Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.Blauenstein zum letzten Lebewohl ihre Hand ergriff, "Ihre Worte bürgen mir für Ihr Wohlwollen, Tina erröthete; aber schnell entschlossen eilte Blauenſtein zum letzten Lebewohl ihre Hand ergriff, „Ihre Worte buͤrgen mir fuͤr Ihr Wohlwollen, Tina erroͤthete; aber ſchnell entſchloſſen eilte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0086" n="80"/> Blauenſtein zum letzten Lebewohl ihre Hand ergriff,<lb/> und eine Thraͤne ſich in ſein Auge ſtahl, vermogte<lb/> ſie wieder zu reden, und ſich gefaßt und ruhig<lb/> uͤber die Sache zu aͤußern. „Warum dieſe Eile,<lb/> mein Freund?“ fragte ſie mit dem zarten Wohl¬<lb/> laut ihrer Stimme, und ſah dem jungen, ſchoͤnen<lb/> Manne mit milder Freundlichkeit in die in<lb/> Thraͤnen halb ſchwimmenden Augen. „Ich weiß,<lb/> was es heißt, einen Vater krank zu wiſſen, und<lb/> ein guter Sohn wird nicht vom Himmel geſtraft<lb/> werden durch einen herben Verluſt; aber warten<lb/> Sie den morgenden Tag ab, und gelangen Sie<lb/> zu gehoͤriger innerer Ruhe. Ihr Auge brennt<lb/> fieberiſch, Sie ſind ſelbſt krank, und duͤrfen nicht<lb/> ſo ohne Schonung mit ſich umgehn!“</p><lb/> <p>„Ihre Worte buͤrgen mir fuͤr Ihr Wohlwollen,<lb/> mein Fraͤulein,“ entgegnete der aͤngſtlich Bedraͤngte,<lb/> „aber mich rufen heilige Pflichten! Um eins<lb/> wage ich noch zu bitten, gewaͤhren Sie mir ein<lb/> kleines Angedenken!“</p><lb/> <p>Tina erroͤthete; aber ſchnell entſchloſſen eilte<lb/> ſie an ihren Arbeitstiſch, nahm aus einem Schub¬<lb/> fache eine reichgeſtickte Brieftaſche, und legte ſie<lb/> in Blauenſteins Hand. Im naͤchſten Augenblick<lb/> war er verſchwunden, und ſie ſank wie erſchoͤpft<lb/> auf die weichen Polſter ihres Sophas. — —<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [80/0086]
Blauenſtein zum letzten Lebewohl ihre Hand ergriff,
und eine Thraͤne ſich in ſein Auge ſtahl, vermogte
ſie wieder zu reden, und ſich gefaßt und ruhig
uͤber die Sache zu aͤußern. „Warum dieſe Eile,
mein Freund?“ fragte ſie mit dem zarten Wohl¬
laut ihrer Stimme, und ſah dem jungen, ſchoͤnen
Manne mit milder Freundlichkeit in die in
Thraͤnen halb ſchwimmenden Augen. „Ich weiß,
was es heißt, einen Vater krank zu wiſſen, und
ein guter Sohn wird nicht vom Himmel geſtraft
werden durch einen herben Verluſt; aber warten
Sie den morgenden Tag ab, und gelangen Sie
zu gehoͤriger innerer Ruhe. Ihr Auge brennt
fieberiſch, Sie ſind ſelbſt krank, und duͤrfen nicht
ſo ohne Schonung mit ſich umgehn!“
„Ihre Worte buͤrgen mir fuͤr Ihr Wohlwollen,
mein Fraͤulein,“ entgegnete der aͤngſtlich Bedraͤngte,
„aber mich rufen heilige Pflichten! Um eins
wage ich noch zu bitten, gewaͤhren Sie mir ein
kleines Angedenken!“
Tina erroͤthete; aber ſchnell entſchloſſen eilte
ſie an ihren Arbeitstiſch, nahm aus einem Schub¬
fache eine reichgeſtickte Brieftaſche, und legte ſie
in Blauenſteins Hand. Im naͤchſten Augenblick
war er verſchwunden, und ſie ſank wie erſchoͤpft
auf die weichen Polſter ihres Sophas. — —
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