Erfolge an, und man kann jeden einzelnen wie eine Spielmarke zurücklegen.
So wie die erste Vorstellungsart ihre Wahrheit aus der Natur der Sache schöpft, so finden wir die der zweiten in der Geschichte. Es giebt eine Unzahl von Fällen, wo ein kleiner mäßiger Vortheil hat gewonnen werden können, ohne daß sich daran irgend eine erschwerende Bedingung geknüpft hätte. Je mehr das Element des Krieges ermäßigt ist, um so häufiger werden diese Fälle, aber so wenig wie je in einem Kriege die erste der Vor- stellungsarten vollkommen wahr ist, eben so wenig giebt es Kriege wo die letztere überall zutrifft, und die erstere entbehrlich wäre.
Halten wir uns an die erste dieser beiden Vorstel- lungsarten, so müssen wir die Nothwendigkeit einsehn, daß ein jeder Krieg von Hause aus als ein Ganzes aufgefaßt werde, und daß beim ersten Schritt vorwärts der Feldherr schon das Ziel im Auge habe, wohin alle Linien laufen.
Lassen wir die zweite Vorstellungsart zu, so können untergeordnete Vortheile um ihrer selbst willen verfolgt und das Weitere den weiteren Ergebnissen überlassen werden.
Da keine dieser beiden Vorstellungsarten ohne Re- sultat ist, so kann die Theorie auch keine derselben ent- behren. Der Unterschied aber, den sie im Gebrauch derselben macht, besteht darin, daß sie fordert: die erstere als die Grundvorstellung auch überall zum Grunde zu legen und die letztere nur als eine Modifikation zu ge- brauchen, die durch die Umstände gerechtfertigt wird.
Wenn Friedrich der Große in den Jahren 1742, 1744, 1757 und 1758 von Schlesien und Sachsen aus eine neue Offensivspitze in den östreichischen Staat hin- eintrieb, von der er recht gut wußte daß sie nicht zu einer
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Erfolge an, und man kann jeden einzelnen wie eine Spielmarke zuruͤcklegen.
So wie die erſte Vorſtellungsart ihre Wahrheit aus der Natur der Sache ſchoͤpft, ſo finden wir die der zweiten in der Geſchichte. Es giebt eine Unzahl von Faͤllen, wo ein kleiner maͤßiger Vortheil hat gewonnen werden koͤnnen, ohne daß ſich daran irgend eine erſchwerende Bedingung geknuͤpft haͤtte. Je mehr das Element des Krieges ermaͤßigt iſt, um ſo haͤufiger werden dieſe Faͤlle, aber ſo wenig wie je in einem Kriege die erſte der Vor- ſtellungsarten vollkommen wahr iſt, eben ſo wenig giebt es Kriege wo die letztere uͤberall zutrifft, und die erſtere entbehrlich waͤre.
Halten wir uns an die erſte dieſer beiden Vorſtel- lungsarten, ſo muͤſſen wir die Nothwendigkeit einſehn, daß ein jeder Krieg von Hauſe aus als ein Ganzes aufgefaßt werde, und daß beim erſten Schritt vorwaͤrts der Feldherr ſchon das Ziel im Auge habe, wohin alle Linien laufen.
Laſſen wir die zweite Vorſtellungsart zu, ſo koͤnnen untergeordnete Vortheile um ihrer ſelbſt willen verfolgt und das Weitere den weiteren Ergebniſſen uͤberlaſſen werden.
Da keine dieſer beiden Vorſtellungsarten ohne Re- ſultat iſt, ſo kann die Theorie auch keine derſelben ent- behren. Der Unterſchied aber, den ſie im Gebrauch derſelben macht, beſteht darin, daß ſie fordert: die erſtere als die Grundvorſtellung auch uͤberall zum Grunde zu legen und die letztere nur als eine Modifikation zu ge- brauchen, die durch die Umſtaͤnde gerechtfertigt wird.
Wenn Friedrich der Große in den Jahren 1742, 1744, 1757 und 1758 von Schleſien und Sachſen aus eine neue Offenſivſpitze in den oͤſtreichiſchen Staat hin- eintrieb, von der er recht gut wußte daß ſie nicht zu einer
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Erfolge an, und man kann jeden einzelnen wie eine
Spielmarke zuruͤcklegen.
So wie die erſte Vorſtellungsart ihre Wahrheit
aus der Natur der Sache ſchoͤpft, ſo finden wir die der
zweiten in der Geſchichte. Es giebt eine Unzahl von
Faͤllen, wo ein kleiner maͤßiger Vortheil hat gewonnen
werden koͤnnen, ohne daß ſich daran irgend eine erſchwerende
Bedingung geknuͤpft haͤtte. Je mehr das Element des
Krieges ermaͤßigt iſt, um ſo haͤufiger werden dieſe Faͤlle,
aber ſo wenig wie je in einem Kriege die erſte der Vor-
ſtellungsarten vollkommen wahr iſt, eben ſo wenig giebt
es Kriege wo die letztere uͤberall zutrifft, und die erſtere
entbehrlich waͤre.
Halten wir uns an die erſte dieſer beiden Vorſtel-
lungsarten, ſo muͤſſen wir die Nothwendigkeit einſehn, daß
ein jeder Krieg von Hauſe aus als ein Ganzes aufgefaßt
werde, und daß beim erſten Schritt vorwaͤrts der Feldherr
ſchon das Ziel im Auge habe, wohin alle Linien laufen.
Laſſen wir die zweite Vorſtellungsart zu, ſo koͤnnen
untergeordnete Vortheile um ihrer ſelbſt willen verfolgt und
das Weitere den weiteren Ergebniſſen uͤberlaſſen werden.
Da keine dieſer beiden Vorſtellungsarten ohne Re-
ſultat iſt, ſo kann die Theorie auch keine derſelben ent-
behren. Der Unterſchied aber, den ſie im Gebrauch
derſelben macht, beſteht darin, daß ſie fordert: die erſtere
als die Grundvorſtellung auch uͤberall zum Grunde zu
legen und die letztere nur als eine Modifikation zu ge-
brauchen, die durch die Umſtaͤnde gerechtfertigt wird.
Wenn Friedrich der Große in den Jahren 1742,
1744, 1757 und 1758 von Schleſien und Sachſen aus
eine neue Offenſivſpitze in den oͤſtreichiſchen Staat hin-
eintrieb, von der er recht gut wußte daß ſie nicht zu einer
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/113>, abgerufen am 21.11.2024.
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