Ein neuer Alexander mußte sich also neben seinem guten Schwerte auch eine gute Feder halten, und doch brachte er es mit seinen Eroberungen selten weit.
Aber auch Ludwig XIV., obgleich er die Absicht hatte das europäische Gleichgewicht umzustoßen, und sich am Ende des siebzehnten Jahrhunderts schon auf dem Punkte befand, sich wenig um die allgemeine Feindschaft zu beküm- mern, führte den Krieg auf die hergebrachte Weise, denn seine Kriegsmacht war zwar die des größten und reichsten Monarchen, aber ihrer Natur nach wie die der andern.
Plünderungen und Verheerungen des feindlichen Ge- bietes, welche bei den Tartaren, bei den alten Völkern und selbst im Mittelalter eine so große Rolle spielen, waren nicht mehr im Geist der Zeit. Man sah es mit Recht wie eine unnütze Rohheit an, die leicht vergolten werden konnte und den feindlichen Unterthanen mehr traf als die feindliche Regierung, daher wirkungslos blieb und nur dazu diente die Völker in ihrem Kulturzustande ewig zurückzuhalten. Der Krieg wurde also nicht bloß seinen Mitteln, sondern auch seinem Ziele nach immer mehr auf das Heer selbst beschränkt. Das Heer mit seinen Festun- gen und einigen eingerichteten Stellungen machte einen Staat im Staate aus, innerhalb dessen sich das kriege- rische Element langsam verzehrte. Ganz Europa freute sich dieser Richtung und hielt sie für eine nothwendige Folge des fortschreitenden Geistes. Obgleich hierin ein Irrthum lag, weil das Fortschreiten des Geistes niemals zu einem Widerspruch führen, niemals machen kann daß aus zweimal zwei fünf wird, wie wir schon gesagt haben und noch in der Folge sagen müssen: so hatte allerdings diese Veränderung eine wohlthätige Wirkung für die Völker; nur ist nicht zu verkennen daß sie den Krieg auch noch
Ein neuer Alexander mußte ſich alſo neben ſeinem guten Schwerte auch eine gute Feder halten, und doch brachte er es mit ſeinen Eroberungen ſelten weit.
Aber auch Ludwig XIV., obgleich er die Abſicht hatte das europaͤiſche Gleichgewicht umzuſtoßen, und ſich am Ende des ſiebzehnten Jahrhunderts ſchon auf dem Punkte befand, ſich wenig um die allgemeine Feindſchaft zu bekuͤm- mern, fuͤhrte den Krieg auf die hergebrachte Weiſe, denn ſeine Kriegsmacht war zwar die des groͤßten und reichſten Monarchen, aber ihrer Natur nach wie die der andern.
Pluͤnderungen und Verheerungen des feindlichen Ge- bietes, welche bei den Tartaren, bei den alten Voͤlkern und ſelbſt im Mittelalter eine ſo große Rolle ſpielen, waren nicht mehr im Geiſt der Zeit. Man ſah es mit Recht wie eine unnuͤtze Rohheit an, die leicht vergolten werden konnte und den feindlichen Unterthanen mehr traf als die feindliche Regierung, daher wirkungslos blieb und nur dazu diente die Voͤlker in ihrem Kulturzuſtande ewig zuruͤckzuhalten. Der Krieg wurde alſo nicht bloß ſeinen Mitteln, ſondern auch ſeinem Ziele nach immer mehr auf das Heer ſelbſt beſchraͤnkt. Das Heer mit ſeinen Feſtun- gen und einigen eingerichteten Stellungen machte einen Staat im Staate aus, innerhalb deſſen ſich das kriege- riſche Element langſam verzehrte. Ganz Europa freute ſich dieſer Richtung und hielt ſie fuͤr eine nothwendige Folge des fortſchreitenden Geiſtes. Obgleich hierin ein Irrthum lag, weil das Fortſchreiten des Geiſtes niemals zu einem Widerſpruch fuͤhren, niemals machen kann daß aus zweimal zwei fuͤnf wird, wie wir ſchon geſagt haben und noch in der Folge ſagen muͤſſen: ſo hatte allerdings dieſe Veraͤnderung eine wohlthaͤtige Wirkung fuͤr die Voͤlker; nur iſt nicht zu verkennen daß ſie den Krieg auch noch
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Ein neuer Alexander mußte ſich alſo neben ſeinem
guten Schwerte auch eine gute Feder halten, und doch
brachte er es mit ſeinen Eroberungen ſelten weit.
Aber auch Ludwig XIV., obgleich er die Abſicht
hatte das europaͤiſche Gleichgewicht umzuſtoßen, und ſich am
Ende des ſiebzehnten Jahrhunderts ſchon auf dem Punkte
befand, ſich wenig um die allgemeine Feindſchaft zu bekuͤm-
mern, fuͤhrte den Krieg auf die hergebrachte Weiſe, denn
ſeine Kriegsmacht war zwar die des groͤßten und reichſten
Monarchen, aber ihrer Natur nach wie die der andern.
Pluͤnderungen und Verheerungen des feindlichen Ge-
bietes, welche bei den Tartaren, bei den alten Voͤlkern
und ſelbſt im Mittelalter eine ſo große Rolle ſpielen,
waren nicht mehr im Geiſt der Zeit. Man ſah es mit
Recht wie eine unnuͤtze Rohheit an, die leicht vergolten
werden konnte und den feindlichen Unterthanen mehr traf
als die feindliche Regierung, daher wirkungslos blieb und
nur dazu diente die Voͤlker in ihrem Kulturzuſtande ewig
zuruͤckzuhalten. Der Krieg wurde alſo nicht bloß ſeinen
Mitteln, ſondern auch ſeinem Ziele nach immer mehr auf
das Heer ſelbſt beſchraͤnkt. Das Heer mit ſeinen Feſtun-
gen und einigen eingerichteten Stellungen machte einen
Staat im Staate aus, innerhalb deſſen ſich das kriege-
riſche Element langſam verzehrte. Ganz Europa freute
ſich dieſer Richtung und hielt ſie fuͤr eine nothwendige
Folge des fortſchreitenden Geiſtes. Obgleich hierin ein
Irrthum lag, weil das Fortſchreiten des Geiſtes niemals
zu einem Widerſpruch fuͤhren, niemals machen kann daß
aus zweimal zwei fuͤnf wird, wie wir ſchon geſagt haben und
noch in der Folge ſagen muͤſſen: ſo hatte allerdings dieſe
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nur iſt nicht zu verkennen daß ſie den Krieg auch noch
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/128>, abgerufen am 24.11.2024.
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