucht wohl eben nicht immer an die Inhaberin eines Thrones zu denken, iſt die Hauptperſon. Ihr ſchwacher Ge¬ mahl wird ohne ſie ein trauriges Bild der Hin¬ faͤlligkeit; nur ſie giebt dem Leben Reiz, nur ſie giebt ihm Bedeutung!“ „Aber ihre Wege ſind immer die geraden,“ fiel Tina ein, und bot zuerſt ihrem Nachbar ein wohltoͤnendes „Schach!“ „Mit weiblicher Wuͤrde

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/32>, abgerufen am 09.11.2024.